Interview
Dr. Alexa Iwan ist vielen als Fernsehmoderatorin bekannt. Sie ist Autorin und promovierte Ernährungswissenschaftlerin. Im Herbst 2021 erscheint ihr Buch »Ernährung für Golfer«, in dem sie sportspezifisch auf die optimale Zusammensetzung vor, während und nach der Runde eingehen wird. Wir trafen sie in ihrer Wahlheimat in Köln.
Wir sprachen gerade über das Mikrobiom. Lassen Sie uns dort einfach anknüpfen. Diese sehr individuelle Zusammensetzung der Darmbakterien ist ein interessantes Feld. Kann man sagen, dass der Erfolg von Diäten maßgeblich davon abhängt?
So pauschal kann man das sicher nicht sagen. Aber Tatsache ist, dass unsere Darmflora ein Feld ist, deren Bedeutung für die Gesundheit und auch für unser Körpergewicht lange Zeit völlig unterschätzt wurde. So hat man festgestellt, dass Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend viele Antibiotika bekommen haben (diese Medikamente zerstören die Darmflora), als Erwachsene offenbar eher zu Übergewicht neigen. Und ja, es scheint Menschen zu geben, denen es einfach aufgrund der genetisch geprägten Zusammensetzung ihres Mikrobioms leichter fällt, schlank zu bleiben als anderen. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass man nicht erfolgreich abnehmen könnte, wenn man bei der Darmflora nicht gerade die allerbesten Karten gezogen hat. Es bedeutet aber, dass Kalorien nicht das Maß aller Dinge sind. Die Darmflora verändert sich nämlich zum Positiven, wenn man möglichst viele natürliche bzw. unverarbeitete Lebensmittel isst, wie z.B. Gemüse, Obst, Nüsse und Vollgetreide. Das mögen die »guten« Darmbakterien und sie vermehren sich dadurch. Ergo funktioniert auf diese Weise auch das Abnehmen leichter. Kohlenhydrate sind übrigens in ihrer Wirkung auf das Darm-Mikrobiom bisher am besten erforscht. Es gibt zwei große Gruppen: verdauliche Kohlenhydrate wie Stärke und Zucker und unverdauliche Ballaststoffe.
Wie wirken sich diese aus? Sind unverdauliche Kohlenhydrate schlechter? Und was passiert, wenn man eine kohlenhydratreduzierte Ernährung macht? Richtet man damit Schaden an?
Im Gegenteil: Die unverdaulichen Kohlenhydrate – Faserstoffe, lösliche Ballaststoffe, resistente Stärke – sind ja gerade die guten Kohlenhydrate! Sie sind das Futter für unsere Darmbakterien. Wenn Sie sich kohlenhydratreduziert ernähren, dann verzichten Sie in erster Linie auf Zucker, raffinierte Stärke und Weißmehl. Sie streichen also Kekse, Kuchen, Puddingteilchen, Süßigkeiten, Weißbrot, Mischbrot, Softdrinks u.ä. – alle Dinge, die ernährungsphysiologisch sowieso als eher ungünstig bewertet werden.
Nüsse, Keime, Samen, Hülsenfrüchte, Gemüse, zuckerarme Früchte dürfen und sollten (!) aber weiterhin auf Ihrem Speiseplan stehen. Auch Vollkornprodukte sind in Maßen völlig okay bei einer kohlenhydratreduzierten Kost. So kommen Sie in den Bereich der »Low Carb – High Fibre«-Ernährung. Und die ist im Alltag für die meisten Menschen absolut empfehlenswert. Wobei wir eigentlich heutzutage immer mehr von diesen allgemeinen Empfehlungen abkommen und lieber mit personalisierten Ernährungsempfehlungen arbeiten.
