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RYDER CUP: Vorschau

Ryder Cup Trophy
Der Ryder Cup kann beginnen (Photo: Getty Images)

Emotionen im Überfluss

Das Golfjahr hat uns einiges geboten – doch der Höhepunkt steht uns beim Ryder Cup mit der epischen Schlacht USA gegen Europa ja noch bevor. 

Es war eines der wenigen Dinge, über das sich in der Pandemie alle Fans einig waren: Ein Ryder Cup ohne Zuschauer ist kein Ryder Cup. Und so wurde das für 2020 geplante Event um ein Jahr verschoben. Nun geht es also los, in der dritten Septemberwoche in Whistling Straits. Und vielleicht ist der Ryder Cup, mit möglichst vielen Zuschauern, ja ein Zeichen dafür, dass wir wieder in der Normalität angekommen sind.

Nach der überraschend deutlichen Rasur von Paris 2018 –17,5 zu 10,5 für Europa – gibt es für die Amerikaner also die Chance, vor Heimpublikum zurückzuschlagen und Revanche zu nehmen für eine Niederlage, die bis heute wehtut, weil sie so unerwartet kam. Alan Shipnuck, einer bekannter amerikanischer Golfjournalist, hatte vor Paris siegesgewiss versprochen, im Falle einer US-Pleite nackt über die Champs Élysées zu laufen. Nicht nur Rory McIlroy forderte öffentlich die Wettschuld des naseweisen Skribenten ein; bis heute vergeblich.

Dank an die Keramikindustrie

Whistling Straits ist ein grandioses Golfresort am Lake Michigan etwa 100 Kilometer nördlich von Chicago. Grandios ist das Resort nicht zuletzt, weil dahinter einer der reichsten Männer der USA steht. Herb Kohler, 82 Jahre alt und acht Milliarden Euro schwer, ist ein veritabler Golffanatiker. Als Erbe der Kohler Company, die vor allem Badkeramik herstellt, hat er viel Glück gehabt – aber auch vieles richtig gemacht.

Herb Kohler, besagen Gerüchte, sei nicht glücklich darüber, dass er als Erbe einer Toilettenschüssel-Fabrik zum Milliardär geworden ist, deswegen hat er sich zwei Prestige-Passionen rausgesucht – und es spricht für ihn, dass er es mit beiden Hobbys weit gebracht hat. Seine Pferdezucht mit der Rasse Morgan produziert preisgekrönte Tiere und internationale Champions. Kohler stellte sich darüber hinaus ein prächtiges Golf-Portfolio zusammen. Er kaufte das Old Course Hotel von St. Andrews ebenso wie das Hamilton Grand, jenes berühmte Gebäude hinter dem 18. Grün. Dort sind Luxusresidenzen entstanden, die zu den teuersten in ganz Schottland gehören.

Chairman of the Kohler Company Herb Kohler poses with the Ryder Cup Trophy
Reicher Mann: Herb Kohler – Besitzer von Whistling Straits (Photo: Getty Images)

Und mit Whistling Straits am Lake Michigan hat Kohler mit dem legendären Architekten Pete Dye ein Resort geschaffen, dessen Plätze an die großen Links-Kurse in Großbritannien und Irland erinnern. Ein Vorteil für Team Europa? Vermutlich nicht – wir erinnern uns, dass bei der PGA Championship 2010 Martin Kaymer und Bubba Watson im Stechen waren (und ohne die Bunker-Strafe hätte es auch Dustin Johnson ins Playoff geschafft) – keine Links-Spezialisten. Und die PGA Championship 2004 gewann mit Vijay Singh aus Fiji ein Mann, der wohl weiter als jeder andere Profi-Golfer von Links-Plätzen aufwuchs.

Was wieder einmal zeigt, dass die Unterschiede zwischen Links-Golf und dem übrigen Golf eben nicht so groß sind, wie sie von Traditionalisten gemacht werden.

USA: Papiertiger?

Das US-Team sieht auf dem Papier unfassbar stark aus. Collin Morikawa, Dustin Johnson, Brooks Koepka, Bryson DeChambeau, Justin Thomas und Patrick Canltay  Was für eine Macht! Captain Steve Stricker hat weitere sechs Wild Cards zur Verfügung (mehr zum Auswahlverfahren: siehe unten) und kann das Team mit weiteren Hochkarätern füllen.

