Auch in der Forschung zur Langlebigkeit spielen Vitalstoffe eine immer bedeutendere Rolle. Doch genauso laut sind die kritischen Stimmen, die den Nutzen dieser Produkte infrage stellen. Um ein besseres Verständnis für die Welt der Mikronährstoffe zu bekommen, haben wir uns bei einem der führenden Hersteller in Europa umgehört. In einem Gespräch mit dem wissenschaftlichen Leiter von Biogena, Michael Wäger, haben wir die Vor- und Nachteile der Nahrungsergänzung beleuchtet und erfahren, was es mit dem Reinsubstanzenprinzip auf sich hat.
Vitamine, Vitalstoffe, Mikronährstoffe NEM & Co.
Vielleicht eine kurze Einführung zu dem Begriffs-Wirrwarr: Vitalstoffe, Mikronährstoffe, NEM & Co … Können Sie es kurz und knapp entwirren?
Umgangssprachlich werden diese drei Begriffe gerne gleichbedeutend verwendet. Korrekt wäre jedoch: Mikronährstoffe nehmen Menschen in nur sehr geringen Mengen zu sich, diese liefern – im Vergleich zu den Makronährstoffen Kohlenhydrate, Fette und Proteine – auch keine Energie für den Körper, übernehmen jedoch eine Vielzahl physiologischer Prozesse; dazu gehören verschiedene Vitamine und Mineralstoffe. Der Begriff Vitalstoffe ist sehr uneinheitlich definiert, gemeinhin werden jedoch »biologisch wichtige Substanzen« als Vitalstoffe definiert; aufgrund der sehr ungenauen Definition gehören hier fast alle in der Ernährungslehre relevanten Stoffe dazu, deshalb versuche ich diesen Begriff eher zu vermeiden. NEM ist die Abkürzung für Nahrungsergänzungsmittel. Nahrungsergänzungsmittel sind konzentrierte Quellen für Nährstoffe, die von Natur aus auch in unserer Ernährung enthalten sind – zum Beispiel liefern sie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, aber auch Pflanzenstoffe oder wichtige Fettsäuren. Als solche können Nahrungsergänzungsmittel unsere Nahrung gezielt ergänzen.
Lassen Sie uns bitte kurz »politisch« werden. In Deutschland werden vorhandene Studien zu Wirksamkeit gerne und häufig infrage gestellt. Häufig von den Konzernen, die dann einige Zeit später Magnesium und Vitamin-D-Präparate in Apotheken anbieten. Diese dann zwar mit etlichen Zusatzstoffen, aber man merkt, dass auch größere Pharmakonzerne auf den Zug aufspringen. Woran liegt diese Skepsis?
Man bekommt den Eindruck, dass gesündere Menschen einem »Krankensystem« lästig sind. Wie sehen Sie das? Die Skepsis beruht auf der – entschuldigen Sie bitte die gezielte Übertreibung – gebetsmühlenartig wiederholten Aussage »Eine ausgewogene Ernährung deckt alle für den Körper relevanten Stoffe in ausreichendem Maße ab.«. Theoretisch eine absolut richtige Aussage, in der Praxis gleicht sie jedoch einer Utopie. Und das zeigen auch Daten aus der nationalen Verzehrstudie aus Deutschland oder einem österreichischen Ernährungsbericht, ergänzt durch die von uns durchgeführte Good Health Study: verschiedenste Nährstoffmängel sind die Realität. Der »klassisch westliche Ernährungsstil« ist leider weder ausgewogen noch gesund, die Folgen daraus sehen wir im explosionsartigen Anstieg diverser Zivilisationskrankheiten und einem überforderten Gesundheitssystem. Der präventive Gedanken – und hier kann der gezielte Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln unterstützen – ist bedauerlicherweise nach wie vor eben genau das, ein bloßer Gedanke.
Bluttest – eine optimale Momentaufnahme
Was sind Ihre Empfehlungen an Verbraucher, wie sie am besten von Mikronährstoffen profitieren können? Steht der Bluttest am Anfang von allem?