Bei unserem Selbstversuch ist uns aufgefallen, dass einige Lebensmittel mit sehr ungesundem Ruf nur zu überraschend niedrigen, also guten Blutzuckerreaktionen führten. Ist es daher nicht sehr wichtig zu wissen, was mein Körper individuell gut verarbeitet und was nicht? Als Beispiel reagierte ich auf Schokolade mit hohem Kakaoanteil sehr entspannt, während mein Blutzucker bei purem Weißbrot durch die Decke schoss…
Ja, die Reaktion des eigenen Körpers zu beobachten, ist spannend. Man muss dabei aber immer im Hinterkopf behalten, dass a) Blutzuckerreaktionen auf bestimmte Lebensmittel sehr individuell sind und b) auch davon abhängig sind, welche sonstigen Nährstoffe das Lebensmittel enthält.
Dass Ihr Blutzucker auf dunkle Schokolade relativ wenig reagiert, liegt u.a. an dem Fett in der Schokolade. Dieses verzögert die Kohlenhydratresorption und schwächt damit die Blutzuckerreaktion ab. Weißbrot »ohne alles« hingegen enthält schnellverdauliche Kohlenhydrate pur, deshalb schießt der Blutzucker in die Höhe. Doch auch wenn Sie Vollkornbrot pur essen würden, hätten Sie eine deutliche Blutzuckerreaktion. Anders sähe es aus, wenn Sie das Brot mit Butter und Käse äßen (was Sie im normalen Leben wahrscheinlich tun würden), denn dann kommt wieder der Fetteffekt ins Spiel.
Aber Sie haben das Weißbrot ja im Rahmen der Testmahlzeiten gegessen. Und hier ist das Ziel zu schauen: Wie reagieren Sie ganz persönlich? Tatsächlich gibt es nämlich einige wenige Menschen, die auf Weißbrot eine bessere Blutzuckerreaktion zeigen als auf Vollkornbrot.
Es geht bei der ganzen Sache also nicht darum, einzelnen Lebensmitteln ein generelles »Label« bzgl. der Blutzuckerwirkung aufzudrücken. Sondern es geht darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, welche der eigenen Lieblingslebensmittel und Mahlzeiten u.U. starke Blutzuckerschwankungen auslösen. Wenn man das weiß, kann man sie gezielt reduzieren oder auch gezielt essen. Ich persönlich finde es allerdings wichtig, dass man dafür zusätzlich zu den Testlebensmitteln auch realistische Mahlzeiten testet.
Was ist wichtiger zu kennen? Das Mikrobiom oder den Metabolismus-Typ?
Ich denke, beides kann wertvolle Hinweise liefern, um seine Ernährung zu überprüfen und ggf. Verbesserungen vorzunehmen. Wer sich grundsätzlich für das Thema interessiert, für den ist es sicher aufschlussreich schwarz auf weiß zu sehen, wie der eigene Körper reagiert bzw. zusammengesetzt ist. Man darf sich aber von solchen Ergebnissen auch nicht zu sehr beeinflussen lassen. Unser Stoffwechsel ist ein extrem komplexes Geschehen, da spielen noch sehr viel mehr Faktoren mit rein. Und Essen hat ja auch etwas mit Genuss zu tun und nicht nur mit Optimierung.
Zu glauben, dass man einfach nur irgendeinen Müsliriegel auf der Runde essen müsse und dann wird`s schon, ist Blödsinn.
Ich persönlich z.B. habe laut der Analyse eine eher nicht so günstig zusammengesetzte Darmflora, was die Bakterien angeht, die mit dem Körpergewicht assoziiert werden. Trotzdem bin ich rank und schlank und muss mich dafür auch nicht besonders anstrengen. Ich scheine also an irgendeiner anderen Stelle etwas richtig zu machen, was den Effekt der Darmflora überspielt oder zumindest ausgleicht.
Grundsätzlich sind wir in der Forschung bzgl. der negativen gesundheitlichen Auswirkungen eines dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegels aber schon sehr viel weiter als in der
Mikrobiomforschung, Glukoseintoleranz und Insulinresistenz sind nachgewiesene Vorboten für sehr viele ernährungsassoziierte Krankheiten. Insofern ist es hilfreich, wenn sich mehr Menschen mit den persönlichen Blutzuckerreaktionen auf ihre Nahrung auseinandersetzen.