Für die Wettbüros ist Team USA der klare Favorit – das ist nicht neu. Aber es gibt ein echtes Problem: Brooks Koepka und Bryson DeChambeau beharken sich seit Monaten öffentlich, und die Zuschauer mischen längst lustvoll mit. Insbesondere die ewigen »Brooksy«-Rufe setzen DeChambeau mittlerweile sichtbar zu. (Nebenbei: Was sind das eigentlich für bizarre »Fans«, die so etwas für witzig halten?) Klar, Fußballer müssen sich viel schlimmere Dinge anhören. Aber die relative Stille und Intimität einer konzentrierten Golfrunde machen solche Zwischenrufe eben persönlicher als in der lärmenden Atmosphäre eines Stadions.

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Sie können sich nicht ausstehen: Brooks Koepka und Bryson DeChambeau (Photo: Getty Images)

Ja, Feindschaften gab es auch früher. Sam Snead konnte Jack Nicklaus nicht ausstehen, Ben Hogan legte sich mit vielen Mitspielern an, Phil Mickelson und Singh standen einmal kurz vor einer Prügelei, weil Vijay noch Schuhe mit Metall-Spikes benutzte, dessen Löcher auf den Grüns den nach ihm spielenden Phil beim Putten störten (ja Golfer sind sensible Prinzessinnen), Nick Faldo und Colin Montgomerie hatten auch wenige Freunde im Circuit. Aber in der heutigen Zeit sind die Sozialen Medien eben ein ungeheurer Brandbeschleuniger, und aus jedem Halbsatz wird ein Shitstorm.

Eine so offen ausgetragene Feindschaft kann für ein Zwölf-Mann-Team nicht gut sein. »Für eine Woche habe ich mit niemandem Probleme«, erklärte Koepka zwar. Aber so richtig glauben kann das kein Beobachter. Es mag nur eine Woche sein – aber es ist eine intensive, nervenzerreißende, beklemmend enge Woche mit Mikrofonen und Kameras und Handyaufnahmen aus nächster Nähe, mit Geschrei und Fans und den ewig gleichen Reporterfragen. Ein echter Stresstest! Mal sehen, wer von den Alphamännchen als erster explodiert.

Es wird auch viel auf Steve Stricker ankommen, ein von allen Kollegen geschätzter und geachteter Kapitän. Aber kann er auch in schlechtem Wetter segeln? Als Spieler flatterten ihm oft genug die Nerven und verhinderten größere Erfolge (er ist ohne Major-Titel, eine Seltenheit für einen US-Captain). Wird er genug Autorität besitzen, um die Mannschaft zusammenzuhalten?

Europa: Ein Team der Veteranen? 

Aus Team Europa ragen zwei Spieler heraus: Der Weltranglistenerste Jon Rahm sowie der Oldie Lee Westwood. Rahm ist in bestechender Form: Er gewann die US Open, hätte wohl auch das prestigereiche Memorial gewonnen – er lag mit sechs Schlagen in Führung, bevor ihn ein positiver Covid-Test zur Aufgabe zwang. Bei den weiteren drei Major-Turnieren schaffte er ein Top-Ten-Resultat – Fünfter beim Masters, Achter bei der PGA Championship, Dritter bei der Open Championship. Er ist zweifellos in der Form seines Lebens.

Und Westwood bekam beim letzten Ryder Cup schon als Vize-Kapitän sein Gnadenbrot, kehrte dann aber fulminant zurück. Euro-Captain Padraig Harrington suchte nur drei der zwölf Spieler per Wildcard aus; derzeit ist der 48-Jährige auf Platz acht sicher dabei, und man wird mit seiner Erfahrung von zehn Cups als Spieler und einer exzellenten Match-Bilanz kaum auf ihn verzichten. Auch erfahrene Spieler wie Rory McIlroy und Paul Casey werden dabei sein. Ian Poulter und Sergio Garcia mussten auf einen Pick hoffen.

Moment mal, Harrington und Garcia, da war doch was? Genau, die beiden gerieten ein paar Mal heftig aneinander, der Ire bezeichnete den Spanier als schlechten Verlierer und bemängelte sein Verhalten auf dem Golfplatz. Aber die beiden haben das Kriegsbeil begraben – vermutlich droht uns kein Drama wie dem Team USA.

