2017 führte Dr. Jochen Jung den MAKO®-Operationsroboter als einer der ersten in Deutschland, im Jahr 2021 erstmalig in der Region Rhein-Neckar in der ATOS Klinik Heidelberg ein. Er ist mit mittlerweile über 500 realisierten Operationen einer der erfahrensten Anwender dieser neuen Technik. Dr. Jung ist Referenzoperateur und europaweit einer der wenigen deutschen Instruktoren. Zahlreiche orthopädische Chirurgen aus europäischen Zentren, wie z. B. London, Coventry, Amsterdam, Luxemburg, Verona und Tampere, wurden von ihm ausgebildet. Ein Gespräch über die Zukunft des roboter-assistierten Operierens.
Golfmedico: Herr Dr. Jung, Sie gelten als einer der erfahrensten Operateure in Sachen roboter-assistierte Chirurgie. Können Sie kurz erläutern, was der von Ihnen bediente MAKO®-Roboter exakt an Aufgaben übernimmt? Was passiert im Vorfeld und was während der Operation?
Dr. Jung: Der assistierende Roboter wird bei Operationen von künstlichen Hüft- und Kniegelenken eingesetzt. Zunächst wird ein bis zwei Wochen vor der eigentlichen Operation eine Computertomographie erstellt. Anhand dieser Aufnahmen der betroffenen Region erstellen wir ein individuelles 3D-Modell. Mithilfe dieser Bilder kann ich die Prothese des Patienten schon vorab dreidimensional einplanen. Während der OP erfolgt dann anhand von Messungen der Weichteile die auf den Millimeter genaue Platzierung der Prothese. Erst jetzt kommt der Roboter selbst zum Einsatz: Er hilft mir wie ein Spurhalteassistent die Planung auf den Millimeter und den Grad genau umzusetzen. Somit ist der perfekte Sitz der Prothese quasi garantiert.
Golfmedico: Hat eine assistierte Operation auch Auswirkungen auf die Verweildauer im Krankenhaus oder auf die Rehabilitation?
Dr. Jung: Absolut, das ist einer der großen Vorteile. Da die Prothese so gut eingepasst ist, haben die Patienten meistens weniger Schmerzen als bei einer konventionellen Operation. Die Mobilisation erfolgt wesentlich schneller. Dadurch verkürzt sich der Aufenthalt in der Regel und die gesteckten Rehabilitationsziele werden schneller erreicht.
„Auch sehr schwierige Fälle können durch diese einzigartige Präzision bestens versorgt werden“
Golfmedico: Was ist nach Ihrer Erfahrung der größte Unterschied im Ergebnis zu einer rein händisch durchgeführten Operation eines neuen Hüft- oder Kniegelenks?
Dr. Jung: In der planbaren und zuverlässig wiederholbaren Durchführbarkeit. Ich kann das implantierte Gelenk im Grunde ausnahmslos optimal platzieren, es gibt keine Ausreißer mehr – wir Mediziner sprechen dann vom sogenannten „Montags-Knie“. Bei der Implantation können zum Beispiel das Sitzen und Liegen noch vor dem Einbau simuliert werden und die Position des Implantats kann ggf. angepasst werden. Auch sehr schwierige Fälle können durch diese einzigartige Präzision bestens versorgt werden.
Golfmedico: Im Umkehrschluss könnte man als Patient sagen, dass man sich am besten nur noch in die Hände eines roboter-assistierten Chirurgen begibt?
Dr. Jung: Definitiv ja! Ich bin fest davon überzeugt, dass in nur wenigen Jahren die roboter-assistierte Implantation von Endoprothesen eher die Regel als die Ausnahme sein wird. Weltweit gibt es bereits über 1.000 installierte Systeme, die meisten in den USA. Die Zahl der Systeme steigt rasant an. Aber auch hier macht die Erfahrung des Arztes den Unterschied – letztlich setzt das MAKO®-System nur das um, was ich als Chirurg vorgebe.
Golfmedico: Wie weit ist die Chirurgie generell in Sachen OP-Roboter? Wir wissen, dass es im Bereich der Urologie bereits vollständig autark operierende Geräte gibt. Wo geht die Reise hin?
Dr. Jung: Ich denke, wir werden zunächst noch mehr Anwendungen wie zum Beispiel bei Prothesen anderer Gelenke sehen (Sprunggelenk, Schulter). Vermutlich wird AR (Augmentierte Realität) mit Spezialbrillen Einzug in den OP-Raum halten. Ein rein robotisches System sehe ich noch nicht so schnell, dafür sind wir Menschen zu individuell – zum Glück.
Golfmedico: Welche Zeitspanne betrachten Sie für diese Entwicklung als realistisch? Wird ein Operateur in den erwähnten Bereichen irgendwann überflüssig?
„Die OP der Zukunft wird sich in Richtung assistierende Robotik verändern“
Dr. Jung: Ich denke, im Laufe der nächsten zehn Jahren wird robotische Assistenz die Regel bei planbaren Operationen sein. Der Operateur wird aus meiner Sicht auf absehbare Zeit nicht überflüssig, ähnlich wie im Cockpit. Wer möchte schon ausschließlich von Robotern geflogen werden? Ich nicht! Aber die OP der Zukunft wird sich in Richtung assistierende Robotik verändern.
Golfmedico: Stehen solche Geräte schon bald für alle Interessierten bundesweit zur Verfügung?
Dr. Jung: Es gibt mittlerweile ein paar wenige Systeme in Deutschland. Das Problem in Deutschland ist, dass diese Mehrleistung leider nicht von den Krankenkassen erstattet wird. Letztlich kostet auch diese Innovation Geld und es wird an uns liegen, ob wir uns das leisten wollen. Die Patienten stimmen bereits jetzt mit den Füßen ab und nehmen auch weite Anreisen nach Heidelberg in Kauf – letztlich geht es um eine Operation, deren Ergebnis 15 Jahre und länger problemlos halten soll. Wir Deutschen sind ja Weltmeister im Reisen, warum dann nicht in das schöne Heidelberg (lacht).
Wir danken für diesen interessanten Einblick in die Zukunft des Operierens mit dem MAKO®-System.