Royal Troon. So viel Zeit muss sein. Zum hundertjährigen Jubiläum im Jahr 1978 bekam der Platz den königlichen Ehrentitel. Der Course an Schottlands Westküste liefert zuverlässig gute Geschichten. Bei der letzten Open dort im Jahr 2016 wurde uns das spannendste Duell seit dem »Duel in the Sun« von 1977 geboten (das sich übrigens nur 37 Kilometer südlich im Turnberry Golf Club abgespielt hatte). Beim besagten Duell vor acht Jahren setzte sich Henrik Stenson mit einer fabelhaften 63 und neun Birdies am Schlusstag knapp gegen Phil Mickelson durch. Wie viel Magie die LIV-Golfer jetzt noch verströmen können, wird sich zeigen, denn beide Spieler sind als ehemalige Sieger in Royal Troon dabei (Mickelson hatte sich den Titel bereits 2013 in Muirfield geholt, Stenson war damals Zweiter geworden).
Große Duelle in Troon
Auch 2004, als die Open zum vorletzten Mal in Troon gastierte, gab es ein sensationelles Finish: Um den Sieg kämpften die Superstars Ernie Els, Phil Mickelson, Lee Westwood und Retief Goosen. Ebenfalls tapfer vorn dabei: ein gewisser Todd Hamilton, der bislang auf der Japan Golf Tour spielte, wenige Monate zuvor mit der Honda Classic sein erstes Turnier auf der PGA Tour gewinnen konnte und da mit überhaupt erst ins Feld gerutscht war.
Am Vortag war Todd Hamilton dank einer 67 gar in Führung gegangen, und nach einer 69er-Schlussrunde am Sonntag konnte ihn niemand mehr überholen. Ernie Els hatte einen Vier-Meter-Putt zum Sieg, der nicht fiel. Also musste er gegen den No-Name-Mann aus Illinois ins Stechen, der sich erst ein halbes Jahrzuvor mit 38 Jahren und im achten Versuch über die Q-School für die PGA Tour qualifiziert hatte. Das Playoff über vier Löcher, wie es bei der Open Championship Tradition ist, gewann Todd Hamilton mit einem Schlag Vorsprung, auch wegen der damals (und bis heute) ungewöhnlichen Taktik, fast alle Chips mit dem Hybrid zu spielen.
Was Hamiltons Sieg 2004 im Rückblick umso erstaunlicher macht: Während Spieler wie beispielsweise Ben Curtis, der 2003 ebenso sensationell die
Open gewann, im Anschluss zumindest noch einige gute Resultate einfahren konnten – immerhin ließ Curtis drei weitere Siege auf der PGA Tour sowie drei Top-Ten-Platzierungen in den Majors folgen –, war Hamiltons Karriere danach so gut wie vorbei. Er schaffte keine vordere Platzierung mehr und erst recht keinen Sieg. Um einen legendären Fußballerspruch zu zitieren: »Er tanzte nur einen Sommer.«
Alle können oben mitspielen
Auch das gibt es nur bei der Open Championship: Beinahe jeder der rund 150 Teilnehmer hat eine echte Siegchance. Die Wetterlotterie, die bad and good bounces, also das Glück, den Topfbunker knapp zu verfehlen oder das Pech, trotz eines guten Schlages, den Ball in ein solch furchtbares Hindernis rollen zu sehen – all das lässt das Spielerfeld schon vor dem Start enger zusammenrücken.
Die Beweise aus den letzten Jahren neben Ben Curtis und Todd Hamilton? Stewart Cink, Louis Oosthuizen und Darren Clarke, die Sieger von 2009 bis 2011, hatte kein Buchmacher ganz oben auf dem Zettel, die Open 2015 in St. Andrews ging um ein Haar an den australischen Nobody Mark Leishman, Francesco Molinari und Shane Lowry, die Sieger 2018 und 2019, gehörten mit viel Wohlwollen allenfalls zum erweiterten Favoritenkreis, und 2023 puttete sich Brian Harman in Royal Liverpool überraschend zum ersten Majortitel.
Linksgolf verspricht Drama
Diese Unvorhersehbarkeit mag all jenen nicht gefallen, die Golf nur sporadisch verfolgen und außer Tiger Woods, Rory McIlroy und Jon Rahm kaum einen Namen kennen. Doch für Golf-Gourmets ist es das Höchste, auch einmal Spieler im Bild zu sehen, deren Schwünge und Lebensgeschichten man noch nicht auswendig kennt.
Der Bonus der Open: Manche Dramen kann es einfach nur im Links-Golf geben. Jean Van de Veldes Triple-Bogey 1999 am letzten Loch von Carnoustie ist schon sprichwörtlich geworden, aber auch Thomas Bjørns Bunker-Desaster 2003 hat einen festen Platz in der Golfhistorie. Der Däne lag in Royal St George’s zwei Schläge in Führung und hatte noch drei Löcher vor sich. An der 16, einem Par 3, traf er den Bunker am rechten
Grünrand. Die Lage war nicht schlecht, der Bunker nicht übermäßig tief. Und doch ließ Bjørn den Ball zwei Mal kurz; der Ball rollte vom Grün zurück in den Sand. Erst den dritten Ball, ironischerweise aus schlechtester Lage, schlug er zwei Meter an die Fahne und versenkte den Putt zum Doppel-Bogey.
Sophia Popov!
Royal Troon ist ein gutes Pflaster für die Deutschen: Sophia Popov gewann hier 2020 in spektakulärer Manier die Women’s Open Championship, die geradezu Symbolcharakter hatte, war doch Troon einer der letzten Golfclubs in Schottland, der Frauen als Mitglieder ausschloss; erst 2016 stimmten die Herren der Aufnahme von Frauen zu.
Vier Deutsche dabei
Diese Zeiten sind also vorbei, blicken wir nach vorn, denn erfreulicherweise ist 2024 ein deutsches Quartett dabei: Alex Cejka, qualifiziert als Gewinner der Senior Open Championship 2023, Stephan Jäger als Top-50-Spieler in der Welt sowie Yannik Paul und Marcel Siem als Top-30-Spieler im Race to Dubai 2023.