Höchste Zeit also, einen ausgewiesenen Experten mit dieser These zu überfallen. Prof. Dr. Dr. Stefan Schneider vom Institut für Neurowissenschaft der Sporthochschule Köln ist eigentlich dafür bekannt, solide wissenschaftliche Studien durchzuführen. Doch wir haben ihn gebeten, mit uns ein wenig zu spekulieren und Licht in diese Angelegenheit zu bringen…
Alzheimer oder Demenz – Der Unterschied
Herr Prof. Schneider, wären Sie so freundlich, zu Beginn des Gesprächs den Unterschied zwischen Demenz und Alzheimer zu erklären?
Es wird häufig in einen Topf geworfen. Derzeitig haben wir knapp zwei Millionen Menschen in Deutschland, die an einer Demenz erkrankt sind. Demenz ist ein Überbegriff für eine funktionale und strukturelle Veränderung des Gehirns. Die Alzheimer-Demenz ist eine besondere (und am häufigsten vorkommende) Form der Demenz. Etwa zwei Drittel aller Demenzerkrankten in Deutschland leiden daran. Von den Erscheinungsformen her sind alle relativ identisch. Es geht einher mit einem Verlust der Gedächtnisleistung. Bei Alzheimer-Demenz sind es Nerven, die absterben. Bei einer vaskulären Demenz ist es eine Minder-Versorgung der Durchblutung.
Wie weit kennen Sie die Ursachen?
Die Ursachen sind vielfältig, aber heutzutage zuverlässig erforscht. Die genetische Veranlagung wurde lange diskutiert, wir wissen heute jedoch, dass dies nur bei einer sehr geringen Anzahl an Fällen den Ausbruch verursacht. Alzheimer ist heutzutage eher eine Lebensstilfrage. Bluthochdruck und Adipositas, generelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sind ein Indikator für häufigere Alzheimer-Erkrankungen. Wir wissen auch, dass soziale Isolation ein Hauptgrund ist. Das Gehirn funktioniert wie ein Muskel – erhält es keinen Input mehr, erschlafft es. Die genetische Disposition ist immer da, aber in höchstem Maß wird ein Ausbruch darüber bestimmt, wie Sie Ihr Leben beschreiten. Bewegen Sie sich viel? Sind Sie körperlich aktiv? Ernähren Sie sich gut und haben Sie ein starkes soziales Netzwerk?
Golfer zu 37% weniger an Demenz erkrankt
Das ist das Stichwort für unsere gewagte These, die auf einer sehr niedrigen, nicht evidenzbasierten Basis steht. Schützt Golf wirklich das Gehirn? Gibt es dazu wissenschaftliche Arbeiten?
Es gibt dazu eine interessante japanische Studie von Dr. Norie Sawada. Sie besagt, dass ältere männliche Golfer ein 37 Prozent geringeres Risiko hatten, an Demenz zu erkranken. Sie geht gewissermaßen zurück auf eine nationale Kohorte, die wir in Deutschland und in den USA auch nutzen. Dort begleitet man Menschen über viele Jahrzehnte, man lädt sie immer wieder zu Gesundheitsuntersuchungen ein. So können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu den verschiedenen Lebenszeitpunkten Datensätze begutachten und daraus Schlüsse ziehen. Das hat Herr Dr. Sawada an einer Stichprobe von 4.000 bis 5.000 Teilnehmern realisiert.
Das Spannende ist, dass diese Menschen in ihrer Freizeit sehr aktiv sind, und allein dadurch das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, signifikant geringer ist. Es hängt generell mit Aktivität und sozialen Kontakten zusammen, das sollte man nicht nur dem Golfsport zuschreiben. In den 70er und 80er Jahren gab es eine große Studie von Ralph Paffenbarger aus den USA, der Harvard-Absolventen knapp 20 Jahre nach ihrem Abschluss befragte. Damals ging es um die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Er konnte zeigen, dass das Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, signifikant sinkt, wenn wir im Schnitt in der Woche 3.000 bis 4.000 Kilokalorien zusätzlich durch körperliche Aktivität verbrauchen.
