Golf Medico

Über den Traum von der Langlebigkeit | GOLF MEDICO

Biohacking & Longevity – was verbirgt sich hinter diesen Begriffen? Und wie wird Altern »heilbar«? Wer sich näher mit dem Thema beschäftigt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, welche Erkenntnisse und Fortschritte bereits erzielt wurden.

Anbieter

Nina Ruge
Nina Ruge

Langlebigkeitsforschung wird mittlerweile an jeder renommierten Universität betrieben und liefert erstaunliche Erkenntnisse. Wir haben uns dazu mit Nina Ruge getroffen, die Bücher zum Thema veröffentlicht hat und einen eigenen Podcast betreibt. Ein aufschlussreiches Gespräch über den Traum von der Langlebigkeit mit der Wissenschaftsjournalistin & Biologin.

Zum eigentlichen Thema des Gesprächs: Können Sie uns kurz die Begriffe »Biohacking« und »Longevity« erklären? Was ist was und welche Tools würden Sie wozu zählen?

Im Kern geht es darum, degenerative Alterskrankheiten proaktiv zu verhindern oder zu verlangsamen, um ein selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter bei guter Gesundheit und Lebensqualität zu ermöglichen.

Biohacking ist eine breit gefächerte Praxis, die darauf abzielt, den Körper und das Wohlbefinden durch die Anwendung von Prinzipien und Techniken aus Biologie, Medizin und Technologie zu verbessern. Dahinter steht die Idee, den menschlichen Körper als ein System zu betrachten, das optimiert werden kann. Biohacking umfasst eine Vielzahl von Ansätzen, von der Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln zur Leistungssteigerung bis hin zu Veränderungen des Lebensstils wie der Optimierung von Schlafmustern, Ernährungsumstellung und körperlichem Training zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden.

Sie sind tief im Thema drin und beschäftigen sich seit Jahren mit der Faszination Langlebigkeit. Bitte führen Sie unsere Leser kurz durch einzelne Teil- bereiche der Forschung. Beginnen wir mit dem »Mythos Zelle«. Wie und warum altert eine Zelle und was schützt sie davor? Was müssen unsere Zellen in unserem Körper leisten?

Unvorstellbare 50 Millionen Zellen werden in unserem Körper ausgetauscht – pro Sekunde! Ein unglaubliches Gewusel, von dem wir nichts merken. Dieses System ist so umfassend organisiert, dass es innerhalb von sieben Jahren in vielen Organen fast alle Körperzellen ausgetauscht hat. Innerhalb von zwei Jahren wird die Leber komplett erneuert, innerhalb von zehn Jahren unser gesamtes Skelett. Im Prinzip geht es also darum, die zelleigenen Reparatursysteme zu unterstützen, damit die gigantische Zellteilungsleistung dauerhaft ohne größere Schäden ablaufen kann.

Einige Zellen aber fasst das System gar nicht oder nur sehr, sehr behutsam an: Nervenzellen, Herzmuskelzellen, Immunzellen, Sinneszellen von Auge und Ohr zum Beispiel. Sie altern unaufhalt- sam. Da sie sich nicht teilen können, ist es für diese Zellen besonders wichtig, die Energiegewinnung und das Recycling zu stärken.

Nina Ruge
Nina Ruge

»Unser Gesundheitssystem ist immer noch eher ein Reparatursystem. Es greift erst, wenn die Alterserkrankung, die chronische Krankheit bereits eingetreten ist.«

Und ohne unsere fantastischen Kleinstkraftwerke, die Mitochondrien, läuft in unserem Körper gar nichts. Je mehr Energie eine Zelle verbraucht, desto mehr Mitochondrien hat sie normalerweise. Eine Herzmuskelzelle hat mehrere tausend dieser kleinen Kraftwerke an Bord. Auch Nervenzellen, Leberzellen, Sinneszellen sind fantastisch ausgestattet. Sehr unglücklich ist allerdings die Tatsache, dass Mitochondrien bereits bei 25-Jährigen unter ersten Leistungseinbußen leiden.

