Menschenmassen drängen sich an die Abschläge, entlang der Fairways und Grüns. Mehr als an allen Tagen zuvor. Ich nutze den Vormittag an dem Amen Corner, der berühmtesten Lochabfolge der Welt (Bahnen 11 bis 13). Spieler fürchten diese unberechenbare Szenerie, wir Zuschauer lieben diesen Ort voll Überraschungen, Stimmung und großem Golf.
Hot-Spot beim Masters
Dass das weitläufige Gelände des National Golf Courses derart hügelig ist, haben mir die Masters-Übertragungen zu Hause in den Jahren zuvor nie vermittelt. Die Höhenunterschiede sind enorm, die Grüns ausladend, pfeilschnell und stark onduliert. Auf dem Weg zum Amen Corner passiere ich das 6. Grün. Gerade schlägt Martin Kaymer ab. Der Ball landet nah an der Fahne. Der Deutsche locht den Putt solide zum Par. Ich erkundige mich beim Supervisor nach dem besten Platz auf der Anlage. Für den Finaltag möchte ich mich optimal positionieren. Es wird voll werden. Supervisor Leonard Blound (66), der am Grün der 16 für Ordnung sorgt, kennt sich im Augusta National Golf Course aus.
Seit 53 Jahren begleitet er das Masters. Und auch seine beiden Söhne arbeiten in dieser Woche hier. „Eine Familientradition”, lacht er. „Die Fahnenpositionen stecken heute besonders herausfordernd. Das Wetter wird morgen schlecht, dann muss der Platz ein wenig entschärft werden“, erklärt er und zeigt den Hang am 16. Grün hinauf. „Dort oben ist der beste Platz, man kann das Grün der 6 und der 16 sehen und gleichzeitig den Abschlag an der 17 beobachten“, verrät er. Überall am steilen Hang stehen bereits dicht an dicht die grünen Stühle. Ich merke mir den Insidertipp für morgen, da ich heute keine Chance mehr auf einen Platz an diesem Hot-Spot habe.
Ich laufe mit der Menschentraube weiter zum Amen Corner. Die Stimmung ist ausgelassen. In einem Shop gibt es eine große Snack- und Getränkeauswahl. Das berühmte Masters Pimiento Cheese Sandwich ist der Renner hier auf der Anlage. Aus Tradition. Ich kaufe einen dieser Klassiker und lasse die Stimmung auf der großen Tribüne mit Blick auf das 11. und 13. Grün auf mich wirken. Während ich das Sandwich esse, kommt mir Gary Players Lebensmotto in den Sinn: Achte stets auf Deinen Körper. Und tatsächlich könnte man sich besser ernähren, als von einem weichen, weißen Toastbrot mit dicker Chili-Käsecreme gefüllt.
Langer schlägt bald an der 1 oben am Clubhaus ab. Ich haste schnell entlang der 11. Bahn (Par 4, 505 Meter) den steilen Hang hinauf. Heiß und stickig ist es heute hier auf der Anlage. Die Sonne brennt, man kann kaum dagegen ancremen. Zum Glück steht überall in den Waschräumen des elitären Privatclubs Sonnencreme bereit. Ein fantastischer Service. Alles ist beim Masters perfekt organisiert.
„Das war heute heiß, wie vier Stunden Cardio”
Es ist 12.15 Uhr. Ich sichere mir einen Platz am 1. Tee, um Bernhard Langer zu bewundern. Neben mir steht Jackie Langer John, die Tochter von Bernhard Langer, und beobachtet ihren berühmten Vater stolz. Was für ein toller Schwung! Am Schlussloch handelt sich der Deutsche später ein Doppelbogey ein und fällt auf den geteilten 50. Platz zurück. „Es war so heiß heute, wie vier Stunden Cardio“, sagt er nach der Runde.
Hat gestern Gary Player in meinem Gespräch mit ihm von Bernhard Langer geschwärmt, erwidert der Deutsche seine Achtung vor dem Südafrikaner heute im Interview ebenfalls. „Gary Player beeindruckt mich als Mensch“, sagt er und nennt in diesem Zusammenhang u.a. auch Landsmann Martin Kaymer. Aber im Golf gibt es viele gute Typen“, lacht er.
Gute Typen sind noch einige auf der Runde. Die Stimmung auf dem Platz heizt sich auf. Vom Amen Corner schallt es immer und immer wieder hinauf. Man kann nur erahnen, was dort unten vor sich geht. Die Fans jubeln. Ich stelle mich direkt an den 10. Abschlag und warte auf den Flight mit Ian Poulter und Tiger Woods.
Sobald der 43-Jährige in der Nähe ist, haben die Supervisor viel zu tun, um die Wege mit Bändern für den Superstar abzusperren. Jeder möchte den viermaligen Masterssieger aus nächster Nähe sehen. Woods und Poulter jagen ihre Bälle elegant ins Tal hinab. Bewunderung ist in den Gesichtern der Zuschauer zu erkennen. Die weiblichen Fans stecken tuschelnd ihre Köpfe zusammen – trotz allen Geschichten um Woods, seine Ausstrahlung auf dem Platz ist unübertroffen.
Italienische Gesänge in Augusta
Am 18. Grün genieße ich den Ausklang des Tages. Langsam steht die Sonne tiefer und wirft ein zauberhaftes Licht auf den Platz. Phil Mickelson wird auf der 18 bejubelt. Von den Back Nine schallt Loch für Loch der Jubel für Woods hinauf, der sich auf Birdiejagd gemacht hat. Die Zuschauer auf der 18 applaudieren bereits mit. Sie wollen Tiger Woods nach 16 Jahren erneut im Grünen Jackett sehen – es wäre sein fünfter Masterssieg. Die Zuschauer springen an der 18 von den Stühlen auf, reißen die Arme nach oben, als auf dem Scoring Board Woods’ nächstes Birdie an die 16 sichtbar wird. Mit einem Score von 67 beendet der Publikums-Liebling den Tag und katapultiert sich auf den geteilten 2. Platz.
Ich probiere das Masters-Getränk „Azalea“ am Clubhaus, im angenehmen Schatten des Oak Tree, eine Kombination aus Wodka, Limonade und Grenadine. Eine herrliche Erfrischung an diesem heißen Tag. Als der alleinige führende Francesco Molinari das 18. Grün mit seinem Caddie verlässt, stimmen seine italienischen Fans lauthals das bekannte italienische Lied „Nel Blu dipinto di blu“ an. Im Interview verrät der 36-Jährige: Ich komme aus Italien, hier in Augusta beim Masters sein zu können, ist ein Erlebnis. Allein die Magnolia Lane zum Clubhaus zu laufen bedeutet mir sehr viel. Es geht beim Masters nicht darum, als Führender im Siegerflight zu spielen“, sagt er bescheiden.
Wer darf sich das Grüne Jackett 2019 überstreifen? Ich bin gespannt auf einen spannenden Finaltag beim Masters …