Henrik Stenson (46) reist in Doppelfunktion zur Porsche European Open (2. bis 5. Juni) an: Als Teilnehmer und als Ryder Cup-Kapitän des europäischen Teams. GM hatte die Gelegenheit mit dem schwedischen Major-Sieger ausgiebig zu sprechen Die Themen u.a.: Der Spagat Kapitän/Spieler, Ryder Cup Qualifikationskriterien, Revanche mit dem Porsche Course, LIV, Open Championship.
Welche Erinnerungen haben Sie noch an die Porsche European Open 2021?
Der Kurs ist lang, besonders einige Par 5 sind ziemliche Monster. 2021 habe ich eine enttäuschende Leistung abgeliefert. Unsere Gruppe mit Martin Kaymer, Abraham Ancer und mir hat den Cut verpasste. Ich freu mich auf die zweite Chance.
Und nebenbei präsentieren Sie sich nun auch als Ryder Cup Kapitän für Rom 2023 erstmals auf einer europäischen Anlage. Eine spannende Phase in Ihrem Berufsleben…
Das Amt ist eine große Ehre und darauf liegt der Fokus. Bis zum Ryder Cup 2023 müssen wir viele Dinge auf den Weg bringen.
Wie wichtig ist bei dieser Doppelfunktion Profi und Kapitän noch das eigene Spiel?
Die Kapitänsrolle hat Priorität und es ist mir bewusst, dass mir Zeit für mein eigenes Spiel fehlen wird. Mit meinem Team und dem der Ryder Cup Europe können wir das dennoch so einteilen, dass mein Beruf als Golfprofessional nicht zu sehr gestört wird. Ja, die Rolle beansprucht viel Zeit, ich bringe mich voll ein und werde alles daran setzen, den Cup zurückzuholen. Gleichzeitig bin ich aktiver Spieler und suche den Erfolg. Ich bin noch einer der jüngeren Kapitäne. Mit 46 Jahren befindet man sich als Spieler auf der Grenzlinie. Wie sieht es körperlich aus, wie mental? Ich habe einige schlechte Jahre hinter mir und habe noch den Ehrgeiz, die Kurve zu finden. Wenn ich alle Puzzleteile zusammenbringe, kann ich noch auf einem sehr hohen Level mitspielen.
Doppelfunktion
Hamburg ist Ihr erster Auftritt in Europa als Chef und Spieler. Wie gehen Sie vor?
Als Spieler wünsche ich mir immer eine Startzeit mit guten Bedingungen. Ich hatte zuletzt nur Pech mit dem Wetter. Spaß beiseite. Wenn es Richtung Rom geht und das Team Konturen angenommen hat, dann spricht man sich mit den Turnierverantwortlichen ab und sagt: Man würde gerne mit einem speziellen Spieler auf die Runde gehen. Das werde ich in Absprache mit meinen Vizekapitänen umsetzen. Davon sind wir aber noch ganz weit entfernt. Jetzt geht es eigentlich darum, auch den ein oder anderen Pro kennenzulernen, sich auszutauschen. Ich kenne einige der jungen europäischen Spieler noch gar nicht. Hamburg ist eine wunderbare Gelegenheit, die Interaktion zu starten.
Welche Bedeutung hat die Kapitänsrolle für Sie?
Wie ich schon sagte: Es ist eine große Ehre und eine große Verantwortung. Man führt ein Team an. Ich habe großartige Erinnerungen als fünffacher Ryder Cup-Spieler. Darauf bin ich sehr stolz. 2021 war ich Vize bei Padraig Harrington in Whistling Straits, und nun habe ich die Möglichkeit, mich in der Rolle einzubringen. Das Wichtigste ist, die Spieler zusammenzuführen und als Team zu agieren. Anders geht es nicht gegen ein sehr starkes amerikanisches Team.
Was muss sich an den Qualifikationkriterien ändern, um eine schlagkräftige europäische Truppe ins Rennen zu schicken?
Eine gute Frage, und als Kapitän werde ich darauf Einfuss nehmen. Wir sind dran, die Ergebnisse werden in naher Zukunft kommuniziert. Natürlich haben wir Whistling Straits analysiert und unsere Schlüsse gezogen. Das hat nichts damit zu tun, ob man eine Klatsche kassiert oder knapp gewinnt. Man muss Dinge immer evaluieren.
