Die Fähigkeit, Begeisterung für etwas „wie ein Kind an Weihnachten“ auf andere zu übertragen, geht vielen im Laufe ihres Lebens verloren. Das ist auch der Grund, warum Menschen, die sich diese Gabe bewahren, besonders im Gedächtnis bleiben. Christian Davis, der Initiator des Projekts Gesundheit und Golf am Schulzentrum Hösbach nahe Aschaffenburg, gehört in diese Kategorie. Am Telefon überschlägt sich seine Stimme vor Freude, als er vor ein paar Wochen hört, dass wir vom GOLF MAGAZIN zur Eröffnung seines Herzensprojekts kommen werden. Seit 2008 unterrichtet Davis bereits in Hösbach und hatte sich irgendwann in den Kopf gesetzt, dass man Golf und Schule, so wie in anderen Ländern, auch in Deutschland bestens miteinander verbinden kann.
Das aktuelle Resultat? Golf ist am Hösbacher Hanns-Seidel-Gymnasium als Abiturfach wählbar. Schulartenübergreifend kann Golf in der Sportklasse ab der Jahrgangsstufe 5 gewählt werden; darüber hinaus wird das Spiel als Neigungsgruppe im Ganztagesbereich und im Rahmen der Schulgolf AG „Abschlag Schule“ angeboten.
Golf und Schule – ein unmögliches Projekt?
Seit Anfang Mai hat das Schulzentrum ein von der Wildeshausener Fachfirma Private Greens erbautes Putting Green sowie ein angegliedertes Bewegungszentrum. Um das gleich richtig in Schwung zu bringen, war Professor Dietrich Grönemeyer angereist, auf dessen Rat und Expertise der Deutsche Golf Verband (DGV) seit Jahren vertraut. Er begeisterte die Schüler mit einem kurzen, altersgerechten Gesundheitsprogramm für die Kinder aller Schulformen.
Es braucht mehr als Leidenschaft, um ein solches Projekt umzusetzen; ebenso wichtig sind ein langer Atem, belastbare Unterstützer und Überzeugungskraft. Christian Davis ist überzeugend. Das bayerische Staatsministerium sieht es so, die Stadt Hösbach und der DGV sehen es so. Das Projekt Abschlag Schule des DGV bemüht sich seit langem darum, einen Fuß in die Türen der Schulen zu bekommen und Golf und Schule miteinander zu verbinden. An vielen Stellen ist das gelungen, aber nicht an allen.
Das Beispiel Hösbach zeigt, dass es vor allem engagierte Lehrer braucht, die den Kindern die Freude am Golfsport näherbringen und gleichzeitig die Eltern überzeugen.
Wie Christian Davis das schafft? Durch neue und clevere Ideen. „Den Mathematiklehrern sage ich, dass sie den Schülern Rechenaufgaben stellen sollen. Zu der Lösung gehört dann das Loch, auf das sie putten müssen. Um das umzusetzen, müssen sie nichts mit Golf am Hut haben“, erläutert Davis im Rahmen der Eröffnung in Hösbach. Ausformuliert klingt das Leitziel so: Einbindung in den Schulsport, sowie fächerübergreifende Projekte zur Kompetenzorientierung (Physik, Mathematik, Naturkunde, Biologie). Oder, etwas simpler: „Bewegte Golf- und Konzentra-tionspause!“
Das Schulzentrum Hösbach liegt nur wenige Autominuten vom Aschaffenburger Golfclub entfernt und hat so die luxuriöse Ausgangssituation, dass nicht allzu viel Mehraufwand nötig ist, um die Schüler auf den Platz zu bringen. Doch der Alltag zeigt, dass das Problem viel früher anfängt. Golf ist in den Köpfen vieler Kinder und Eltern immer noch als elitär und Altherrensport verpönt. Selbst, wenn dies nicht der Fall ist, gibt es für die meisten Schüler keinerlei Berührungspunkte mit diesem Sport. Kurzum: Der Einstieg ist schwer.
Gegen Vorurteile und für mehr Inklusion
Durch das künstliche, strapazierfähige Putting Green auf dem Gelände des Schulzentrum Hösbach werden diese ersten Berührungspunkte für Kinder geschaffen. Und so laufen weitere Ziele des Projekts parallel: Zum einen der Abbau von Vorurteilen gegenüber der Sportart Golf. Zum anderen die Vermittlung von Werten und Normen im Rahmen des verfassungsrechtlichen Erziehungsauftrags der Schule durch den Golfsport: Disziplin, Etikette, Respekt, Toleranz und Fairness.
Wer sich von diesen Argumenten nicht überzeugen lässt, dem empfehlen wir ein Gespräch mit Christian Davis. Er hat schließlich schon viele Menschen von und mit seiner Idee begeistert. Darüber hinaus zeigt das Pilotprojekt in Hösbach, wie schon früh und pädagogisch wertvoll etwas für die Zukunft des Golfsports in Deutschland getan werden kann.
Die Person hinter dem Projekt: Christian Davis
„Der Erfolg unserer gemeinsamen Arbeit zeigt sich nicht nur bei der Anmeldung unserer Schüler im Verein, sondern auch in unserer neu eingerichteten Sportklasse. Die Schüler profitieren davon. Sie lernen Konzentration und Körperbeherrschung und werden so auch im normalen Unterricht ruhiger“, sagt Christian Davis, der das Projekt Gesundheit und Golf ins Leben gerufen hatte. Davis kam durch seinen amerikanischen Schwiegervater zum Golfspiel und wünscht sich, dass es auch auf deutschen Golfplätzen (mindestens) ein wenig lockerer zugeht.
Mehr Informationen zum Hanns-Seidel-Gymnasium in Hösbach finden Sie hier.