Da gibt es kein WLAN.“ „Eine GPS-Uhr geht da sicher nicht.“ „Ist das nicht ein Entwicklungsland?“ Die Vorurteile gegenüber einem Land wie Litauen sind groß, wenn man in Deutschland jemandem von einer Golfreise ins Baltikum erzählt. Die wenigsten wissen von Golfplätzen östlich des Scharmützelsees; geschweige denn, wo Litauen eigentlich liegt.
Nun, die knapp drei Millionen Litauer, davon 568 registrierte Golfer, nennen den südlichsten der drei baltischen Staaten ihr Zuhause, eingekreist von der Ostsee, Lettland, Polen, Weißrussland und der russischen Oblast Kaliningrad. Gezahlt wird seit diesem Jahr mit Euro und WLAN gibt es allerorten, in der Hauptstadt Vilnius an jeder Imbissbude, von Clubhäusern gar nicht zu sprechen. Was das angeht, gelten wir im Vergleich zwischen Flensburg und Garmisch maximal als Schwellenland.
Das Rezessionsjahr 2009 hat den aufstrebenden jungen Staat hart getroffen. Geplante Golfprojekte wurden auf Eis gelegt, bestehende nur mit Mühe weiter-
geführt. Doch inzwischen herrscht Goldgräberstimmung. Litauer gelten als fleißig. Investoren mit vornehmlich litauischen Wurzeln haben wieder Interesse am Aufschwung im eigenen Land. So wie Benjamin Brahms, der seine Millionen in London in der Metallverarbeitung und mit eigener Goldmine machte. Ein geheimnis-voller Mann – Gerüchten zufolge mit Öl-Multi Roman Abramowitsch verwandt –, der nicht fotografiert werden möchte.
The V Golf Club: „Der beste Platz des Baltikums“
Brahms glaubt an Litauen: „Ich habe hier den Traum von einem kleinen exklusiven Dorf, Luxusresort auf der einen Seite und Naherholung für die Menschen in Vilnius auf der anderen Seite.“ Der 67-Jährige investiert in das Vilnius Grand Resort, das nur 15 Autominuten von Vilnius Zentrum entfernt ist. Wasserski-Anlage, Spielplatz, Health Station – aus dem einstigen reinen Tagungshotel wird nach und nach ein Vorzeigeprojekt. Man wird das Gefühl nicht los, dass es ihm zunächst vorrangig nicht um Gewinn geht. Er will aufbauen.
Entscheidend zum Erfolg des Resorts soll sein 18-Löcher-Championshipplatz The V Golf Club beitragen. „Der beste Platz des Baltikums“, sagt Golfdirektor Karl Grundin. Muss er sagen, denke ich, er spricht ja über seinen Arbeitgeber. Mag sein; der 36 Jahre alte Schwede aber weiß ganz offensichtlich, wovon er spricht. Seit sieben Jahren ist er in Litauen, war damals der erste PGA-Pro im Land. Er hat alle Plätze Litauens gespielt und auf den dreien rund um Vilnius selbst gearbeitet.
Im The V Golf Club kümmert er sich neben dem Training auch um Marketing und sitzt selbst auf dem Mäher. „Ein litauischer Basketballtrainer hat mich in Schweden überredet“, sagt Grundin. Pionierarbeit lag und liegt vor ihm. „Golf ist noch nicht angekommen.“ Dennoch glaubt er an Wachstum, hat Frau und seine 18 Monate alte Tochter nach Vilnius nachgeholt.
„Sein“ Platz ist nicht leicht. „Viel Wasser und noch mehr Birken bringen dir Course Management bei“, ermahnt der Ex-Tour-Pro seine Gäste. Nach Loch 12 (Par 5 mit Wasser links, rechts und zweifach frontal) ist man geneigt, zwecks Beschwerde nach der Adresse von Platzarchitekt Bob Hunt zu fragen. Das letzte Drittel der Runde aber entschädigt mit breiten Landezonen und kurzen Bahnen. „Das hat er mit Augusta gemeinsam“, übertreibt der Schwede. Auch wenn der Pflegezustand zuweilen tatsächlich Parallellen zum Masters-Platz zulässt. Kein Wunder. Wenige Golfer
machen wenig kaputt. Der Greenfeegast fühlt sich als König. Als VIP im V Club.
Euphorie schlägt einem allerorts entgegen. Können Sie sich noch an die Zeit nach der Gründung Ihres Clubs erinnern? Das Clubhaus noch nicht ganz fertig, der Platz mit Kanten und Ecken, aber alle sind so geil auf Golf, dass es fast egal ist. Hauptsache spielen und feiern. So muss man sich die Situation der Golfer in
Litauen vorstellen.
Besonders auffällig wird das im European Centre GC, nur eine kurze Autofahrt nördlich von Vilnius. Seit zweieinhalb Jahren haben der Vilniusser Mindaugas Glinskis und ein Freund die Anlage von schwedischen Betreibern übernommen und leben mit ihrem Traum den 260 Mitgliedern die eigene Begeisterung vor. Das Clubhaus ist einfach, rustikal, zum Feiern ideal. Zu empfehlen: Svyturis Ekstra Bier oder Gira, eine Art Malzbier, bei dessen Produktion auch Schwarzbrot verwendet wird.