Was passiert eigentlich, wenn man immer weniger zu sich nimmt als der errechnete, tägliche Grundumsatz? Ich habe meinen Grundumsatz an Tagen mit »gesünderer Ernährungsweise« nicht erreicht.
Oh, da haben Sie dann aber wirklich sehr wenig gegessen. Aber diese Erfahrung bestätigt, was ich immer »predige«: Wenn Sie gesünder essen, essen Sie automatisch kalorienärmer und können das blöde Kalorienzählen vergessen. Grundsätzlich sollten Sie kalorisch aber nicht unter Ihrem Grundumsatz essen (wobei hier der Grundumsatz bei Normalgewicht gemeint ist!), denn ansonsten lernt Ihr Körper mit weniger Energie auszukommen. Sie essen sich den Grundumsatz quasi runter. Und das führt dazu, dass Sie im Anschluss bei gewohnter Kalorienzufuhr zunehmen würden.
Sind Blutzuckerschwankungen eigentlich normal? Ich hatte in den 14 Tagen nachts zwei »Niedrig-Events«, bei denen ich einen Wert um die 60 hatte.
Unser Blutzucker schwankt den ganzen Tag mehr oder weniger stark. Und die meisten Menschen bekommen das im Alltag gar nicht bewusst mit. Denn der menschliche Körper hat »automatische« Mechanismen, mit denen er den Blutzucker immer wieder in den physiologisch optimalen Bereich bringt. Wenn wir viele Kohlenhydrate essen und der Blutzucker dadurch ansteigt, wird Insulin ausgeschüttet. Dieses Hormon sorgt dafür, dass der Zucker aus dem Blut hinaus in die Körperzellen (z.B. Muskelzellen) geschleust und dort im besten Fall verbrannt wird.
Sind wir dagegen unterzuckert, so sorgt ein anderes Hormon dafür, dass Reservekohlenhydrate aus der Leber freigesetzt werden und somit der Blutzucker wieder ansteigt. Wenn Sie als gesunder Mensch nachts in ein Zuckerloch geraten, dann hat dies meist mit Ihrem Abendessen – zu viel Zucker oder insgesamt zu wenig Kohlenhydrate – oder mit Alkohol zu tun. Alkohol hemmt den Mechanismus, mit dem der Körper gegen einen niedrigen Blutzucker vorgeht.
Apropos Zuckerloch – Süßstoffe scheinen noch schlechter als ihr Ruf zu sein, können Sie uns ein Update zu Aspartam, Saccharin & Co geben?
Süßstoffe sind ja allgemein sehr beliebt, weil sie die Kalorienaufnahme verringern und damit vermeintlich das Abnehmen erleichtern. Eine israelische Studie aus dem Jahr 2014 hat allerdings gezeigt, dass Mäuse, die elf Wochen lang mit Süßstoffen versetztes Trinkwasser getrunken hatten, mit einem höheren Blutzuckeranstieg auf eine anschließende Glukosefütterung reagierten als Mäuse, die während des gleichen Zeitraums echtes Zuckerwasser zu trinken bekommen hatten.
Alkohol hemmt den Mechanismus, mit dem der Körper gegen einen niedrigen Blutzucker vorgeht.
Da Süßstoffe nicht resorbiert werden, vermuteten die Forscher die Erklärung für diesen Effekt im Darm der Mäuse. Sie fanden heraus, dass Süßstoffe offenbar die Darmflora derart verändern, dass es zu einer Zunahme von Bakterien kommt, die vermehrt Kohlenhydrate abbauen. Man nennt das Dysbiose. Sobald die Süßstoff-Mäuse echten Zucker zu fressen bekamen, stieg ihr Blutzucker viel stärker an als normal, weil ihr Körper viel mehr Glukose ins Blut schleuste als üblich.
