Dr. André Morawe, Chefarzt der Orthoparc-Klinik in Köln
Der Mediziner André Morawe gilt als einer der führenden Spezialisten für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie. Der Chefarzt der ATOS Orthoparc Klinik in Köln unterhielt sich mit uns über Themen, die vor allem Golfer interessieren.
Dr. André Morawe – „Der Jogger, der jeden Tag zehn Kilometer läuft, macht alles falsch“
Herr Dr. Morawe, aus sportmedizinischer Sicht leiden Golfer in erster Linie unter folgenden Verletzungen: Rücken, Knie und dann folgen Fußschmerzen.
Beim Durchschwung kommt bis zu einer Tonne Last auf den Fuß. Der eine Fuß wird gedreht wie in einem Schraubstock, der andere muss mit einer enormen punktuellen Belastung fertig werden. Das sind zwei total unterschiedliche Beanspruchungen.
Sie haben sich in Golferkreisen einen Namen als einer der führenden Fußspezialisten gemacht. Was unterscheidet Sie von anderen Experten?
Wir machen im Orthoparc Highend-Orthopädie. Wir sind weg vom Allrounder-Arztmodell, wir haben für jeden Bereich einen Topspezialisten, der sein Gebiet komplett und umfassend abdeckt. Wir denken mehr in Regionen – unterhalb des Knies sind Sie zum Beispiel bei mir richtig; da ist aber auch der Säugling richtig, genauso wie der 18-jährige Spitzensportler von der Fortuna oder der 90-Jährige, der orthopädische Schuhe braucht. Wir haben uns ein gutes Netzwerk aufgebaut, das heißt, wir haben einen Internisten an Bord, einen Kardiologen sowie einen hervorragenden plastischen Chirurgen. Bei uns gibt es eine flache Hierarchie. Wir versuchen, uns weiterzuentwickeln, nicht stehen zu bleiben. Es ist ganz wichtig in der Medizin, dass man versucht, Neues zu lernen und Bewährtes zu behalten. Auf Reisen schauen wir anderen Chirurgen über die Schulter, aber wir haben auch hier viele internationale Gäste, die zu uns kommen, um von uns zu lernen. So lebt ein internationales Netzwerk.
Was empfehlen Sie Golfern, um gut über die Runde zu kommen?
Das Allerwichtigste ist, dass man die Füße gut pflegt und dass man Schmerzen nicht ignoriert sowie Schwellungen oder Verformungen – welcher Art auch immer – wahrnimmt. Solche Dinge schränken die Belastbarkeit im täglichen Leben schon ein. Ist das der Fall, dann hat man beim Golfen häufig das Problem, dass man sehr auf seine Schwungtechnik fokussiert ist und gar nicht mehr auf seine Füße achtet. Das verstärkte die Probleme.
Das Gehen auf einer so langen Distanz wie beim Golfen führt wohl zu einer Mehrbelastung. Wie kann man dem vorbeugen?
Am besten durch Prävention bzw. Vermeiden von Risikofaktoren. Man sollte Fußprobleme ernst nehmen. Das kann ja verschiedenste Ursachen haben. Durch eine Diagnose beim Fußspezialisten oder beim Orthopäden kann man sich Rat einholen und sich therapiegerichtet darum kümmern. Wichtig wären vernünftige Einlagen, die für einen Golfschuh geeignet sind, und dass die Golfschuhe zum Beispiel weit genug sind. Oft kommt es zu Deformitäten, bei denen der Fuß nicht in einen Konfektionsschuh hineinpasst. Wir wissen, dass viele Menschen ihre Schuhe eine Nummer zu klein kaufen. Dabei wäre es so wichtig, ausreichend Platz und Weite zu haben, damit der Groß- und der Kleinzeh gar nicht erst vorn anstoßen können. So etwas ist mit entscheidend, damit der Fuß gesund über die Golfrunde kommt.
Auf was ist beim Golfschuhkauf noch zu achten?
