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Paul Casey im Interview

Interview mit Paul Casey

Herr Casey, haben Sie sich vom Winged Foot GC und der anstrengenden US Open erholt?
Das war einfach eine US Open, wie man sie von früher kennt. Mir hat’s viel besser gefallen als beispielsweise die Austragungsorte Chambers Bay oder Erin Hills. Das Setup war diesmal fantastisch.
Die USGA als verantwortlicher Verband hat ein Prinzip: Der Platz soll in so einem extremen Zustand sein, dass die Teilnehmer an ihre Grenzen gehen müssen. Geht das für Sie okay?
So was möchte man als Spieler nicht wöchentlich haben. Es gibt ja diese ständige Debatte, dass wir als Profi-Golfer – das gilt übrigens für viele Sportarten – unser Publikum auch unterhalten sollen. Wöchentlich so eine Herausforderung wie Winged Foot, das wäre brutal, und dann ginge das Entertainment verloren. Die Spieler wären frustriert, sie würden kaum mehr lächeln. Wer will das sehen? Das geht, wie gesagt, einige, sehr wenige Male im Jahr auf den Touren gut. Man will ja auch, dass die Besten der Welt ihr ganzes Repertoire abrufen. So, wie es ist, macht es mir nichts aus.
Wobei gerade US-Open-Plätze beim Anspruch auch sehr unterschiedlich sind. Sind die Abweichungen nicht zu gravierend?
Man kann die Plätze kaum vergleichen. Ich bin definitiv kein Fan davon, dass man als Veranstalter so eingreift, um den Score entsprechend zu beeinflussen. Ich habe auch keine Erklärung dafür, ob das so ein Ego-Ding von den Ausrichtern ist, den Mitgliedern oder denen, die verantwortlich die Plätze präparieren. Vor der US Open 2020 gab es ja unzählige Geschichten, beispielsweise, dass der Gesamtscore bei 8 über Par liegen werde. Am Ende war er bei 6 unter Par. Mein Credo für so eine Championship: Macht den Platz schwer, und haltet euch dann raus und wartet ab, wie der Score sein wird.
Ein wunderbares Beispiel dafür war die Vorstellung von Rory McIlroy 2011 im Congressional CC. Er gewann mit 16 unter Par…
Genau, er hat den Platz im Grunde genommen auseinandergenommen. Das geht in die Richtung, die ich gut finde. Man macht es schwer – und dann gewinnt ein Profi auf so beeindruckende Weise. Das zeigt nur, wie gut diese Menschen ihren Beruf ausüben, und genau das sollte auch transportiert werden. vergleiche das mit dem Rennsport: Man schaut sich die TV-Übertragungen auf Strecken wie Spa oder am Nürburgring an und ist der Meinung: Das kann man doch irgendwie auch. Nein, keine Chance. Ich kann auch Roger Federers Aufschlag nicht retournieren.Wenn wir als Golfer dann mit einer 74 oder 75 ins Clubhaus kommen, denken viele: Das war nichts. Nein, es kann eine durchaus gute Runde gewesen sein, wo nur Nuancen einen besseren Score verhindert haben. Manchmal würde ich dem normalen Amateur gerne die Möglichkeit geben, mal so einen US-Open-Course wie Winged Foot zu spielen. Ich bin davon überzeugt, dass er nach der Runde eine andere Einstellung hätte.
Sie hämmern mit dem modernen Equipment die Bälle extrem weit. Folglich ist die Diskus-sion um die Platzlängen bei den Profi-Turnieren omnipräsent. Siegerscores von 20 unter Par sind nicht ungewöhnlich. Zuschauer und Sponsoren gefällt dieses Spektakel. Den-noch: Muss eingegriffen werden?
Es liegt nicht an der Länge, sondern am Design. Eine Bahn sollte immer eine große Variation im Score zulassen, also Eagles oder auch Doppel-Bogeys. Augusta mit Loch 13 ist dafür ein ganz wunderbares Beispiel: Man kann das Loch durchaus mit einem Birdie absolvieren, vielleicht auch mit einem Eagle, jederzeit aber auch mit einem Double- bzw. Triple-Bogey. Das ist fair und spannend. Bei einigen US Open wurde das nicht umgesetzt, sondern man ist nur auf Länge gegangen. Was war das Resultat? Im Score gab es auf diesen Bahnen mit vorwiegend Par und Bogey kaum Variationen. Für uns als Spieler ist das langweilig.
Wie sehen eigentlich Ihre Tage nach einem Major aus?