Eine gestörte Glukosetoleranz und dauerhaft erhöhte Blutzuckerspiegel führen jedoch zu einer Insulin-Resistenz, die letztlich die Vorstufe zu Diabetes darstellt. Und auch wenn man Tierversuche nicht 1:1 auf Menschen übertragen kann und sollte, sind dies wertvolle Hinweise darauf, wie wichtig ein intaktes Mikrobiom für unsere Gesundheit ist.
Lassen Sie uns abschließend spezifisch zu uns Golfern kommen. Was sollte man denn nun vor, auf und nach der Runde essen? Haben Sie da Quick-Tipps?
(lacht) Tatsächlich habe ich in meinem Buch ein Kapitel mit solchen Quick-Tipps eingebaut. Diese orientieren sich daran, was das »Problem« des Spielers bzw. der Spielerin ist. Wer sehr nervös ist, braucht zum Beispiel etwas anderes als jemand, der/die mit dem Rhythmus seines/ihres Schwungs kämpft oder ab Loch 13 die Konzentration nicht mehr aufrecht erhalten kann.
Für alle zusammen ist natürlich eine gute Basisernährung wichtig, aber relevant sind zudem die sportspezifischen Komponenten. Hier geht es um bestimmte Nährstoffe, aber auch um das richtige Timing beim Essen und Trinken. Denn eine richtige Golfernährung ist eine echte Sporternährung. Wir gehen z.B. etwas anders mit Kohlenhydraten um, als man dies im Alltag tun würde. Wir setzen diese sehr gezielt ein. Zu glauben, dass man einfach nur irgendeinen Müsliriegel auf der Runde essen müsse und dann wird`s schon, ist Blödsinn.
Zumindest im leistungs- und ergebnisorientierten Spiel sollte man differenzierter an die Sache herangehen. Denn im Golfsport spielt sowohl die körperliche, aber sehr stark auch die mentale Stärke und Fitness eine Rolle. Insofern sind vor dem Spiel die richtigen Kohlenhydrate wichtig, außerdem die Zusammensetzung und der Zeitpunkt der letzten Mahlzeit vor dem Start. Auf der Runde geht es um Blutzuckerkontrolle und darum, die Konzentration aufrechtzuerhalten. Hier sind neben Nährstoffen auch Substanzen wie Koffein entscheidend. Nach der Runde sollte das Essen die Nährstoffe enthalten, die eine muskuläre Regeneration fördern und optimieren. Also Omega-3-Fettsäuren, Kalium, Polyphenole. Und dann geht es natürlich auch um das sehr wichtige Thema des Trinkens, welches von den allermeisten Freizeitgolfern völlig unterschätzt wird.
Ihr Buch ist noch nicht erschienen, Sie können nicht zu viel verraten. Zudem wäre es auch zeitlich zu komplex, diese Punkte jetzt ausführlich zu beleuchten. Aber was kann man ernährungstechnisch tun, wenn man bspw. vor dem Turnier nervös ist?
Soviel sei verraten… In dieser Situation sollten Sie Ihrem Gehirn helfen, mehr Serotonin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA) zu bilden. Diese beiden Neurotransmitter wirken entspannend und beruhigend, sind sozusagen körpereigene Anti-Stress-Mittel. Der Ausgangsstoff für die Bildung von Serotonin ist die Aminosäure Tryptophan. Ist genug Serotonin vorhanden, wird wiederum die Bildung von GABA angeregt. Essen Sie deshalb in den Tagen und am Morgen vor dem Wettkampf vermehrt tryptophanreiche Lebensmittel wie Lachs, Forelle, Pute, Eier, Edamer, Quark, Cashews oder dunkle Schokolade. Kombinieren Sie diese Lebensmittel mit Reis, Brot, Getreideflocken, Nudeln oder Kartoffeln. Denn Kohlenhydrate erhöhen die Aufnahme von Tryptophan ins Gehirn. Halten Sie sich vor dem Start mit Kaffee zurück und trinken Sie stattdessen magnesiumreiches Mineralwasser. Ansonsten kann auch CBD-Hanföl als Nahrungsergänzung helfen.
Wir danken für die interessanten Ausführungen und freuen uns bereits sehr auf Ihr neues Buch!