Ein guter Schuh in der richtigen Größe sollte hinten an der Ferse sowie über dem Fußrücken fest anliegen und vorn so viel Platz wie irgendwie möglich haben. Im Übrigen: Füße sind nicht für Schuhe gemacht. Die Natur hat in ihrem Genetikprogramm eigentlich gar nicht vorgesehen, dass wir mal in so etwas herumlaufen. Deswegen ist jede Form von Schuhen etwas total Unnatürliches. Sie engen den Fuß ein – dementsprechend sollte man sehr auf sie achten.
Raten Sie dazu, die Schuhe größer zu kaufen und eventuell bei Kälte zwei Paar Socken anzuziehen?
Nein, ein Paar Socken reicht, denn sonst hat man eine doppelte Verschiebeschicht. Erstens gibt es ein thermisches Problem, zweitens eines mit der Transpiration. Und drittens ist es so, dass der Fuß irgendwann zu schwimmen anfängt. Bei zwei Paar Socken hat man zusätzlich noch eine Gleitschicht, die zu Reibungen und dann zu Blasen führen kann, wenn eine kleine Falte in der Socke entsteht.
Verändert sich die Fußgröße mit der Zeit?
Wir wissen, dass es normal ist, dass man im Lauf des Lebens Schuhe braucht, die ein bis zwei Nummern größer sind als im Jugendalter. Jemand, der Schuhe in der gleichen Größe wie vor zwanzig Jahren kauft, sollte sich darüber mal Gedanken machen. Es gibt viele professionelle Schuhgeschäfte, die das alles haarklein in Zentimetern und Millimetern ausmessen. Das Fußgewölbe streckt sich, wird flacher. Das ist ein Stück weit eine normale Veränderung der Fußwölbung.
Man braucht im Laufe des Lebens Schuhe, die ein bis zwei Nummern größer sind als im Jugendalter
Verändert sich die Schuhgröße auch, wenn man stark zu- oder abnimmt?
(Lacht) Eher wenig. Am Fuß selbst sehen wir nicht viel. Es geht vielleicht um eine Nummer, wenn man zehn bis fünfzehn Kilo zu- oder abnimmt. Häufger sind bei Gewichtszunahme aber die sogenannten Stauungsprobleme. Es gibt zum Beispiel auch herzkranke Patienten, die am Unterschenkel und Fußrücken Ödeme haben. Trägt jemand Stützstrümpfe, bleiben die Beine dünn, werden sie weggelassen, schwellen sie an. Ein dick angeschwollener Fuß zeugt meist mehr von kardialen Problemen oder chronischem Lymphstau denn von Fettsucht.
Was kann ein Golfer tun, um seine Füße gesund zu erhalten? Gibt es spezielle Schuhe für den linken und den rechten Fuß?
Beim Golfen werden die Füße aufgrund der Schlagtechnik unterschiedlich belastet, sodass man sie mit Spezialeinlagen schützen kann. Wichtig ist auch eine saubere Technik, die es ermöglicht, dass man nach einem kraftvollen Schwung ausbalanciert zum Stehen kommt. Schließlich wirken bei der Schlägerkopfbeschleunigung ein paar Hundert Kilo pro Quadratzentimeter auf den Fuß. Gerade wenn er eine Vorschädigung hat, kann das zu erheblichen Schmerzen führen. Deshalb sollte man sich grundsätzlich Gedanken machen, wenn beim Abschlag Fußprobleme auftauchen.
Wie funktioniert ein solcher Check?
Das Wichtigste ist immer eine gründliche Anamnese. Dabei geht es nicht nur um mögliche Schmerzen im Fuß, sondern auch um die Gesamtlebenssituation wie Alter, Statur, mögliche Vorerkrankungen. Geklärt werden muss zum Beispiel, ob Diabetes oder Asthma vorliegt oder etwa Kortison eingenommen wird. Dazu gehört natürlich auch eine Untersuchung der Wirbelsäule, des Beckens, der Hüfte und der Knie – und zuletzt der Füße. Nach einem solchen Check hat man schon einen guten Überblick.
Wie kann man sonst noch Auffälligkeiten entdecken?
