Tipps & Tricks

Smarte Lösungen für dreckige Lagen

Für Schläge aus dem Rough, unter Bäumen hindurch oder gar aus einem Divot gibt PGA-Professional und GVNB-Landestrainerin Anka Lindner hilfreiche Tipps.

Stefan Heigl

Training – Bad griesbachbach - dreckige Lagen - Anka Lindner
Gewusst, wie

Jeder Golfer kennt die Herausforderung: Der Spielball kommt nicht Mitte Fairway zur Ruhe, sondern steckt stattdessen im tiefen Rough, in einem unschönen Divot oder zwischen Bäumen mit tiefhängendem Geäst. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Zudem erhöhen derartige Spielsituationen den Stresspegel der Spieler und führen hin und wieder mal zu unangenehm hohen Scores. Und auch das kennen Sie irgendwoher? Dieses beklemmende Gefühl, wenn der Ball genau dort liegt, wo man ihn nun wirklich nicht platzieren wollte… Wie wäre es mit einem gezielten Training dieser schwierigen Lagen?

(Original Caption) Ardmore, PA: Hammin' it up in the rough of the Merion Country Club, Lee Trevino pulls a snake out of the grass with his club much to the amazement of the spectators. Trevino, a golf comedian, has dropped the toy snake from his pocket to set up the joke. 6/16/1971
Lee Trevino

Hand aufs Herz: Wie oft liegt der Ball während einer 18-Löcher-Runde genau dort, wo er eigentlich gerade nicht abgelegt werden sollte und wie oft müssen wir uns mit viel Fantasie aus einer Bredouille befreien? Genau, ziemlich häufig! Das muss niemandem peinlich sein. Golf ist eine Natursportart, die eben nicht auf flachplaniertem Terrain gespielt wird. Unvorhersehbare Schläge aus suboptimalen Lagen gehören üblicherweise zu einer Runde Golf, wie der kurze Putt zum Beenden des Lochs. Auch Profi-Spieler spielen nicht ausschließlich von der Fairwaymitte. Selbst ein Champion wie Lee Trevino (sechs Major-Siege von 1968 bis 84) sagte mal: »Ich verbringe so viel Zeit im Wald, dass ich schon sagen kann, welche Pflanzen essbar sind.«

Schlechte Lagen sind die Norm

Also sollten auch wir uns möglichst der Realität stellen und beim Training die Bälle eben nicht immer auf die ebenste und bestgemähte Stelle stupsen; und jene Lagen trainieren, in denen wir eigentlich nicht planmäßig liegen möchten. Der große Vorteil: Kann man den Ball von Kahlstellen oder gar aus Divots zu spielen, kommt es einem wie ein Kinderspiel vor, wenn man auf dem feinsäuberlich gemähten Fairway liegt.

PGA-Professional Ann-Kathrin »Anka« Lindner wurde in ihrer Funktion als Landestrainerin des Golf-Verbands Niedersachsen-Bremen (GVNB) jüngst von der PGA of Germany als »Jugendtrainerin des Jahres 2024« ausgezeichnet (siehe Seite 60). Als ehemalige Tour-Spielerin und LET-Gewinnerin (Pilsen Golf Masters 2013) kennt sich die 37-Jährige bestens mit Drucksituationen aus und weiß auch, wie in herausfordernden und alltäglichen aber doch trickreichen Lagen verfahren werden sollte.

Für die Foto-Session für diese Trainings-Strecke trafen wir Anka Lindner im Quellness & Golf Resort Bad Griesbach bei besten Lichtverhältnissen samt Sonnenschein und haben uns extra die garstigsten Stellen im Rottal gesucht. So musste die frisch ausgezeichnete PGA-Proette aus dichtem Rough, Divots und flach zwischen Bäumen hindurch schlagen.

Rettung aus dem Rough

Lage, Lage, Lage ist hier das A und O. »Die Schlägerwahl ist abhängig von der Balllage, die entscheidet wie viel Gras sich um den Schlägerschaft zu wickeln droht«, erklärt Lindner beim Blick auf das buschige Rough, in dem wir ihr anschaulich ein paar Bälle platziert haben. Das ist für die Proette, die auch zum Prüfungsteam der PGA of Germany gehört, Coaching-Alltag. »Hier ist Smart-Play gefragt. Vor der Schlägerwahl sollte man sich die Spielsituation ganz genau anschauen«, erklärt sie und stellt abwechselnd ein Hybrid und ein Eisen 7 vorsichtig an den Ball, um zu prüfen, wie viel Gras sich im Treffmoment wohl zwischen Ball und Schläger drängen würden.

