Nach dem Jubiläumsjahr 2022 war die diesjährige 11. Auflage der WINSTONgolf Senior Open ein echtes Premieren-Event – erstmals durften Profi-Spielerinnen starten, Gewinner war ein Tour-Debütant und noch eine Premiere: GM war als Caddie vor Ort.
Früher war Fanny Sunneson, ehemaliger Caddie von Nick Faldo, mein Vorbild. Ich bewunderte wie sie, inmitten einer reinen Männerdomäne, stets sicheren Schrittes das übergroße Tour-Bag über den Platz schulterte und sich mit ihrem Spieler, offensichtlich erfolgreich, beratschlagte. Somit tüftelte ich schon länger an dem Vorhaben, selbst einmal als Caddie an den Start zu gehen. »Kann ja nicht so schwer sein«, dachte ich. Meine Chance ergriff ich bei der 11. WINSTONgolf Senior Open.
Spoiler: 46 gelaufene Kilometer, konkret 55.324 Schritte, über 4.132 Höhenmeter, 11,8 Liter konsumierte Rundengetränke, 13 Bananen und sieben Protein-Riegel später weiß ich: Caddies machen einen Knochenjob. Und ich habe das 17,5-Kilogramm-Monster von Tour-Bag »nur« gezogen und war trotz einer soliden Grundfitness nach vier Tagen völlig am Ende. Der Rücken schmerzte, die Arme waren lahm, ich war zwei Kilogramm leichter und offensichtlich sah ich so fertig aus, dass selbst die Gesichtserkennung meines Mobiltelefons nach dem finalen Spieltag nicht mehr funktionieren wollte.
Caddies sind mehr als Taschenträger
Die Bedeutung eines Caddie wird oft unterschätzt – auch von einigen Tour-Spielern, wie Taka Ohagen, Caddie von Max Kieffer, in einem Interview berichtete. Verschiedene Studien belegen, dass Caddies echte »Strokesaver« sind. Die Ergebnisse variieren von drei bis zu zehn Schlägen und lassen sich nur schwer verifizieren. Fest steht: Ein guter Caddie kann spielentscheidend sein. Also holte ich mir vor meinem Einsatz ein paar Tipps von echten Profis: »Du musst gut in Mathe sein und schnell rechnen können«, empfahl mir Ex-Tour-Spieler und heutiger GVNB-Geschäftsführer Hinrich Arkenau. Die Distanzen bis Anfang und Ende Grün und bis zur Fahne sollte ich immer parat haben. Stefan Türkis (Caddie u.a. von Philipp Mejow und Benedikt Staben) mahnte: »Sei mindestens 1,5 Stunden vor Tee-off mit dem Bag auf der Range.« Praxisnah riet mir Hans Gerling (Profi-Caddie auf mehreren Touren): »Halte das Handtuch immer feucht und hab die Windrichtung immer im Auge.«
Premiere in WINSTONgolf
Bei der WINSTONgolf Senior Open gab es eine kleine Sensation: Nein, nicht etwa, dass ich meinen soliden Schreibtisch-Job temporär gegen eine Caddie-Knechtschaft getauscht habe, sondern, dass erstmals neben den Spielern der Legends Tour auch Ü45-Proetten abschlugen. Drei Spielerinnen stellten sich der Herausforderung: Lokalmatadorin Elisabeth Esterl, die zweifache Solheim-Cup-Kapitänin Catrin Nilsmark (SWE) und Patricia Beliard (FRA) – die für die Turnierwoche »meine« Spielerin war. Wie alle Caddies übernahm ich prompt den berühmten »Krankenhaus-Plural« und dachte fortan nur noch im »Wir«. Ausgestattet mit einer wenig schmeichelhaften, aber praktischen blauen »Caddie-Bib«, in deren übergroßen Taschen ich Tees, Stifte, Pin-Positionen und Yardage-Buch verstaute, lief ich fortan als lebendiges »Beliard-Werbeschild« über die top gepflegten Fairways von WINSTONlinks.
Am Bag von Patricia Beliard
Die Wahlheimat meiner Spielerin ist Texas. Sie war eigens für dieses neuartige Mixed-Event erstmalig nach Mecklenburg-Vorpommern gereist. »In Amerika haben wir nicht so viele Möglichkeiten Turniere zu spielen«, erklärte die schlanke 56-Jährige. Noch leicht geschlaucht vom Jet-Lag nutzte »Tutu«, so ihr Spitzname für enge Freunde, das ProAm-Turnier als Einspielrunde. Als ehemalige Profi-Skirennfahrerin verschlug es sie beruflich in die USA. Mit 26 Jahren hielt sie das erste Mal einen Golfschläger in der Hand, war prompt schockverliebt in diesen Sport, erspielte sich binnen eines Jahres ein Single-Handicap und wurde Profi-Spielerin.
