Die Mundwinkel ein klein wenig nach oben gezogen und den Blick starr nach vorne gerichtet, machte sich Gary Woodland am Finaltag der 119. US Open in Pebble Beach entschlossenen Schrittes auf zum ersten Abschlag. Nichts an seiner Ausstrahlung ließ Zweifel daran aufkommen, dass dieser Kerl in die Rolle des Führenden gehört. Vielleicht auch, weil sein Erscheinungsbild stark an einen viermaligen Major-Sieger erinnert. Denn genau wie Kollege Brooks Koepka ist auch Woodland ein Kraftpaket.
Vielleicht aber auch, weil er die gesamte Woche über kaum Fehler zuließ und sich durch gute Entscheidungen immer wieder aus spielentscheidenden Situationen rettete. Doch so überzeugend Woodlands Auftritt war: Sein Sieg war keineswegs so selbstverständlich, wie es den Anschein machte.
Nicht, weil Woodland lediglich drei PGA Tour-Siege in 13 Jahren als Profi aufweisen kann; nicht, weil er noch nie zuvor ein Major gewinnen oder dort ein Top-10- Ergebnis erreichen konnte; und auch nicht, weil ihm Spieler wie Justin Rose, Jon Rahm, Xander Schauffele oder Brooks Koepka dicht auf den Fersen waren. Sieben Mal war Gary Woodland in der Vergangenheit als Führender in einen Finaltag gestartet. Sieben Mal hatte er, Sie ahnen es, die Führung nicht ins Clubhaus retten können.
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In Pebble Beach aber kam es zu seinem Glück anders. Das Geheimnis? Dazu müssen wir einen Schritt zurückgehen. 2018 spielte Woodland in Bellerive mit Brooks Koepka und Tiger Woods um den Titel des PGA-Champions. Tiger Woods in seinem roten Sieger-Hemd … das treibt den Adrenalinspiegel eines jeden Spielers nach oben, unabhängig davon, ob er bereits ein Major gewinnen konnte oder nicht. Beim Sieg von Brooks Koepka fiel Woodland noch auf Platz 6 zurück. In Pebble Beach aber nutzte er seine Chance.
Das Verfolgerfeld
Mit Woodland startete Goldmedaillen-Gewinner Justin Rose (Rio 2016) im Spitzenflight des Finaltags. Die Errungenschaften im Laufe seiner Karriere sind beeindruckend, doch Majors zählen nicht unbedingt zu den Highlights von Rose, der nach wie vor nur den Titel der US Open 2013 im Schrank hat.
Ein kleiner Makel in der sonst so beeindruckenden Karriere des Engländers. Zu den Stärken von Rose zählen seine konstanten Eisenschläge, die ihm, auf dem sich recht harmlos präsentierenden Kurs in Pebble Beach, allerdings im Stich ließen. Gleich fünf Bogeys wanderten auf die Scorekarte von Justin Rose, der damit zum Schluss auf den dritten Rang rutschte.
Besser machte es da Brooks Koepka, der am Sonntag vier der ersten fünf Bahnen mit einem Birdie beendete, ehe auch ihm auf den letzten Löchern die Luft ausging. Dennoch: Koepka schaffte es in fünf seiner letzten neun Majors auf die Plätze eins oder zwei.
Noch nicht so gut, aber auch schon sehr stabil sieht die Billanz von Xander Schauffele aus. Zwar wartet der Amerikaner mit deutschen Wurzeln nach wie vor auf seinen ersten Super-Titel, doch Schauffeles Resümee in Sachen Major kann sich sehen lassen: Fünfter bei der US Open 2017, Zweiter bei der Open 2018, beim Masters 2019 und jetzt Dritter bei der US Open.
Kaymer und Woods? Na ja
Nach seinem hervorrangenden Aufritt beim Memorial Tournament im Vorfeld der US Open stiegen die Erwartungen an Martin Kaymer, den einzigen Deutschen auf dem Traumplatz von Pebble Beach. An seine Form beim Memorial konnte der Mann aus Mettmann zwar nicht anknüpfen, doch mit Runden von 69, 75, 71 und 70 Schlägen beendete er die US Open mit einem soliden 35. Rang. Ähnlich wie bei Tiger Woods ließ auch Kaymer der Putter mehrfach im Stich. Die Folge: viele unnötige Bogeys und verpasste Birdies.
Besonders Tiger Woods überraschte mit seiner schlechten Performance auf den Grüns in Pebble Beach, die er in- und auswendig kennt. Immer wieder rief er Caddie Joe LaCava heran, um die Putts mit ihm zu lesen. Etwas, das Woods unter normalen Umständen äußerst selten macht. Am Finaltag halfen auch sechs Birdies nicht mehr, um den Masters-Champion höher als auf den geteilten 21. Rang zu hieven.
Auch Phil Mickelson, der am Finaltag seinen 49. Geburtstag feierte und ein Ständchen der Zuschauer bekam, tat sich in Pebble Beach überraschend schwer und kam nur auf Rang 52. Pebble Beach jedenfalls trägt ab sofort und bis mindestens 2027, wenn die US Open zurückkehrt,
den Stempel von Gary Woodland.