Daraus abgeleitet ist die bis heute gültige WHO-Empfehlung, dass wir zum Erhalt der Gesundheit 150 bis 180 Minuten, also 2,5 bis 3 Stunden, moderate bis intensive körperliche Aktivität in der Woche einplanen sollten. Kurzum: Es muss nicht Sport sein, es muss nicht Joggen sein, sondern es kann mit dem Rad zur Arbeit fahren sein. Es kann zu Fuß gehen sein, es kann Golf spielen sein oder Tennis spielen sein. Wichtig ist eben, dass wir uns bewegen. Und in dem Moment, wo wir uns bewegen, sind wir natürlich meistens auch in einem sozialen Kontext.
Bewegung und die kognitive Leistungsfähigkeit
Können Sie erklären, wie die kognitive Anforderung beim Golfspielen – etwa die Fokussierung auf Präzision und Strategie – das Gehirn stimuliert und möglicherweise vor dem Abbau kognitiver Fähigkeiten schützt?
Ein guter Golfspieler ist sicherlich der, der nicht mehr lange darüber nachdenkt, was er gerade motorisch macht. Auch ein guter Tennisspieler spielt eher intuitiv. Es ist eher kontraproduktiv, über diese Schläge nachdenken zu wollen. Das heißt, den Spaß am Spiel bekommen wir eigentlich nur dann, wenn wir bereits gut sind. Es sind die typischen Momente, wenn man »im Flow« spielt. Für die Prävention von Demenzerkrankungen spielt das aber eher keine Rolle. Hier geht es eher um psychohygienische Effekte von Sport und Bewegung. Wenn wir Mittel und Wege finden, mit dem täglichen Alltagsstress umzugehen und diesen durch Sport und Bewegung zu kompensieren, hat es positive Effekte auch auf die kognitive Leistung, die Konzentration und Aufmerksamkeitsfähigkeit. Jeder, der regelmäßig Sport macht, kennt das: Wie frisch wir uns im Kopf fühlen nach dem Sport.
Regelmäßige Bewegung, nicht Golf
Wie bewerten Sie den Einfluss von Stressbewältigung und mentaler Entspannung, die oft mit Golf assoziiert werden, auf das Risiko, an Demenz oder Alzheimer zu erkranken?
Das sind zwei unterschiedliche Aspekte. Sport und Bewegung kompensieren einerseits Stress und erhöhen die mentale und kognitive Leistungsfähigkeit, beispielsweise im Job, aber auch in der Schule und im Studium. Der präventive Aspekt für eine Demenz liegt einerseits rein physiologisch in der Vorbeugung von lebensbezogenen Risikofaktoren wie Adipositas und/oder Diabetes. Zum Zweiten darin, dass ein Grundmaß an körperlicher Fitness Grundlage für gesellschaftliche Partizipation ist. Und hier schließt sich der Kreis zum sozialen Kontext. Ich kann nur einkaufen oder zum Golf gehen, wenn ich auch körperlich fit bin. Das heißt, ich schaffe über Sport weitestgehend die Grundlage dafür, dass ich überhaupt sozial interagieren kann. Und soziale Interaktion, gepaart mit körperlicher Bewegung, ist definitiv der Schlüssel zur Prävention.
Ein schönes Schlusswort. Aber unseren Sport haben Sie jetzt leider nicht als den Allheilsbringer gelobt.
Er ist aus den oben genannten Gründen ein optimaler Sport, aber eben nicht der Einzige (lacht). Lassen Sie mich noch etwas hinzufügen: Der Anteil der Demenzerkrankten geht seit vielen Jahren proportional leicht bergab. Das wird unter anderem auf die Fitnesswelle zurückgeführt, die vor 30, 40 Jahren aus den USA zu uns herübergeschwappt ist. Damals haben auch in Nordeuropa Menschen begonnen, etwas für Ihre Fitness und Gesundheit zu tun.
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