Mit Ultraschalluntersuchungen bis hin zur Kernspintomographie finden wir über einen Fuß alles heraus. Für Sportler sind die Fragen interessant: Wie ist mein Bewegungsmuster? Gibt es krankhafte Bewegungselemente? Darüber erfährt man viel bei einer Fußdruckanalyse. Dabei steht der Patient auf einer Matte, auf der sein Fußdruck einmal im Stehen, also statisch unter Belastung, gemessen wird und einmal dynamisch im Gehen. Hier sieht man etwaige Veränderungen. Man kann im Grunde jedes Bewegungsmuster, auch Schlagtechniken beim Golf, in Millisekunden- Abschnitten genau analysieren.
Wir haben 26 Gelenke sowie 25 Knochen am Fuß, und jeder Muskel hat seinen Gegenspieler
Da stellt sich schnell die Frage nach den Kosten …
Was ich hier beschrieben habe, kann man größtenteils über jede Krankenkasse abrechnen. Gehen wir in die Segmente speziellerer Analysen über Videotechnik und Fußdruckmessung, muss man einen Teil der Kosten selbst tragen. Das geht über die Gebührenordnung für Ärzte, da sollte man vorher bei der Krankenkasse anfragen. Eine normale Fußdruck- und Laufbandanalyse kostet ungefähr 180 Euro. Eine moderne Hochgeschwindigkeitsanalyse eines kompletten Bewegungsablaufs wie beim Golfspielen mit einem dazugehörigen Gutachten durch einen Orthopäden und Biomechaniker ist entsprechend hochpreisiger. Entscheidend ist ja nicht die Aufnahme, entscheidend ist immer die Analyse.
Unter Fußpflege versteht man landläufig eigentlich Pediküre.
Ja, das gehört auch dazu. Ein wichtiger Aspekt ist, dass man seine Füße beobachtet, Veränderungen ernst nimmt. Und wenn eine Auffälligkeit nicht nach einigen Tagen von selbst wieder verschwindet, sollte man sich eine Expertise einholen, um zu klären, worum es sich genau handelt und was man dagegen tun kann. Der andere Punkt, den man landläu“g unter Fußp!ege versteht, ist natürlich, dass man seine Nägel regelmäßig schneidet und verhindert, dass Infektionen in die Nägel gelangen sowie dass Schwielen sorgfältig abgetragen werden. Besonders bei Diabetikern jenseits der fünfzig können chronisch entzündliche Veränderungen in der Fußsohle auftreten, deren Ursache auch mangelnde Fußp!ege sein kann. Pilze können zu einer Infektion führen, Bakterien setzen sich zusätzlich auf der vorgeschädigten Haut ab.
Gibt es nach einer eventuellen Fußoperation Einschränkungen für den Golfsport?
Grundsätzlich nein. Egal ob Deformitäten wie der Großzehenballen oder Krallenzehen beseitigt, zerstörte Gelenke stabilisiert oder künstliche Gelenke am oberen Sprunggelenk oder am Großzehengelenk eingesetzt werden – der Golfsport kann in aller Regel weiter ausgeübt werden. Im Gegenteil, viele Patienten mit Fußerkrankungen entscheiden sich gerade für eine Operation, um diesen Sport weiter ausüben zu können, da Fußschmerzen natürlich für Schlagtechnik und Gehstrecke limitierend sind. Im Orthoparc achten wir insbesondere auf den Erhalt der Mobilität und Standfestigkeit der Füße, die für einen unbeschwerten Golfsport notwendig sind.
Wie kann man seinen Füßen sonst Gutes gönnen?
Viel barfuß laufen, wenig Schuhe anziehen, Fußgymnastik machen. Da gibt es ganz einfache Übungen, bei denen man seine kurzen und langen Fußmuskeln benutzt, um die Füße zu kräftigen. Man sollte versuchen, eine ausgewogene Mischung aus Belastung und Pausen zur Regeneration zu finden.
Zum Beispiel …
… der Jogger, der jeden Tag zehn Kilometer läuft, macht alles falsch. Wir wissen, dass beim Training – das gilt fürs Golfspielen wie für jede andere Sportart auch – immer die Mischung wichtig ist: trainieren, aber danach auch eine Pause machen. Es geht dabei nicht nur um das Körperliche, um Schlagtechnik, um Arme und Füße, sondern auch um das psychische Element. Man kann sich nicht ständig konzentrieren und permanent Höchstleistung abrufen. Wir wissen, dass ungefähr 85 Prozent der Menschen falsch trainieren. Diejenigen, die sich zu stark beanspruchen, die einfach zu schnell zu viel wollen, scheitern genauso wie diejenigen, die zu wenig machen. Wenn ich also nur einmal die Woche trainiere, dann verbessere ich mich ja nicht mehr, da habe ich keinen Trainingseffekt. Entweder man kann das selbst einschätzen oder man lässt sich von einem Profi helfen.