Die Durchführung eines Bluttests stellt eine optimale Momentaufnahme der Versorgung des Körpers dar. Gerade bei Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren können diese zudem minimalinvasiv und kosteneffizient durchgeführt werden. Doch nicht überall ist zwingend ein Bluttest notwendig: so können etwa sportlich aktive oder psychisch herausgeforderte Menschen fast immer von einer gleichzeitigen Magnesiumsupplementierung profitieren. Sollte eine umfangreichere Supplementierung im Rahmen einer Therapie eines spezifischen Krankheitsbildes angedacht sein, empfehle ich ein Gespräch mit zertifiziertem Fachpersonal aus dem Bereich der Ernährung oder Ernährungsmedizin.
Mittlerweile gibt es einige Studien, die die Wirksamkeit belegen. Die gerade erst veröffentlichte „do health-Studie“, die sehr aufwendig in fünf Ländern in Form einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten klinischen Studie durchgeführt wurde (in Deutschland war die Charité Berlin beteiligt), hat eine enorme Wirksamkeit von Omega-3 in Verbindung mit Vitamin D gezeigt. Es soll sogar das Krebsrisiko um 61 Prozent senken. Was können Sie uns über diese beiden Stoffe sagen?
Studien in der Art der „do health-Studie“ sind leider viel zu selten, zu oft sprengen die postulierten Kosten den budgetären Rahmen, und ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten sind nicht gegeben. Bereits für kleinere Studienkooperationen mit Universitäten ist mit Kosten zwischen 300.000 bis 500.000 Euro zu rechnen; diese werden aus diesem Grund nur sehr selten von der Industrie auf sich genommen. Zurück zur „do health-Studie“: Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren haben enormes präventives sowie begleitendes therapeutisches Potenzial. Sowohl das Herz-Kreislaufsystem, die Schlagkraft des Immunsystems, die Muskulatur als auch die Psyche können von Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren profitieren. Wie relevant diese sind, zeigen aktuelle Daten: neun von zehn Personen sind nicht optimal mit Vitamin D oder Omega-3-Fettsäuren versorgt. Hier herrscht klarer Handlungsbedarf.
Kurkuma – Nahrungsergänzungsmittel, Super-Food, Wunderheiler
Was ist mit Stoffen wie Taurin oder Kurkuma? Woher kommt der Hype?
Aktuelle Studien zeigen, dass die Taurin-Konzentrationen im Körper mit ansteigendem Alter abnehmen. Eine Supplementierung mit Taurin verlangsamt wichtige Zeichen des Alterns wie DNA-Schädigungen oder eine verminderte mitochondriale Funktion. In Tierversuchen konnte sogar gezeigt werden, dass eine Taurin-Supplementierung die Lebensspanne erhöhen kann. Dies sind alles Gründe, welche den Hype rund um Taurin erklären könnten. Viel spannender hingegen ist jedoch Kurkuma. Aufgrund seiner stark antientzündlichen Wirkung wird es nicht nur erfolgreich bei Knie- oder Ellenbogenschmerzen eingesetzt, sondern gilt auch als effektives „SIRT-Food“, es beeinflusst unseren Alterungsprozess also positiv.
Wir könnten mit B- und C-Vitaminen bis zu Aminosäuren ein seitenlanges Interview führen, doch unser Platz ist begrenzt. Daher bitte noch ein Wort zu Ginkgo biloba. Wir gehen in dieser Ausgabe der Frage nach, ob Golf vor Demenz schützt. Ginkgo wird oft mit einer verbesserten Gedächtnisleistung in Verbindung gebracht. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es zu den Wirkungen von Ginkgo biloba?
Der Einsatz von Ginkgo bei der symptomatischen Behandlung kognitiver Beeinträchtigungen ist seit Langem wissenschaftlich abgesichert. Da Ginkgo den Blutfluss im Gehirn verbessert, profitiert auch das Hirngewebe an sich, wodurch sich die Erfolge von Ginkgo biloba bei der Erhöhung kognitiver Leistungen und bei der Behandlung von Hirnleistungsstörungen erklären.
Welche Rolle spielen Mikronährstoffe bei der Prävention chronischer Erkrankungen, und gibt es spezifische Stoffe, die gesichert präventiv wirken?
Als gesichert präventiv würde ich sowohl Vitamin D als auch Omega-3-Fettsäuren bezeichnen, hier ist die Datenlage eindeutig. Vitamin D wirkt sich besonders positiv auf das Immun- sowie Herz-Kreislaufsystem aus, auch das Krebsrisiko könnte durch hohe Vitamin-D-Spiegel reduziert werden. Bei Vitamin D empfehle ich Mindestspiegel von 75 nmol/l, optimal wären jedoch Spiegel ab 100 nmol/l. Omega-3-Fettsäuren reduzieren nicht nur das Risiko für Herzinfarkte, sondern helfen auch bei diversen entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder neurologischen Störungen. Der Omega-3-Spiegel, auch Omega-3-Index genannt, sollte bei 8 Prozent oder mehr liegen, um von den präventiven Effekten von Omega-3-Fettsäuren zu profitieren.