Ich entspanne und genieße meine Rolle als Vater und Ehemann. Ich lade meine Akkus auf und widme mich der Familie. Nebenbei bin ich die Statistiken von Winged Foot durchgegangen und habe sie analysiert. Golf stand in der Woche nicht an, nur einmal habe ich ein wenig geputtet. 2020 ist insgesamt ein verrücktes Jahr mit der Pandemie. Meine Frau meint nur: Sie hätte gerne einen Mulligan.
Da haben Sie es einfacher: ab in die Garage, rein in den Porsche und Kopf frei bekommen. Stimmt‘s?
Klar drehe ich die ein oder andere Runde.
Fehlt bei den amerikanischen Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht der richtige Fun-Faktor?
Das ist etwas frustrierend. Es entstehen aber immer mehr kleine Rennstrecken, also besuche ich einfach die. Oder ich fahre mal in die Berge. Da gibt es hervorragende Straßen, man bekommt ein tolles Fahrgefühl und kann das Auto genießen.
Auch 2021, wenn Sie zur Titelverteidigung bei der Porsche European Open nach Deutschland kommen und nebenbei einen Abstecher auf die Autobahn machen?
Ehrlich: Ich kann es nicht erwarten!
Paul Casey fahrend in einem Porsche
Stimmt es, dass Sie sich schon als Junge für Sportwagen interessierten und mehrere Poster Ihr Kinderzimmer schmückten?
Richtig. Ich hatte drei Poster: den Porsche 959 in Silber, den Ferrari F40 und den Lamborghini Countach. Mein Herz hat jedoch immer für Porsche geschlagen, für mich ist diese Marke der Inbegriff aller Sportwagen.
Was ist Ihr Lieblingsmodell?
Der 911er aus dem Jahr 1968. Der ist gerade bei der Inspektion, ein paar Dinge müssen gemacht werden.
Im September wurde verkündet, dass Sie der neue Markenbotschafter sind. Das ist mal ein Statement von Porsche für Golf in einer wirtschaftlich fragilen Phase…
Ich fühle mich sehr geehrt, und das ist sehr speziell und emotional für mich. Mein Gesicht wird weltweit auf Broschüren sein, das muss man sich mal vorstellen. Bizarr, oder? Schon in meiner Kindheit war ich in diese Marke vernarrt. Ich lebe sie. Die Partnerschaft hat sich natürlich schon vor Corona abgezeichnet, und es ist ein klares Signal, sich noch mehr für den Golfsport einzusetzen. Das ist auch positiv für die European Tour.
Sie leben seit Jahren in den USA, spielen auf der PGA Tour. Wie groß ist Ihr Interesse noch an der European Tour?
Sehr groß. Ich bin auf dieser Tour groß geworden und werde dort womöglich meine Karriere ausklingen lassen. Wie viele meiner Kollegen möchte ich sie unterstützen und auch dort spielen. Momentan geht sie durch sehr schwere Zeiten. Die Internationalität und Vielfalt waren immer ihre Stärken, und genau diese haben sich nun als Schwachpunkte herauskristallisiert. Die Corona Pandemie hat vieles für die Tour unkontrollierbar gemacht. Ich mache mir Sorgen, wie viel Schaden an dem Produkt European Tour angerichtet wurde.
CEO Keith Pelley musste viel jonglieren. Also Turniere absagen und Preisgelder drastisch reduzieren. Wie traurig macht diese Krise?
Für europäische Spieler wie mich, die auf der PGA Tour spielen, ist es einfach: Wir spielen hier jede Woche um viele Millionen Dollar. Wenn man das rein aufs Business reduziert, muss man nicht nachdenken. Es wird viel geredet, immer wieder ist die World Tour ein Thema. Dann heißt es, Investoren steigen auf der europäischen Tour ein. Wir Spieler hören viel, reden untereinander, aber Zählbares ist bislang nicht rausgekommen. Dafür sind die Obersten verantwortlich, und Keith Pelley lenkt den Bus. Eines ist klar: Die European Tour darf nicht scheitern. Es macht mich fertig, wenn ich sehe, dass Spieler – gerade beim Re-Start – teilweise ihr Bag selbst über den Platz schieben. Wir leben doch nicht im Jahr 1985.
Ein talentierter Pro, der Karriere machen will, wird unter diesen Gegebenheiten noch schneller animiert, sein Glück in Amerika zu suchen. Sprich: Die European Tour wird zur reinen Sprungbrett-Tour degradiert?