Was sind »alte Zellen«? Sie schreiben in Ihrem Buch auch von »Zombiezellen«.

Zombiezellen, auch »seneszente Zellen« genannt: Sie sind ein Zeichen des Alterns. Junge Menschen haben fast keine Zombiezellen. Aber je älter wir werden, desto mehr »untote Zellen« finden wir in unserem Körper! Diese untoten Zellen haben ihre »Geschäftstätigkeit« weitgehend eingestellt, sie teilen sich nicht mehr, aber ihr Stoffwechsel läuft auf niedrigem Niveau weiter. Das Unangenehme an ihnen: Sie beginnen, entzündungsfördernde Proteine auszuschütten, die an vielen Entzündungsprozessen im Alter beteiligt sind (Arthrose, Krebs, Diabetes, Demenz). Besonders unangenehm: Sie können benachbarte Zellen dazu animieren, ebenfalls in den Zustand des Untoten zu verfallen.

Und ohne Unterstützung entstehen Alterskrankheiten?

Genau. Die Autophagie (von griechisch »auto-« und »phagein« für »sich selbst fressend«), also das »Entgiftungs- und Recyclingsystem« der Zelle, muss unterstützt werden. Wir haben ein hochintelligentes Recyclingprogramm, das ständig auf niedrigem Niveau läuft, um die Grundversorgung zu unterstützen. Verstärkt läuft es immer dann, wenn der Körper viel Energie braucht: beim Sport, bei Krankheit, beim Fasten. Dann durchforstet das System mit äußerster Präzision, was an Unnützem in der Zelle herumschwimmt: Proteine, die falsch gefaltet sind oder gerade nicht gebraucht werden, Mitochondrien, die nicht mehr richtig funktionieren und vieles mehr…

All das wird eingesammelt, in seine Grundbestandteile zerlegt und der Energieversorgung oder aufbauenden Prozessen zugeführt. Das hat natürlich einen »reinigenden« Effekt, aber auch einen Energiespendenden. Die Autophagie ist also ein grundlegendes System für die Gesunderhaltung unserer Zellen. Wenn es zu schwächeln beginnt, »vermüllen« unsere Zellen und die Energiebereitstellung leidet. Genau das passiert im Alter. Die Autophagie läuft nicht mehr rund. Fasten kurbelt die Autophagie an, also fasten Sie bitte alle (lacht).

»Wir haben ein hochintelligentes Recyclingprogramm, das ständig auf niedrigem Niveau läuft, um die Grundversorgung zu unterstützen.«

Sie beschreiben in Ihrem Buch auch sehr anschaulich, welche Lösungen bereits auf dem Markt sind und an welchen geforscht wird. Ein großer Bereich sind Nahrungsergänzungsmittel wie Taurin, Kreatin, NR (Nicotinamin Risbosid), Coenzym Q10, AKG (Alpha- Ketoglutarat). Als kleines Beispiel sei hier Spermidin genannt. Auch ein großer Hoffnungsträger. Was ist daran so besonders?

Die Studie wurde von der Medizinischen Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit einem internationalen Forscherteam und dem Krankenhaus Bruneck (Tirol) durchgeführt und im Juli 2018 im (AJCN) veröffentlicht. Eine bemerkenswerte Aussage daraus: »Mit einer spermidinreichen Ernährung könnte ein Überlebensvorteil von fünf Jahren erreicht werden«.

Außerdem wird erforscht, ob Spermidin die Plaquebildung im Gehirn bei Demenzerkrankungen negativ beeinflussen kann. Hier gibt es Hinweise, dass es die Plaquebildung verzögern könnte. Spermidin kommt übrigens in höheren Konzentrationen in Weizenkeimen vor.

