GM: Mit 17 Jahren gaben Sie erstmals Unterricht, mittlerweile blicken Sie auf 40 Jahre Trainingserfahrung zurück. Vor knapp 35 Jahren, im Oktober 1989, waren Sie der erste Teaching-Professional auf der Titelseite der Golf Digest – und viele weitere Titel folgten. Sie waren ein Vorreiter. Wie fühlt es sich an, Initiator einer ganzen Teaching-Branche zu sein, die es ohne Sie in dieser Form wohl nicht geben würde?
DL: Alt (lacht). Nein, im Ernst: Ich hatte sehr viel Glück und habe jede Minute genossen. Eigentlich wollte ich selbst spielen. Aber mir war es wohl vorbestimmt zu unterrichten, und das fiel mir immer leicht. Ich hatte keine Schwierigkeiten damit, etwas zu sehen, zu visualisieren und zu vermitteln. Unterricht zu geben, habe ich immer geliebt. Es ist in meinem Blut. Und es war eine wunderbare Reise. Ich hatte das Glück, dass es sich nie wie ein Job angefühlt hat, sondern eher wie ein leidenschaftliches Hobby, das hat es mir ermöglicht hat, tolle Leute kennenzulernen und auch ganz annehmbar davon leben zu können. Das Wichtigste aber ist: Ich konnte Leuten helfen, ganz gleich welcher Spielstärke.
Wie gelang es Ihnen, sich Ihren Enthusiasmus zu erhalten?
Ich hatte immer diese Passion. Jeder, mit dem man arbeitet, ist anders. Es kommt auf die Mischung an. Würde man ausschließlich mit Anfängern oder nur mit Tour-Spielern zusammenarbeiten, wäre es definitiv nicht so interessant. Ich helfe Leuten dabei, herauszufinden, wie sie ihr Spielpotential voll ausschöpfen können. Dabei lernt man nie aus, weder als Schüler noch als Trainer.
Familiäres Zuerst
Ihre Tochter Hally, selbst eine exzellente Spielerin und gemeinsam neben Michelle Wie Podcasterin, äußerte sich kürzlich zur Suche nach dem »perfekten« Trainer. Ein guter Coach sei eine Art Therapeut, bei dem es »klick« machen müsse. Sie wirken offensichtlich auf viele Menschen sehr überzeugend. Was ist Ihr Geheimnis?
Du musst dich in jemanden reinversetzen können und spüren, was dein Gegenüber fühlt. Da ich zumindest für kurze Zeit selbst aktiv gespielt habe, kann ich nachvollziehen, was die Spieler emotional durchmachen. Wissen zu haben ist das eine, Wissen zu vermitteln und transportiert zu bekommen das andere – das ist nicht immer leicht. Grundsätzlich muss man empathisch sein und möglichst einfach vermitteln, wie auf dem Platz viele gute Ballkontakte produziert werden können. Die Augen müssen geschult werden, was lange dauert. Zu Beginn meiner Trainerlaufbahn gab es keine modernen Aufnahmegeräte.
Ich musste mich darauf verlassen, was ich sah – und auf meinen Instinkt. Mir wird nachgesagt, ich hätte »biomechanische Augen«. Beobachte ich einen Spieler, habe ich bereits eine Vision, wie der eigentliche Schwung aussehen sollte – von Geschwindigkeit bis Position, Beweglichkeit, etc. Außer ein paar Basics ist das keine voreingenommene Schwung-Vorstellung. Das kann man nicht unterrichten. Wir bilden zwar Coaches aus, aber einige Dinge müssen instinktiv erfolgen. Ähnlich wie es Gefühlsspieler gibt, gibt es auch Gefühlstrainer. Und so einer bin ich.
Die Kunst eines Trainers
Was für weitere Fähigkeiten machen einen guten Trainer aus?
DL: Man sollte bei den Schwung-Fundamentals bleiben und nicht voreilig irgendwelchen Trends verfallen und etwas unterrichten, das bei einem aktuell erfolgreichen Spieler funktioniert. Beispielsweise wird das hier (zeigt ein überstrecktes linkes Handgelenk; Technik von Max Schmitt oder Dustin Johnson, Anmerkung d. Red.) oftmals unterrichtet. Das funktioniert nicht bei hohen Handicappern. Gute Trainer sollten so viel wie möglich lernen, um sich möglichst einfach ausdrücken zu können. Dann wird ein neuer Schwunggedanke vermittelt, der dann aber zwei oder drei weitere Dinge mit abdeckt.
Weniger ist mehr, auch sprachliich. Es ist nicht notwendig, sich selbst ständig auszudrücken (imitiert mit seiner Hand Geschnatter). Junge Trainer wollen mit Wissen glänzen, die meisten Spieler entwickeln sich viel besser, wenn man es möglichst simpel hält. In jedem Schwung gibt es einen ursprünglichen Fehler und eine Lösung.
Der „Straight Away“
Haben Sie da ein Beispiel?
Klar. Wenn jemand den Schläger kurz vorm Impact zu früh freigibt, hilft es nicht, wenn der Trainer den Schläger festhält und das Kommando gibt: »Halten, halten«. Da liegt nicht das ursprüngliche Problem. Der Ausgangspunkt des Schwungfehlers liegt meist viel weiter zurück, meist schon beim Take-Away. Daher bin ich auch ganz aufgeregt, dass wir kürzlich mit dem Straight Away (GM 2/2024, Anmerkung d. Red.) ein neues Trainings-Gadget auf den Markt gebracht haben. Viele Fehler ereignen sich bereits zu Beginn des Schwungs und werden kompensieren. Dabei könnten viele Probleme von Anfang an behoben werden, wenn das Take-Away stimmt. Der Straight Away verhindert viele mögliche Fehler.