Sergio Garcia - paarig Harrington
Man hat sich zuletzt angenähert: Sergio Garcia und Padraig Harrington (Photo: Getty Images)

Der Österreicher Bernd Wiesberger hat sich in Wentworth bei der BMW PGA Championship noch direkt qualifiziert und löste Jubelschreie in der Alpenrepublik aus. Erstmals hat es ein Österreich in ein Ryder-Cup-Team geschafft.

Martin Kaymer wird als Vize-Kapitän dieses Jahr die Funktion des Mentors übernehmen.

Das Rätsel des Underdogs 

Spielen wir den Ryder Cup also durch. Von den sicher qualifizierten US-Amerikanern sind fünf Spieler Major-Champions – und Patrick Cantlay, als einziger noch ohne Major-Sieg, hat gerade die Tour Championship geholt. Mit den ziemlich sicheren Captain’s Picks Jordan Spieth und Xander Schauffele kommt weitere Power ins Team. Europa bietet jenseits der möglichen Picks gerade mal zwei Major-Sieger auf – Rahm und den unter starken Formschwankungen leidenden McIlroy.

Auch in der Weltrangliste sieht es nicht besser aus: Die Amerikaner dominieren (Nur Rahm und der Südafrikaner Louis Oosthuizen sorgen für Abwechslung.) Viktor Hovland, der nach Rahm beste Europäer, folgt erst auf Rang 13, McIlroy auf 15. Wer will wirklich gegen Team USA wetten?

Und doch ist es sehr oft so, dass sich am Ende der Underdog aus Europa durchsetzt. Auch wenn die Gesamtbilanz seit 1927 noch klar für die USA spricht – wobei viele der Siege noch gegen das Team GB & Irland gelangen –, gingen zwölf der letzten 17 Cups an Europa. Warum das so ist? Experten versuchen sich immer wieder an Erklärungen, aber die Wahrheit ist: Niemand weiß es so recht. »Die Europäer wollen es mehr«, heißt es, aber heißt es nicht auch, dass man gerade im Golf nie allzu sehr aufs Ergebnis schielen sollte, weil das kontraproduktiv sei? »Die Europäer sind Matchplay eher gewohnt« – Quatsch, die wichtigen US-Amateur-Meisterschaften werden im Matchplay ausgetragen.

Verheerende Bilanz

»Die Amerikaner sind Individuen und wenig teamfähig« – aber warum dominieren sie dann den ganz ähnlichen Presidents Cup in einer Art, dass das internationale Team beinahe peinlich unterlegen ist? (Team USA gewann 11 von 13 Begegnungen bei einem Unentschieden, darunter die letzten neun in Folge.) »Die Superstars im US-Team waren im Ryder Cup immer schwach« – immerhin, da ist was dran. Tiger Woods, Phil Mickelson und Jim Furyk haben verheerende Bilanzen. Doch erneut müssen wir fragen: Warum ist das so? Und damit stehen wir wieder am Anfang. »Ich weiß, dass meine Bilanz mies ist, ich hasse es, aber ich kann nichts dran ändern«, sagt Furyk resignierend.

Nein, der europäische Erfolg bleibt ein Rätsel ohne stichhaltige Erklärung. Er ist so mysteriös wie der Golfsport selbst – ein Sport, der unter Druck merkwürdige Dinge mit uns anstellt. Mal spielen wir gefühlt weltklasse, mal treffen wir kein sechzig Meter breites Fairway. Schlechte Putts fallen, gute lippen aus. Sieg und Niederlage scheinen oft nicht in unserer Hand zu liegen, sondern den wechselnden Launen einer unbekannten Gottheit ausgesetzt zu sein. So ähnlich ist es mit dem Ryder Cup – einem sich jeder Logik entziehenden, aufwühlenden, unmöglich vorherzusagenden Wettbewerb. Lehnen wir uns zurück, genießen wir die Show, und erwarten wir das Unerwartete.

