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Tiger Woods: Das Ende einer Ära

Kann Tiger Woods noch einmal zurückkommen und Turniere gewinnen? Unwahrscheinlich, leider.

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Tiger Woods auf der Pressekonferenz vor der 152. Open Championship

Die Open Championship von Royal Troon hat uns alles geboten, was wir uns von einem großen Turnier wünschen konnten. Aber die Open hat uns auch eine bittere Wahrheit offenbart. Wir werden uns daran gewöhnen müssen: Ein Comeback von Tiger Woods scheint ausgeschlossen. Natürlich, 14 über Par nach zwei Runden können auf dem Old Course des Royal Troon Golf Club auch den Weltbesten passieren; Rory McIlroy, einer der großen Favoriten, spielte 11 über Par. Aber wie Tiger, der Held unserer Kindheit und Jugend, der Held unserer Zeit als Golfanfänger und Golfenthusiast, durch den Regen von Troon humpelte – das wirkte alles schmerzhaft unrund.

Die große Frage lautet: Hat er noch ein letztes Hurra in sich, oder befindet sich der 48-Jährige längst auf Abschiedstournee, ohne es sich einzugestehen? »Mein Spiel ist gut genug, um in Troon zu gewinnen«, hatte er zuvor gesagt. Das Selbstbewusstsein eines Spitzenathleten – oder Selbstbetrug aus Angst vor der Erkenntnis, dass es vorbei ist?Jack Nicklaus war 46 Jahre alt, als ihm 1986 beim Masters sensationell noch ein Major-Sieg gelang. Phil Mickelson gewann 2021 mit 50 Jahren die PGA Championship, doch beide waren bis dahin von Verletzungen völlig verschont geblieben.

Tiger Woods bei der Open Championship 2024
Tiger Woods bei der Open Championship 2024

Die Krankenakte von Tiger Woods dagegen liest sich wie die eines langjährigen Footballspielers. Und: Jack und Phil waren fit genug, um sich bei kleineren Turnieren in Wettkampfform zu halten. Tiger kann seit Jahren nur an ganz wenigen Turnieren überhaupt teilnehmen. Beim Masters schaffte Tiger es in diesem Jahr ins Wochenende, landete allerdings abgeschlagen auf Platz 60, in den folgenden Major-Turnieren verpasste er den Cut. Bei seinen letzten 14 Majors scheiterte er sieben Mal am Cut und zog zwei Mal zurück. Kein einziges Mal schaffte er eine Top-Ten-Platzierung, seit zwei Jahren ist ihm keine Runde mehr unter Par gelungen.

Der Wille ist da, aber der Körper macht einfach nicht mehr mit. Und jedes Jahr, jeden Monat, der vergeht, sträuben sich die Muskeln, Knochen und Gelenke ein wenig mehr. Tigers Verletzungs-Historie war schon vor dem Autounfall 2021 enorm; das zertrümmerte Bein gab ihm den Rest. »Für jeden großen Sportler ist es irgendwann an der Zeit, aufzuhören«, sagte Colin Montgomerie vor der Open in Tigers Richtung. Der schnappte zurück: 

Ich bin Open-Champion.
Im Gegensatz zu ihm darf ich
selbst entscheiden, wann es genug ist.

Tiger Woods‘ Reaktion auf die Aussage von Colin Montgomerie zu Tigers Wettbewerbsfähigkeit

Comeback 2025

Tiger Woods hat eine Ära geprägt. Viele von uns haben seinetwegen mit Golf angefangen. Seinetwegen ist Golf weltweit explodiert, zum absoluten Trendsport geworden. Viele Jahre lang war Tiger sportübergreifend der bestverdienende Athlet. Er hat uns unvergessliche Momente beschert, über die Sporthistoriker noch in hundert Jahren schwärmen werden. Er hat unzählige Rekorde aufgestellt, von denen einige ewig gelten dürften.

Aber es tat weh, ihm in Royal Troon zuzuschauen. Und Mitleid ist etwas, auf das Tiger Woods verzichten kann. »Ich hatte gehofft, vorn dabei zu sein«, sagte er am Freitag nach der zweiten Runde. »Aber es ging nicht. Ich habe mein Spiel nicht gefunden.« Er ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er es weiter versuchen wird. »Leider war ich in diesem Jahr zu optimistisch und konnte nicht so häufig trainieren und spielen, wie ich mir das vorgenommen hatte.« Auf die Frage, ob wir ihn bei der Open Championship 2025 in Portrush sehen werden, antwortete er: »Definitiv.«

Tiger Woods auf dem Weg zum ersten Tee bei der Open Championship 2024

Er gibt zu, dass er an Länge verloren hat, aber Länge sei auf einem Links-Platz ja nicht so entscheidend. Möglich, dass er bei einer Open Championship noch die besten Chancen für ein Fabel-Comeback hätte. Wir werden ja noch träumen dürfen. Denn vergessen wir nicht: Er ist nach wie vor ein absoluter Quoten-Magnet und tut dem Sport nach wie vor gut.

Wie geht es jetzt weiter? In einem Hollywoodfilm würde er Berater, Coach und Caddie seines Sohnes Charlie werden. Nach viel Drama und Tränen würde Charlie das Erbe seines Vaters antreten und in den Major-Turnieren um den Sieg mitspielen. Beim Schreiben dieser Zeilen teete Charlie, 15, bei der US Junior Amateur auf, einem Turnier, das der junge Tiger drei Mal hintereinander gewinnen konnte. Er landete im Zählspiel mit Runden von 82 und 82 auf Platz 240 von 264 Teilnehmern und konnte sich nicht für das Matchplay der besten 64 qualifizieren. Das Leben ist eben kein Hollywoodfilm. (Nebenbei: Kein Juniorgolfer in der Geschichte wurde je mehr beobachtet als Charlie. Wenn er all den Zirkus überstehen sollte und zu einem Spitzenspieler heranreift, dann ist er sogar noch nervenstärker als sein Vater.

Tiger Woods sollte an sich und seinen Körper denken. Er hat uns alle mehr als zwanzig Jahre lang verzaubert. Er ist niemandem mehr etwas schuldig, er muss keinem etwas beweisen. Schon gar nicht sich selbst.