Wenn man an Phil Mickelson und sein Verhältnis zur U.S. Open denkt, kommt einem Boris Becker in den Sinn. Der triumphierte dreimal in Wimbledon, zweimal in Melbourne und einmal in New York, der Titel in Roland Garros (Paris) allerdings blieb ihm verwehrt. Schlimmer noch: Es glückte ihm in seiner 15 Jahre langen Laufbahn nicht ein einziger Turniersieg auf Sand. Je länger die Karriere dauerte, desto gestörter wurde seine Beziehung zur roten Asche. Was Tennis und Golf eint, ist nicht nur die Jagd nach Major-Titeln: Zwischen dem Unvollendeten und dem Unbesiegbaren liegen oft nur Zentimeter. Ein Doppelfehler auf der einen, ein verzogener Drive auf der anderen Seite.
U.S. Open 2006: Mickelson verpasst seine größte Chance
Hätte Mickelson 2006, also vor inzwischen 13 Jahren, auf der letzten Bahn der letzten Runde in Winged Foot seinen Abschlag auf das Fairway und nicht daneben gezirkelt, wäre sein Traum vom Karriere-Grand-Slam wohl längst erfüllt.
So aber leistete sich Lefty auf dem Par 4 eine 6 und verpasste das Stechen um einen Schlag; genauso wie Colin Montgomerie, dem ebenfalls ein Doppelbogey unterlief. An ihrer Stelle gewann der Australier Geoff Ogilvy sein einziges Major, während Phil Mickelson wieder einmal nur der extrem undankbare zweite Platz blieb. So wie 1999, als er Payne Stewart unterliegt, der wenige Monate später beim Absturz eines Privatfliegers stirbt. Wie 2002, als Tiger Woods in der Form seines Lebens spielt. Wie 2004, als Mickelson auf der vorletzten Bahn von Shinnecock Hills versagt und Retief Goosen den Sieg überlässt. Und wie 2009 und 2013, als Lucas Glover und Justin Rose dem Druck besser standhalten.
U.S. Open 2018: Eklat um Phil Mickelson
Mickelsons besondere Beziehung zur U.S. Open gipfelte 2018 in einem absichtlichen Regelverstoß: Auf dem 13. Grün, das wie alle Grüns so brutal schnell ist, dass es kaum puttbar ist, spielt Phil den Putt weit über das Loch hinaus. Noch während er rollt, schlägt der völlig entnervte Amerikaner die Kugel zurück. Sein Kommentar: „Der Ball wäre an einer Stelle zur Ruhe gekommen, von der ich keinen Schlag zur Fahne gehabt hätte. Ich wusste, dass es zwei Strafschläge dafür gibt, einen in Bewegung befindlichen Ball zu spielen. Ich wollte den Putt einfach so nahe wie möglich ans Loch spielen und den nächsten verwandeln. Es gab schon öfters Situationen, in denen ich darauf Lust hatte, jetzt habe ich es endlich getan.“
Mickelson notiert an dem 342 Meter kurzen Par 4 eine 10 und für die dritte Runde eine 81 – seine mit Abstand schlechteste Runde bei einer U.S. Open. Am Ende landete er immerhin noch auf Rang 48.
Mickelson träumt vom letzten Puzzlestück
48 – so alt ist Phil heute. Noch, denn am Finalsonntag der US Open wird er 49. Die Uhr tickt, und nach sechs Vize-Titeln träumt Mickelson mehr denn je von dem fehlenden Puzzlestück. Es würde seine Karriere krönen und ihn auf ein Level mit jenen fünf Ausnahmespielern hieven, die alle vier Major-Events mindestens einmal gewannen: Jack Nicklaus, Tiger Woods, Ben Hogan, Gary Player, Gene Sarazen.
Besonderes Verhältnis zu Pebble Beach
Es spricht einiges für Mickelson. Er liebt Pebble Beach. Das AT&T Pebble Beach Pro-Am auf dem kalifornischen Links-Kurs hat er bereits fünfmal gewonnen; auch in diesem Februar. Sein letzter Major-Coup, der Sieg bei der Open, liegt sechs Jahre zurück. Eine Zeitspanne, die im Spitzensport eine Ewigkeit sein kann. Doch Tiger Woods hat in Augusta nicht nur seine eigene Grenze in Bezug auf das Mögliche verschoben.
Dann ist da noch diese märchenhafte Geschichte, die man sich ewig erzählen wird, sollte es tatsächlich klappen im Juni. Sie geht so: Im Jahr 1919 gehört Mickelsons Großvater, Al Santos, bei der Gründung von Pebble Beach zu den ersten Caddies, verdient sich als Neunjähriger ein paar Dollar. In seiner Hosentasche steckt stets eine Silbermünze. Wenn er sie in der Hand hält, fühlt er sich ein bisschen weniger arm.
Mickelson und der Silberdollar seines Großvaters
Wann immer Mickelson in Pebble Beach abschlägt – und zwar nur hier – begleitet ihn der echte Silberdollar seines Großvaters. Er markiert damit seinen Ball; und vielleicht zelebriert er sein berühmtes Kurzes Spiel auf diesem besonderen Platz deshalb auch noch ein wenig besser. An allen anderen Orten der Welt hat er nur eine Kopie der Münze bei sich. „Immer, wenn ich in Pebble Beach spielen darf, fühle ich eine große Dankbarkeit“, schwärmt Mickelson. „Nichts würde mir mehr bedeuten, als hier die US Open zu gewinnen!“ Phils finaler Aufstieg in Pebble Beach – es wäre ein weiteres faszinierendes Kapitel der Sportgeschichte.