Das größte Problem im Rough sind Gras und Feuchtigkeit; und diese beiden in Kombination stellen mitunter eine große Herausforderung dar. Ist der Treffer nicht sauber, hat der Ball weniger Energie und vor allem weniger Spin. Ein spinnender Ball kann hoch fliegen; fehlt der Spin, fliegt der Ball flacher – und rollt dann auch länger aus. 

Zwar ist ein Hybrid mit etwas mehr Loftneigung eine tolle Allzweck-Waffe, doch sollte situationsabhängig durchaus auch mal dem kurzen Eisen der Vorrang gegeben werden. Auch die Ballposition kann leicht variiert werden.

Damit dieser Rettungsschlag gelingt, ist der Eintreffwinkel elementar und sollte nicht flach, sondern steil sein. Dazu kann der Ball etwas weiter hinten im Stand – bei Rechtshändern zum rechten Fuß – platziert werden. Der Griffdruck kann etwas erhöht werden. Wenn sich lange Gräser um den Schaft wickeln, wird damit vermieden, dass sich das Schlägerblatt zu stark verdreht. 

Aber Achtung: Griffdruck ist nicht gleichzusetzen mit festen Handgelenken; diese müssen immer funktional bleiben. Um der Gefahr entgegenzuwirken, dass zu viel Gras im Treffmoment ins Spiel kommt, ist es ratsam, mehr von oben auf den Ball zu schlagen, also eine Nuance steiler zu schwingen. Außerdem ist ein voller Schwung bei langem Gras nicht sonderlich empfehlenswert. »Kurz und knackig«, lautet die Devise, erklärt die Expertin und spielt die Bälle mit satten Treffern aus dem dicken Grünzeug. Dann fügt die Course-Strategin mahnend hinzu: »Liegt der Ball mal ganz besonders tief im Gras, empfehle ich weise zu entscheiden. Es muss nicht immer auf Länge gespielt werden, manchmal ist das Wedge die Lösung.«

Dreckiges Divot

Spätestens, wenn man selbst mal in einem gelegen hat, kann man nachvollziehen, warum es so essenziell ist, Regeln und Etikette Folge zu leisten und das herausgeschlagene Divot – sei es noch so klein – wieder zurückzulegen. Liegt der Ball in der grasfreien Sandkerbe, stellt dies schon eine besondere Herausforderung dar. »Auch hier lautet die Lösung,

steiler an den Ball schwingen«, sagt Anka Lindner und spricht den Ball an, der wieder eine Nuance mehr am rechten Fuß platziert ist und drückt den Schlägerschaft etwas Richtung Ziel – für einen steileren Eintreffwinkel und einen sauberen Treffmoment. Aber Achtung: die Hände nicht zu stark nach vorne lehnen, das erhöht die Gefahr von Toppern.

Vor der Schlägerwahl ist die Situation exakt zu evaluieren. Ein langer Schläger – Fairwaywood oder Eisen – ist nicht die richtige Spielentscheidung, wenn der Ball in einer tiefen Kahlstelle liegt. Nehmen Sie ein mittleres Eisen oder auch ein Wedge und halten das Gewicht vermehrt auf dem vorderen (linken) Fuß, um einen besseren Ballkontakt zu gewährleisten. Beim Schlag wird konsequent durchgeschwungen.