Zahlen & Fakten

43. Ryder Cup
Whistling Straits, Wisconsin, USA
24. bis 26. September
Captain USA: Steve Stricker
Captain Europa: Padraig Harrington

Die Qualifikation

– Team USA setzt sich aus einer zweijährigen Rangliste zusammen, die sich im Wesentlichen nach den verdienten Dollars richtet, aber kürzer zurückliegende Turniere höher bewertet. Nur die ersten sechs der zwölf Teammitglieder qualifizieren sich über diese Rangliste, weitere sechs Spieler darf der Captain auswählen. Die Erhöhung der Wildcards ist eine Reaktion auf die häufigen US-Niederlagen und soll dem Captain die Möglichkeit geben, möglichst viele teamkompatible und formstarke Spieler zu wählen.
Die Spieler
Dustin Johnson – Collin Morikawa – Patrick Cantlay – Bryson DeChambeau – Justin Thomas – Brooks Koepka – Xander Schauffele (Pick) – Jordan Spieth (Pick) – Tony Finau (Pick) – Harris English (Pick) – Daniel Berger (Pick) – Harris English (Pick)

– Team Europa setzt sich aus zwei Ranglisten zusammen. Die »European Points List« berücksichtigt nur die Turniere der European Tour (zu denen allerdings auch die Majors gehören); über diese Liste qualifizieren sich die ersten vier Spieler. Die zweite Liste berücksichtigt die Position in der Weltrangliste, weil viele Europäer auf der PGA Tour spielen und einstmals Schwierigkeiten hatten, sich deswegen für den Cup zu qualifizieren. Die ersten fünf Spieler dieser »World Points List«, die noch nicht über die europäische Rangliste qualifiziert sind, sind ebenfalls im Team. Darüber hinaus werden drei Captain’s Picks vergeben.
Die Spieler:
Jon Rahm – Viktor Hovland – Rory McIlroy – Paul Casey – Tommy Fleetwood – Tyrrell Hatton – Matt Fitzpatrick – Lee Westwood – Bernd Wiesberger – Ian Poulter (Pick) – Sergio Garcia (Pick) – Shane Lowry (Pick)

Die letzten Begegnungen & die siegreichen Captains 
2002: Europa – The Belfry, England – Sam Torrance
2004: Europa – Oakland Hills, USA – Bernhard Langer
2006: Europa – K Club, Irland – Ian Woosnam
2008: USA – Valhalla Golf Club, USA – Paul Azinger
2010: Europa – Celtic Manor, Wales – Colin Montgomerie
2012: Europa – Medinah, Illinois, USA – José Maria Olazábal
2014: Europa – Gleneagles, Schottland –Paul McGinley
2016: USA – Hazeltine, USA – Davis Love III
2018: Europa – Golf National, Frankreich – Thomas Björn

Rekorde/Europa  
– Nick Faldo nahm an 11 Ryder Cups teil. Lee Westwood könnte mit ihm gleichziehen.
– Faldos Punktebilanz: 23-19-4 (Siege-Niederlagen-Unterschieden).
– Europa schaffte fünf Hole-in-ones, die USA nur eines.
– Der erfolgreichste Europäer aller Zeiten ist Sergio Garcia mit 25,5 Punkten. Auf Platz zwei liegt Faldo mit 25, auf Platz drei Bernhard Langer mit 24 Punkten. Lee Westwood mit 23 Punkten könnte sich 2021 an die Spitze setzen.
– Ian Poulter gewann 72,2 Prozent seiner möglichen Punkte.
– Mit 19 Jahren wurde Garcia 1999 jüngster Ryder Cupper aller Zeiten.
– Francesco Molinari schaffte 2018 als erster Europäer fünf Punkte in fünf Matches.

Rekorde/USA 
– Phil Mickelson nahm an 11 Ryder Cups teil. Seine Bilanz: 18-20-7.
– Die meisten Punkte gewannen Billy Casper (23,5) und Arnold Palmer (23)
– Die meisten Matches verloren haben Jim Furyk (20), Mickelson (20) und Tiger Woods (18). Die miserable Bilanz der Star-Spieler gilt als wichtigster Grund für die häufigen US-Niederlagen in den letzten zwanzig Jahren.
– Palmer gewann 71,9 Prozent seiner möglichen Punkte.
– Raymond Floyd wurde 1993 mit 51 der älteste Ryder Cupper.