WINSTONlinks schwer zu bändigen
»Wir« hatten mit den optisch imposanten, aber spielerisch eigenwilligen Hügeln dieses Inland-Links Course zu kämpfen. Die vielen blinden Schläge und versteckten Bunker erforderten Platzkenntnis und Präzision. Als ich im Anschluss an die ProAm in den unterirdischen Helfer-Bereich kam, liefen die aufgeregten Fachgespräche der Volunteers und Caddies (natürlich in »Wir-Form«) auf Hochtouren. Eines ist bei der WINSTONgolf Senior Open definitiv zu spüren: es ist ein Event der Helfer. Viele nehmen sich seit Jahren sich extra frei und reisen an, um als Starter, Scorer, Schildträger oder auch Caddie unentgeltlich zu arbeiten. Der Grund? »Die Nähe zu den Spielern« oder: »Das Ambiente«, lauten die mehrheitlichen Antworten der Volunteers
Caddie als Puffer
Die ersten beiden Spieltage wurden im Dunhill-Format (zwei Pros mit zwei Amateuren) absolviert. Beim Finalsonntag waren die 60 Profis unter sich. Wir starteten um 9:10 Uhr. Als erste Frau in der Turniergeschichte der WINSTONgolf Senior Open schlug Patrica ab – und platzierten ihren Drive sauber Bahnmitte. Eine große Ladung Stress fiel von ihren Schultern – vorerst. Ihr Gangtempo war flink. Mein Job bestand darin Schritt zu halten. Nebenbei die roten und gelben Markierungen (Dreiecke und Kreise) auf dem Fairway mit Hilfe des Birdie-Books zu dechiffrieren, alles in Yards umzurechnen, als Vor-Caddie vorzulaufen, als Richtungs-Geberin Hügel raufzukraxeln, Bunker zu harken, zu motivieren, applaudieren oder einfach zu schweigen.
Wer nicht schwieg war unser Flightpartner Gary Wolstenholme. Der Engländer war, wie er stolz berichtete, jüngst zum »extrovertiertesten Spieler der Tour« ausgezeichnet worden. Großes Kino – und ein waschechter Macho. Kulminationspunkt war, dass er »uns« (ja, während der Runde) ungefragt Schwungtipps kredenzte. »Impudence!« lautete Patricas fauchender Kommentar. Somit mutierte ich vom Caddie zur Pufferzone und bemühte mich, die beiden zu trennen. Bei anderen Spielern lief es runder – spielerisch und sicherlich auch zwischenmenschlich. Während »wir« mit einem etwas holprigen Start und Runden von 84, 80, 76 (+24) auf dem drittletzten Rang landeten, legte der australische Newcomer Scott Hend einen astreinen Start-Ziel-Sieg hin.
Youngster siegt
Kaum ist Hend 50 Jahre alt geworden, gab er sein Debüt auf der Legends Tour und siegte mit Runden von 70, 70, 66 (-10) und einem Schlag vor Peter Baker und Philip Archer (beide -9). Offensichtlich konnte Hend das »hügelige Monster« WINSTONlinks am besten zähmen. Die Führung hatte mehrfach gewechselt und Verfolger Archer ging mit einer strammen Bilanz von sechs Birdies auf die von Zuschauern gut besuchte Abschlussbahn. »Er hatte während der Runde eigentlich keinen Birdie ausgelassen«, sagte Archers Caddie Rob nach der Runde. Den Putt an Bahn 18 ließ er dann aber doch aus und wurde zum zweiten Mal in Folge Zweiter. Auch dem Sieger gelingt eine Folge: Mit Hend gewinnt, nach Vorjahres-Sieger Richard Green, zum zweiten Mal in Folge ein Australier.
Ladies willkommen
Nur drei, anstatt der ursprünglich geplanten sechs, Spielerinnen starteten in WINSTONgolf. Doch das Mixed-Format traf auf positive Resonanz. »Der Durchschnittsgolfer kann sich doch besser mit unserer Spielweise identifizieren als mit den Schlägerkopfgeschwindigkeiten unserer Kollegen«, meinte Elisabeth »Lisl« Esterl (+14), die sich nach einer »anstrengenden« ersten Runde stark zurückgekämpft hatte. 2024 geht es weiter – in der Hoffnung, dass sich noch weitere Ü45-Ladies dem Kampf der Geschlechter stellen werden.
Mein persönliches Caddie-Fazit: WINSTONgolf ist ein Zuschauerfreundliches Turnier, bei dem man nicht nur als Caddie hautnah dabei sein kann. Es war spannend und äußerst erkenntnisreich, vier Tage lang ein Profi-Event aus einer ganz neuen Perspektive miterlebt zu haben. Unvergessen – und mit Tutu habe ich eine neue Golf-Freundin gefunden.