VERJÜNGUNG IST MÖGLICH COVER
VERJÜNGUNG IST MÖGLICH COVER
Stayoung - Podcast
Stayoung – Podcast

Wie ist der Stand der Forschung im Bereich der Genetik? Sie erwähnen in Ihrem Buch auch Altkanzler Helmut Schmidt, der von Kritikern einer gesunden Lebensweise oft als Paradebeispiel für den alleinigen Einfluss der Gene herhalten muss…

Genau! Die Fesseln der Gene! Es gibt Menschen, die können Ketterauchen, beruflichen Dauerstress ertragen, Sportmuffel sein … und trotzdem 96 Jahre alt werden. Das muss an den »guten Genen« liegen, denken viele. Wer »schlechte Gene« hat, kann trotz Fastenkuren, Sportquälerei und perfekter Ernährung keine Gnade erwarten. Der leidet früh und stirbt früher.

20 bis 30 Prozent unseres Alterungsprozesses sind wahrscheinlich genetisch programmiert, 70 bis 80 Prozent hängen vom Lebensstil ab. Das ist doch gut, oder? Wir sind also weit mehr als die Summe unserer Gene! Mehr als zwei Drittel unserer gesunden Lebensspanne können wir aktiv beeinflussen.

Wir haben den Gentest zur Bestimmung des biologischen Alters machen lassen und ich bin biologisch vier Jahre jünger als ich sein sollte. Haben Sie das auch gemacht?

Natürlich, denn man kann ja im Nachhinein (auch bei einem schlechten Ergebnis) an den Einflussfaktoren arbeiten, das löslichen Vitaminen wie A, Beta-Carotin, E bin ich zurückhaltend, weil sie sich im Gewebe anreichern können. Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren nehme ich täglich ein, weil eine wichtige Studie gezeigt hat, dass beides bei Menschen ab 60, 70 eine deutliche Krebsprophylaxe bewirkt. Körpereigene Substanzen, die eine zentrale Steuerungsfunktion haben und im Alter stark abnehmen, fülle ich auf: NAD+ in Form von NR, Taurin, Kreatin, Coenzym Q10 und AKG. Aber auch hier: nicht täglich!

Außerdem nehme ich einige Mineralstoffe, einige pflanzliche Wirk- stoffe und Glucosamin plus Chondroitin. Beides wurde ursprünglich als »Gelenkmittel« bei Arthrose empfohlen. Später hat man herausgefunden, dass sie einen Langlebigkeitseffekt haben können.

Auch in meinem Bekanntenkreis nehmen immer mehr Interessierte Mikronährstoffe ein. Wäre es nicht sinnvoll, unser System noch stärker auf Prävention durch optimale Versorgung auszurichten?

Unser Gesundheitssystem ist immer noch eher ein Reparatursystem. Es greift erst, wenn die Alterserkrankung, die chronische Krankheit bereits eingetreten ist. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel hin zu einer präventiven und personalisierten Medizin. Wenn es uns gelingt, die Alterskrankheiten im Alterungsprozess weit nach hinten zu verschieben, dann können wir auch den drohenden Kollaps der nicht mehr finanzierbaren Gesundheitssysteme verhindern. Präventive Medizin bedeutet, den Alterungsprozess und drohende Krankheiten frühzeitig mit Biomarkern zu messen und entsprechend frühzeitig zu intervenieren – und präventive Medizin bedeutet auch, die Menschen frühzeitig anzuleiten, eigenverantwortlich für ein langes und gesundes Leben zu sorgen: Ernährung, Bewegung, Schlaf, Atmung, mentale Resilienz: Das kann kein Arzt verordnen – das können wir nur selbst in unseren Alltag integrieren. Und diese Lebensstilfaktoren machen einen großen Teil unserer gesunden Langlebigkeit aus.

Ihr Ehemann ist als einziger Deutscher Mitglied im Augusta National Golfclub: Wie viele Anfragen zum »Mitspielen« hat er im Laufe der Mitgliedschaft erhalten?

Ich denke eine Menge, aber das muss er Ihnen schon selbst beantworten (lacht). Er ist aber sehr emsig im Verteilen von Freude, er hat schon sehr viele Leute dorthin eingeladen. Es macht ihm große Freude, diese besondere Runde Golf mit anderen zu teilen.