5 Fragen an den Spieth-Coach Cameron McCormick.
Cameron McCormick ist seit Jugendtagen der Trainer von Jordan Spieth. Im Interview verrät der Australier Details von sich und seiner Zusammen-arbeit mit einem der weltbesten Golfer.
Sommer 1998. Meine eigene Karriere als Profigolfer verlief sich gerade im Nirgendwo. Meine Arbeit als Golflehrer hatte ich noch nicht begonnen und war zu dem Zeitpunkt praktisch arbeitslos. Ich lebte mit meiner Freundin Somer, heute meine Frau und die Mutter unser beiden Kinder, in New York City. Sie arbeitete im Marriott Marquis am Times Square und ich verdiente am Tag ein paar Dollar als Fotoassistent.
Nachts zwischen 22 und 4 Uhr morgens verteilte ich in den Nebenstraßen Flyer für einen Nachtclub. Nie werde ich die Momente vergessen, in denen jemand meinen Flyer nimmt, mir in die Augen schaut, ihn zerknüllt und auf die Straße wirft. Wenn Sie mich jetzt fragen, ob der Job als Trainer von Jordan Spieth mir meine Bescheidenheit von damals geraubt hat? Dann kann ich nur sagen: Bislang noch nicht!
Als Jordan noch ein Teenager war, machte ich mit ihm einen Test, bei dem es darum ging, das Grün vor einem Putt richtig zu lesen. Ich suchte mir zu dem Zweck ein wirklich fieses Übungsgrün in unserem Brooke Hollow Golfclub in Dallas aus und stellte ihn vor eine große Zahl schier unlösbarer Aufgaben. Lange, superschwere Putts mit Doppelbreaks, über Wellen, entlang von Wellen, die zu Löchern führten, die mitten in Hang-abwärtslagen absolut unfair platziert waren.
Ich stellte ihm diese praktisch unlösbaren Aufgaben mit der Absicht, ihn scheitern zu sehen, um ihm so auf die harte Tour klarzumachen, dass meine dauernden Aufforderungen, die Grüns intensiver zu lesen, nicht von ungefähr kamen. Doch was dann passierte, beeindruckt mich noch heute. Jordan spielte jeden dieser Putts mindestens bis auf wenige Tap-In-Zentimeter an die Löcher. Etliche lochte er sogar. Er fragte mich anschließend: „Und was machen wir als Nächstes?“ Ich antwortete: „Lass uns ein paar Chips probieren.“
Mein liebstes Zitat vom legendären Ben Hogan lautet: „In den entscheidenden Momenten auf dem Platz bist du ganz allein. Nur du entscheidest über den Ausgang.“ Er beschreibt den Druck, der auf den Spielern lastet. Jeder aus dem Team rund um einen Profigolfer steht immer nur einen Schritt hinter ihm. Wenn es darauf ankommt, wenn der Ball ins Loch muss, dann ist er ganz auf sich allein gestellt.
Ich bin für Jordan so eine Art Navigator. Ich zeige ihm die Route zum Ziel. Und manchmal, aber wirklich nur selten, fungiere ich auch als Feuer-löscher, als Retter in der Not. Damit spiele ich eine wichtige Rolle in unserem Team, die ich aber nur vom Flügel aus bestreite. Das Cockpit gehört allein Jordan.
Früher nannte man Leute wie mich „Golflehrer“, heute sagt jeder „Coach“. Ich finde den Begriff „Coach“ auch deutlich treffender, denn unser Aufgaben-bereich hat sich im Laufe der Jahre enorm ausgeweitet. Vor gar nicht allzu langer Zeit bestand die Augabe eines Golflehrers ausschließlich im Vermitteln der korrekten Technik. Heute geht es bei uns um die ganzheitliche Entwicklung eines Golfers: Psychologie, Training, Anaylyse der Statistiken, Entwicklung eines Spielplans, Ernährung, Kraft- und Fitnesstraining.
In einigen dieser Bereiche bin ich kein Experte, aber ich bin schlau genug, bei meinen Schülern zu sehen, ob bei Ihnen dort die Chance auf Verbesserung besteht. Ist das der Fall, weiß ich genau, zu wem ich sie schicken kann oder wen ich zu unserer Arbeit hinzuziehen kann, um auch in diesen Bereichen Fortschritte zu erzielen. Stellen Sie sich einmal vor, man könnte bei Jordan in allen Bereichen noch eine Steigerung um nur einen weiteren Prozentpunkt erreichen. Sozusagen einen Jordan erschaffen, der noch mal zehn Prozent besser spielt als heute.
Das wäre Wahnsinn – und ist doch absolut möglich.
„Statistiken sind wie Bikinis“, sie zeigen dir viel, aber eben nicht alles. Jordan steht aktuell in der Puttstatistik der PGA-Tour bei gelochten Putts aus 2,10 Metern nur auf Rang 194, aus 1,50 Metern immerhin schon auf Platz 74, bei Putts aus nur 1,20 Metern aber wie durch ein Wunder schon unter den Top 50. Heißt das, er kann die Langen nicht so gut? Nein, bei genauerer Betrachtung sieht man, das viele seiner Zwei-Meter-Putts einfach vergleichsweise schwer waren.
Beim Putten denke ich ohnehin, dass die Wissenschaft niemals wichtiger sein kann und wird als die künstlerischen Fähigkeiten eines Golfers. Nur, wer in der Lage ist, die unzähligen äußeren Einflüsse und Gegebenheiten beim Putten kognitiv und auf Grundlage seines Talents richtig einzuschätzen, der erledigt den Job auch zufriedenstellend. Technologie und Statistiken sind immer wichtige Parameter auf dem Weg zum Erfolg, aber der Golfer selbst ist am Ende noch zu 95 Prozent das entscheidende Kriterium. Zum Glück!