Bevorzugtes Gadget?
Sie haben viele hilfreiche Gadgets erfunden. Welches ist Ihr Favorit?
Der Swing-Setter mit den beiden Bälle, die beim Schwingen klicken (siehe Seite 44, Anmerkung d. Red.) war toll. Damit kann man lernen, dynamisch, durch eine bessere Kopplung zu mehr Energie im Schwung zu kommen. Ich würde übrigens solche Geräte eher Schwung-Hilfe und nicht Trainings-Hilfe nennen. Trainings-Hilfe hört sich nach so viel Arbeit an. Und das ist es nicht, wenn das Gerät gut konstruiert ist. (überlegt) Aber es sollte nicht vergessen werden, dass solche Hilfen für bestimmte Schwungbereiche konstruiert wurden.
Der Swing-Setter dient dazu, die Handgelenke am Ende des Rückschwungs mehr einzusetzen. Doch der Straight Away ist definitiv mein Favorit. Klein, handlich und zum heranklippen. Man wird in keine bestimmte Position gezwungen. Das Gerät gibt lediglich die Richtung vor und erzieht den Golfer. Entweder man macht es richtig oder falsch. Ich würde sagen, dass etwa 90 Prozent aller Amateurgolfer falsch schwingen. Wird der Schläger am Anfang richtig gesetzt, wird alles Weitere wesentlich einfacher.
Sie waren viele Male in Deutschland und haben dort seit über 25 Jahren Golfschulen betrieben. Warum haben die Deutschen in der Golfwelt den Ruf, nicht die talentiertesten Spieler zu sein?
Es ist überall in der Welt anders. In Deutschland ist Golf noch immer ein elitärer Sport, für den es kaum öffentliche Plätze gibt. Man kann nicht einfach losziehen und spielen. Es hängt also von den Eltern ab, ihre Kinder zu fördern. Und dann ist da noch der Faktor, dass Kinder reicher Eltern nicht notwendigerweise auch gute Spieler werden; da sie es nicht müssen. Aber Dinge ändern sich. Bernhard Langer ist ein fanatisches Vorbild: Sein Vater war Maurer. Bernhard wurde im Alter von 15 Jahren Profi. Das ist eine unglaubliche Geschichte. Auch jetzt gibt es viele talentierte deutsche Spieler auf der Tour – Max, Matti, Nicolai, um nur einige zu nennen.
Die GM-Minute: 10 Fragen binnen einer Minute
1. Cricket oder Fußball? Ich liebe Fußball, aber es ist Cricket.
2. US Golf Courses oder British Links? British Links.
3. Vordere oder die hintere Teeboxen? (lacht lauthals) Es waren mal die hinteren, jetzt sind es die vorderen.
4. Kleidung: Lange Hosen oder Shorts? In Europa lange, hier aufgrund der Hitze Shorts.
5. Kaffee oder Tee? (überlegt) Tee.
6. Abschlagzeiten: früh am Morgen oder lieber am Nachmittag? Am Morgen.
7. Masters oder Open? Open.
8. Ryder Cup: Team US oder Europa? Europa.
9. Bayern München oder Orlando Magic? Bayern München, da Harry Kane dahin gegangen ist und ich ein Tottenham-Unterstützer bin.
10. Urlaub in den Bergen oder am Meer? Meer.
Zusatzfrage: PGA Tour or LIV?
Oh, darüber könnten wir ein ganzes Interview führen. Ich denke nicht, dass es eine schlechte Sache ist. LIV rüttelt die ganze Golfwelt etwas auf. Es wird hoffentlich eine Einigung geben, schließlich sollten die besten Spieler zusammenspielen. Allerdings ist es nur im Golf so, dass es kein Preisgeld gibt, wenn der Cut nicht geschafft wurde. Wenn Bayern München mal verliert, bekommen die Spieler dennoch ihr Gehalt. Ich finde es also grundsätzlich eine gute Sache. Obwohl es schon ein lustiges Format ist, von dem bin ich überhaupt kein Fan. 54 Löcher und Kanonenstart. Da ist es schwer den Durchblick zu behalten, wer gewinnt. Auch dieser Teamgedanke setzt sich noch nicht so richtig durch.
David Leadbetter
Geboren: am 25. Juni 1952 im englischen Worthing in Sussex.
Familie: Verheiratet mit der früheren Proette Kelly Fuiks. Gemeinsame Kinder: Andrew (39), Hally (31) und James (29).
Prominente Schüler: Nick Price, Ernie Els, Nick Faldo, Michelle Wie, Lydia Ko, Suzann Pettersen.
Erfolge seiner Schüler: 100 Turniersiege, 26 Major-Titel, 7 Weltranglistenerste.
Trainerkarriere: Neben Bücher, Filmen und Trainings-Tools gründete er weltweit zahlreiche Academien weltweit zuzüglich Leadbetter Kids Golf und Leadbetter Golf University.
Info: leadbetter.de, golfzonleadbetter.com