In den vergangenen Jahren haben auch Pharmaunternehmen begonnen, Mikronährstoffe anzubieten, oft jedoch mit Zusatzstoffen wie Trennmittel oder Farbstoffe. Was sind die Nachteile solcher Zusatzstoffe, und warum ist das Reinsubstanzenprinzip in diesem Zusammenhang so bedeutsam?
Der Großteil der in Nahrungsergänzungs- und Lebensmitteln enthaltenen Zusatzstoffe gelten rechtlich immer noch als „sicher“. Aufgrund verschiedenster Neubewertungen der Sicherheit von Zusatzstoffen stellte sich in den vergangenen Jahren jedoch heraus, dass dies weit nicht auf alle Zusatzstoffe zutrifft. Als Beispiel möchte ich Titandioxid nennen, dieser Zusatzstoff gibt Tabletten seine weiße Farbe oder wird auch in vielen Kosmetika verwendet. Seit Kurzem ist dieser Stoff für Nahrungsergänzungsmittel verboten, weil er das Krebsrisiko erhöht und die Ausbildung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen fördert. Wie essenziell die generelle konsequente Minimierung (ein kompletter Verzicht ist aufgrund der modernen Lebensmittelindustrie nicht möglich) des Verzehrs von Zusatzstoffen ist, zeigen auch brandaktuelle Ergebnisse der NutriNet-Santé-Studie mit über 100.000 Proband:innen. Sie untersuchte die 90 häufigsten Zusatzstoffe und versucht erstmalig auch mögliche gesundheitlich negative synergistische Wirkungen zwischen verschiedenen Zusatzstoffen auf den menschlichen Körper aufzudecken. Die beobachteten gesundheitlich bedenklichen Auswirkungen auf diverse Erkrankungen, wie Diabetes oder das Krebsrisiko, bestätigen uns wiederholt in der Einhaltung unserer enorm hohen, hausinternen Qualitätskriterien. Wir produzieren nach dem Reinsubstanzenprinzip, also frei von künstlichen Farb- und Geschmacksstoffen, Überzugs- und Trennmitteln. Das minimiert Risiken, gewährleistet die optimale Aufnahme der enthaltenen Wirkstoffe und garantiert die bestmögliche Verträglichkeit.
Was glauben Sie, wird die Zukunft für den Bereich der Mikronährstoffe bringen? Werden wir in Zukunft personalisierte Mikronährstofflösungen sehen, die auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt sind?
Für mich steht fest, dass der Bereich der Nahrungsergänzungsmittel auch in Zukunft stark wachsen wird: Prävention wird immer wichtiger, das Bewusstsein in der Bevölkerung dazu steigt stetig an. Neue Entwicklungen im Bereich der Altersforschung zeigen auch im Bereich der Mikronährstoffe enorm großes Potenzial. Auch die Stressforschung sowie die Erhaltung der psychischen Gesundheit nutzen mehr und mehr die Potenziale von Vitaminen, Mineralstoffen und Pflanzenstoffen. Personalisierte Mikronährstoffmischungen betrachte ich aus jetziger Sicht noch mit einem kritischen Auge, und zwar aus mehreren Gründen: Die meisten am Markt erhältlichen Optionen basieren auf teils suboptimalen Diagnostikmethoden oder sogar nur einem bloßen Fragebogen; das würde ich maximal als eine grobe Annäherung an die individuellen Bedürfnisse einstufen. Zudem basieren viele „Lösungen“ am Markt auf Granulat-Mischungen, welche eine Vielzahl von nicht notwendigen Zusatzstoffen enthalten. Zu guter Letzt ändert sich der individuelle Bedarf fast tagtäglich, akute Stresssituationen sowie z. B. eine Erkältung sind nicht planbar, führen ein individuell angepasstes Nahrungsergänzungsmittel aber rasch ad absurdum. Dies sind nur einige Beispiele, weshalb wir meiner Meinung nach noch weit von individuellen Mikronährstofflösungen entfernt sind.
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