Gerade schwere Menschen haben am Außenrist oft Schmerzen beim Schwingen. Auf was führen Sie das zurück?
Da ist zu viel Druck in Kilogramm auf zu wenig Fläche. Durch die Beschleunigung beim Golfschwung potenziert sich dieses Gewicht auf den Fuß. Das ist einfach eine funktionelle Fehlbelastung – die Mischung aus zu viel Masse mal Beschleunigung ergibt zu viel Belastung. Aber noch mal: Wichtig ist hier die Technik. Wenn diese auch noch falsch ist, wirken ein paar Tonnen auf den Fuß, und dann kann der Schmerz auch chronisch werden.
Hat das Gewicht großen Einfluss auf den Schwungablauf?
Ja, die Belastung beim vollen Schlag geht direkt proportional runter zu den Füßen. Es gibt spezielle fußgymnastische Übungen. Wir haben 26 Gelenke sowie 25 Knochen am Fuß, und jeder Muskel hat seinen Gegenspieler.
Das heißt, wenn ich die Überbelastung am Fußaußenrand habe, dann kann ich den Fuß natürlich am Außenrand funktionell stabilisieren. Mit ganz speziellen Übungen kann man, wenn in so einer Phase passiv Druck entsteht, trainieren, über den Gegenspieler den Fußaußenrand anzuheben und ihn damit zu schützen, also eine aktive Vorspannung zu geben. Das sind aber schon ganz spezielle Übungen, die man mit Physiotherapeuten lernen sollte, um dann in Eigenregie weiterzumachen. Es handelt sich um sogenannte Haltetechniken – wir nennen das auch Isometrie –, also Anspannung und Wiederlockerlassen- Übungen. Das geht aber auch nur, wenn man das konsequent und täglich anwendet. Sonst macht das keinen Sinn.
Werden die Füße – nicht nur die von Golfern – nach Ihren Erfahrungen stiefmütterlich behandelt?
Die Füße werden häufig für alle möglichen Veränderungen verantwortlich gemacht, was aber nicht immer zutreffend ist. Man muss sich zum Teil von diesen Ketten lösen. Großzehballen sind mit Abstand die häufigste Deformität in Westeuropa und haben immer Platzprobleme im Schuh zur Folge. Beim Knick-Plattfuß knickt der Fuß hinten weg und kann nicht mehr stabilisiert werden, was dann häufig zu einer Fehlbelastung des Kniegelenks führt. Das ist eine häufige Deformität bei Frauen. Männer haben öfter einen Ballen-Hohlfuß, also genau das Gegenteil. Ein überhöhter Spann und der Fuß kippt hinten nach außen weg. Das führt gerade beim Schlagen mit dem Driver zu dieser Fußaußenrand-Mehrbelastung. Aber es gibt fast immer eine Lösung für diese Probleme.
Was entlastet Sie, genauer gesagt, was ist für Sie höchster Genuss?
(Lacht) Wenn ich nach einer erfolgreichen Arbeitswoche erschöpft in meinem Garten liege mit einem guten Buch, meine Frau ein Essen kocht und ich sonst nichts tue.
Auf welche drei Dinge in Ihrem Leben möchten Sie nicht verzichten?
Auf meine Familie, auf meine Arbeit und meine robuste Gesundheit.
Bei welcher Musik können Sie sich vergessen?
Mein Geschmack schwankt da ein bisschen. Im Moment höre ich gern französischen Hip-Hop.
Was tun Sie denn, um Ihren Körper in Form zu halten?
Ich gehe neuerdings drei Mal die Woche sieben Kilometer laufen. Ich bin vergangenes Jahr 40 geworden und versuche, meine Konstitution zu erhalten. Jetzt fühle ich mich gut.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen: Arztprofil Dr. Morawe