Flacher Flug

Sie sehen schön aus, aber nerven manchmal ungemein: Bäume. Besonders blöd ist, wenn das Spielgerät genau zwischen selbigen zur Ruhe kommt und zusätzlich tiefer hängende Äste den Weg Richtung Ziel versperren. In dieser Spielsituation empfehlen sich eine niedrigere Flugbahn mit einem längeren Eisen (weniger Loft) oder einem Hybrid. Zur weiteren Verringerung des Lofts wird in der Standposition von weiter hinten gespielt. Auch hier werden die Hände etwas nach vorne Richtung Ziel gedrückt, um so einen »Forward-Lean« des Schaftes zu erzeugen. Zusätzlich sollte auch das Gewicht zu circa 60 bis 70 Prozent auf dem vorderen Fuß liegen. Beim flachen »Punch«, bedarf es nicht übertrieben viel Kraft. Liegt der Ball zusätzlich im Rough, sollte keineswegs wild raufgeprügelt werden. Kürzerer Rückschwung, kräftiger Durchschwung. Dank der Loftkontrolle des Schlägerblatts und dem saubereren Ballkontakt wird der Ball unterhalb der Bäume hindurch Richtung Ziel geschickt. Tipp: Trainieren Sie die kleine Veränderung im Timing vorab auf der Range, bevor Sie Ihre neue »Trouble-Shot-Technik« in der Praxis anwenden.

Risk & Reward – Risiko nutzen

Die englische Terminologie »Risk and Reward« beschreibt die strategische Abwägung zwischen Risiko und Belohnung. Bei einer herausfordernden Lage ist abzuwägen: Soll zwecks Schadensbegrenzung lieber mit einem kürzeren Eisen auf Sicherheit gegangen werden oder wird das Risiko in Kauf genommen? »Risiko nutzen«, empfiehlt die Landestrainerin. Es soll also nicht drauf losgebolzt werden. »Landet der Abschlag in einer misslichen Lage und es gibt keinen direkten Weg aufs Grün, dann empfiehlt es sich meist die unspektakuläre Variante zu nehmen, den Ball quer zu chippen und sich dann zumindest noch den Putt zum Par oder Nettopar zu erspielen, anstatt sich im Wald oder Kraut zu verzetteln«, erklärt Lindner. In der Risiko-Nutzen-Abwägung liegt das Verhältnis bei sieben zu zehn. »Wenn man nicht daran glaubt, dass der Risiko-Schlag in sieben von zehn Fällen gelingt, dann sollte man es sein lassen«, rät die Trainerin.

Kleine Veränderung, großer Effekt

Zusammenfassend ist das Gute an Trouble-Shots, dass die Lösung nicht viele unterschiedliche technische Feinheiten erfordert. Man muss vor allem den Treffmoment verstanden haben. Bei schlechten Lagen sind in der Regel zwei Faktoren ausschlaggebend, die man anpassen muss, um aus der Situation unbeschadet rauszukommen. Die Ballposition verändert den Eintreffwinkel. Die Power zuzüglich Schlägerwahl, mit der man agiert, kontrolliert die Höhe des Abflugwinkels und den Spin. Der taktische Trick ist, weitsichtig zu denken und das Ergebnis des beschädigten Treffmoments in die Schlagplanung miteinzubeziehen. Also damit zu rechnen, dass der Ball flacher fliegen und weiter ausrollen wird, beziehungsweise damit fest zu planen, weil es eben nicht anders geht. Genau das ist eigentlich die hohe Kunst: den Ballflug zu antizipieren und die Lösung aus misslichen Lagen zu finden.   

Schwierige Lagen erfordern Anpassungen in Technik und Strategie. Sind die erfolgt, können solide Schläge auch aus dem Rough, einem Divot oder unter Bäumen gespielt werden. Wer diese Schläge beherrscht und vor allem keine übertriebene Angst vor ihnen hat, wird sicherlich den ein oder anderen Schlag auf der Runde sparen und so mit weniger Schlägen und etwas mehr Entspanntheit ins Clubhaus kommen. Viel Spaß beim Training der »dreckigen Lagen.«

Ann-Kathrin „Anka“ Lindner

Golf Magazin, Technik, Bad Griesbach, Anka Lindner
Anka Lindner

 Fully Qualified PGA-Professional, , A-Trainerin des DOSB und hauptamtlich Landestrainerin des GVNB (Golf-Verband Niedersachsen-Bremen). Als Playing-Professional spielte sie 5 Jahre auf der Ladies European Tour (LET) und gewann 2013 das Honma Pilsen Masters.
10 Jahre dauerte es von Start mit Golf bis zum Toursieg, 2x DMM mit St. Leon-Rot, seit 2023 Ehrenmitglied im Burgdorfer GC.
Besonderheiten: Caddy beim Solheim Cup 2017 am Bag von Florentyna Parker; trat 2011 bei »Wetten, dass…?« auf

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