Nun also doch: Henrik Stenson, der charismatische Schwede, ist der großen Verlockung der Saudi-Dollars erlegen und wechselt zu LIV Golf. Folgerichtig reagiert die Ryder Cup Europe Ltd. und setzt den Iceman als Kapitän ab. Richtig, Stenson gehörte nach diesem Affront gefeuert. Der Tour blieb keine andere Wahl, um das Gesicht zu wahren.
Ich habe das alles erst einmal verdauen müssen, bevor ich diese Zeilen formuliere. Warum? Weil ich Henrik Stenson häufig begegnet bin. Mal kurz, mal lang, mal lustig, mal tiefgehend – und stets erfrischend. Einer, auf den ich mich immer gefreut habe, seinen Humor schätzte und die bissigen Kommentare liebte. Kurz nachdem er das Amt als Ryder Cup Kapitän für Rom angenommen hatte, bot sich mir im Mai die Möglichkeit, mit ihm ein Interview zu führen. Er wirkte authentisch und vollends überzeugt von seiner Aufgabe in Rome 2023. Blablabla – alles Show.
„Wie ich schon sagte: Es ist eine große Ehre und eine große Verantwortung. Man führt ein Team an. Ich habe großartige Erinnerungen als fünffacher Ryder Cup-Spieler. Darauf bin ich sehr stolz.“
Henrik Stenson im Mai über seine Nominierung zum Ryder Captain Europe
Jetzt, nachdem die Karten auf dem Tisch liegen, fühle ich mich an der Nase herumgeführt. Und das geht vielen so. In seinem Heimatland Schweden ist er unten durch. Der 46-Jährige erntet derzeit, nicht verwunderlich, einen medialen Shit-Storm in (ganz) Skandinavien. Man wird ihn wohl nicht in Erinnerung behalten als den ersten männlichen Major-Sieger Schwedens und Ryder-Cup-Helden, sondern als einen, der Hochverrat begangen hat. Stenson hat einen prestigeträchtigen-traditionellen Teamwettbewerb und dessen wichtigste Position mit Füßen getreten. Alles für Geld – stilloser geht es nicht.
Aber kommt das alles überraschend? Nein. Stensons Leistungen auf dem Platz waren zuletzt allenfalls durchschnittlich. Seine Zeit als Publikumsmagnet ist längst passé. Er ist Auslaufware, weil nicht mehr wettbewerbsfähig. Folglich erschien der Wechsel auf die LIV Golf mit seinen nahezu gleichaltrigen Kumpels Ian Poulter, Sergio Garcia, Graeme McDowell nur logisch. Und Stenson wurde von Anfang an als LIV-Kandidat gehandelt, zog dann aber zurück, weil ihm das Kapitänsamt angetragen wurde. Und nun die Kehrtwende?
Über die Gründe kann nur spekuliert werden: Entweder kann Stenson den Rachen nicht voll genug bekommen oder, und das wäre hochgradig bedenklich: Er benötigt die Finanzspritze. Der Schwede hat 2010 schon einmal viel Geld verloren.
PS: Seine Karriere-Einnahmen liegen laut Yahoo bei 57 Mio. Dollar. Man sollte meinen, das reicht. Stenson nicht.