Änderungen kommen
Sind mehr Wildcards am Ende nicht ratsam? Siehe Team USA. Man kann Spieler mitnehmen, die in Form sind…
Wir analysieren das aus allen Perspektiven, ich kann es derzeit nicht sagen, wann die Qualifikation beginnt und wie sie ablaufen wird. Keine Frage, mehr Picks ermöglichen mehr Flexibilität.
Sie haben erwähnt, nicht alle jungen Spieler zu kennen. Haben Sie Infos beispielsweise zu den Deutschen Matthias Schmid oder Hurly Long?
Zu diesem Zeitpunkt habe ich jeden Spieler auf dem Radar, es sind noch fast 500 Tage – da kann im Golf viel passieren. In einem Jahr schießt plötzlich ein Spieler von Null durch die Decke.
Wir haben viel über die Zukunft gesprochen, aber es gibt da ein Thema (LIV, Anm. d. Red), das seit Monaten in den Schlagzeilen ist und dessen Ausgang vollkommen offen ist.
LIV Saudi-Arabien
Und genau so geht es mir. Die ganzen Spekulationen bringen nichts – weder als Spieler noch als Kapitän. Ich habe keine Idee, wie sich die Situation in einigen Monaten darstellt. Ich habe genügend um die Ohren und muss mich nicht an Spekulationen beteiligen.
Klar, nur kommt man dem Thema ja nicht aus. Geht Ihnen das nicht auf den Wecker?
Nein, ich bin ein ziemlich ruhiger Typ. Wenn ich einige schlechte Eisen 7 schlage, das wissen Sie ja, kann ich etwas erregt reagieren. Ansonsten gibt es wenig Dinge, die mich aus der Ruhe bringen. Vielleicht liegt das auch am Alter.
Die 150. Open in St Andrews mit knapp 300.000 Zuschauern sollten auch den Iceman nicht kalt lassen?
Klar, die Open ist für mich als Europäer das Major, das mich am meisten bewegt. Ich fühle mich sehr privilegiert, das Turnier 2016 gewonnen zu haben. Ein Kindheitstraum, der Realität geworden ist und dann noch in einem spektakulären Duell. Es bedeutet mir persönlich zu viel. Als Junge habe ich die großartigen Europäer bei der Open im TV gesehen. Man träumt zuerst einmal davon, den Old Course zu spielen und später vielleicht einmal an der Open teilzunehmen. Am Ende stehe ich mit der Claret Jug in der Hand da. Ich spiele jetzt meine vierte Open in St Andrews, dem Home of Golf, das ist immer ein besonderes Erlebnis. Das wird mit dem Jubiläum eine magische Woche.
Karriere-Höhepunt
Kommt in absehbarer Zeit die Rückkehr nach St Andrews mit ihrem Sohn als Caddie?
Das ist denkbar, ich darf ja bis zu meinem 60. mitmachen. Vielleicht können wir es drehen und ich bin sein Caddie. Das wäre spektakulär bei einer Championship. Karl macht sich wirklich gut auf dem Platz. Er liebt Golf, spielt Tag und Nacht. Das erinnert mich schon sehr an meine Kindheit.
Wie sehr hat sich Ihr Leben nach dem Major-Sieg verändert?
Wir spielen viele Turnier im Jahr, aber es gibt nur vier Majors. Das sind die Höhepunkte und ein Gradmesser für die Karriere. Man gehört mit einem Sieg einer Gruppe an, die sich Major Champion nennen darf. Es ist das Sahnehäubchen und ich habe lange warten müssen – bis zu meinem 40. Lebensjahr. Es muss alles stimmen, um so einen Titel einzufahren. Ich würde nicht sagen, dass sich mein Leben massiv geändert hat, das wäre bei einem 22-Jährigen wohl der Fall. Ich hatte bis zu dem Sieg bereits eine lange und erfolgreiche Karriere.
Datum: 2. bis 5. Juni 2022
Austragungsort: Green Eagle Golf Courses
Preisgeld: 1.750.000 Euro
Titelverteidiger: Marcus Armitage (ENG)
Infos: HIER