Das ist keine besonders schöne Vorstellung, zumal viele Events auf der European Tour wirklich außergewöhnlich gut sind. Das ist Spaß, mit den Spielern und den Zuschauern. Die Atmosphäre ist in Europa im Vergleich zu Amerika ganz anders, das Ambiente fehlt mir schon. Natürlich bin ich vor vielen Jahren in die USA gekommen, habe hier College-Golf gespielt und meine Heimat gefunden. Dennoch, Europa lebt in mir. Es sind die vielen verschiedenen Länder, Kulturen, das Essen. Insgesamt gibt man sich interessierter und aufgeschlossener. In Arizona lebt man teilweise in einem überschaubaren Kosmos. Amerika ist so groß, da wird sich gar nicht mit anderen Dingen beschäftigt.
Blicken wir mal in die nahe Zukunft. Das Masters steht Anfang November an, Sie ha-ben es bereits angesprochen. Es soll wieder die eine oder andere Veränderung auf dem Platz geben. Wie stehen Sie zum Umbau der Bahn 13?
Im Regelfall bin ich kein Freund dieser Maßnahmen. Beim Masters-Komitee sehe ich das anders. Es wird ernsthaft abgewogen und diskutiert. Die verändern erst, wenn sie vollends überzeugt sind, und machen dann auch das Richtige. Bei der 13  musste man eingreifen, die war ausgereizt. Einige Spieler haben über die Bäume geschlagen, andere mit einem Holz 3 dorthin gespielt, wo man eigentlich den Driver benötigt. Ich bin zuversichtlich, dass das Loch mit dem Umbau gewinnen wird.
Dann hoffen wir mal, dass das Feedback der Spieler entsprechend ausfällt. Der Umbau der 5 stieß ja auf verhaltenen Applaus…
Diese Veränderung ist diskutabel, ich weiß nicht, ob man die Bahn wirklich hätte verlängern müssen.
Sie haben das Masters 13 Mal gespielt, stets im April bei meist tollem Wetter. Was, denken Sie, wird Sie im November erwarten?
Ich habe keine Vorstellung. Ich habe den Augusta National GC immer im Frühling gespielt. Und jetzt im Herbst, fast schon Winter. Ich bin vollkommen ahnungslos und frage mich: Wie wird das Gras zu dieser Jahreszeit sein? Wie steht’s um die Feuchtigkeit im Boden? Wird der Wind aus einer anderen Richtung kommen? Dass es kälter sein wird, das ist das einzige, was feststeht. Da sind viele Unbekannte im Spiel. Unabhängig davon fiebere ich diesem Masters 2020 schon entgegen.
Paul Casey mit Golf Bag
Ohne Patrons, kann man sich das vorstellen?
Puh! Ich habe das schon vor Monaten erwähnt – ich bin überhaupt kein Fan von Sport ohne Zuschauer. Es ist einsam da draußen und ohne Atmosphäre. Mir fehlen dieses Kribbeln, diese Energie, die sich von den Fans auf uns überträgt, und diese Nervosität am ersten Abschlag. Klar gibt’s den ein oder anderen, der mal zu laut brüllt und sich danebenbenimmt. Aber das sind Ausnahmen. Die Masse transportiert Vibes auf uns. Die Fans geben uns als Profis sehr viel, und das ist ganz wichtig für unseren Sport. Mir fehlen diese freudigen Gesichter nach einem guten Schlag. Ja, ich vermisse die Fans.
Andererseits werden Sie mal sagen können: Ich war 2020 dabei, auch beim Masters.
Genau, in 20 Jahren hat man eine Unterhaltung, ob sich der eine oder andere noch an dieses Masters ohne Zuschauer erinnern könne. Dann antworte ich: Ja, ich war dabei. Ich gehörte dieser kleinen Gruppe an, die das live miterleben durfte. Das ist schon cool, aber halt seltsam. In Augusta fühle ich mich wie ein Rockstar. Das ergibt sich aus all diesen kleinen Regeln: Smartphones sind nicht erlaubt, Fotoapparate auch nicht. Rennen ist für die Zuschauer untersagt. Wenn man als Spieler die Tee-Box der 1 betritt, ist absolute Ruhe – es ist wie auf einer großen Bühne, und der Vorhang geht auf: Alle Augen sind auf dich gerichtet. Genial.
Also stellt sich bei Ihnen nicht die Frage: The Open Championship oder Masters als Nummer eins?
Welcher Sieg für mich persönlich einen höheren Stellenwert hätte, ist eine andere Frage. Aus Spielersicht und vom Spaßfaktor her ist es eindeutig das Masters. Man fühlt sich in dieser Woche einfach ganz besonders