Spieth vs McIlroy: Traumduell der Megastars
Wer Jordan Spieth oder Rory McIlroy beim Masters spielen sehen will, hat es nicht leicht. Viele der zirka 40.000 Zuschauer auf dem Campus des Augusta National folgen den zwei Flights, in denen die beiden Megastars unterwegs sind. An diesem traumhaften Freitag unter wolkenlosem Himmel muss man sich – auch als akkreditierter Reporter – zuweilen zwischen der Beobachtung entweder des schwingenden Spielers oder des Ballflugs entscheiden. Beides ist mehr als beeindruckend.
Raketen-Rory macht sprachlos
Im Fall von Rory McIlroy kann ich auch am zweiten Turniertag kaum glauben, was aus diesem zwar extrem durchtrainierten, aber eben auch recht kleinen Spieler für Drives rauskommen. Wenn ich am Abschlag direkt hinter ihm stehe – und damit in den Genuss komme, Schwung und Ball verfolgen zu können – habe ich Schwierigkeiten zu begreifen, was ich da sehe. Wie eine Raketenabschussrampe steht Rory auf der Teebox; wie ein Geschoss geht der Ball vom Blatt und bohrt sich durch die Luft. Keine Ahnung wie seine durchschnittliche Spin-Rate mit dem Driver ist, aber der Ball fliegt bei Rory anders, penetrierender, schneller, weiter. Und für alle, die davon gehört, es aber noch nicht selbst gesehen haben: ja, es klingt auch anders, wenn Rory McIlroy den Ball trifft; besser, viel besser!
Bei der Pressekonferenz vor Turnierbeginn, wurde McIlroy gefragt, ob er großen Druck beim Masters spüre, bezogen darauf, dass es das einzige Major ist, dass er noch nicht gewinnen konnte. McIlroys Antwort: „Je länger es mir nicht gelingt, hier zu gewinnen, desto größer wird der Druck von Jahr zu Jahr werden.“ Auf mich macht er den Eindruck, dass er keine Lust auf diesen Druckaufbau hat und alles dafür tun wird, am Sonntagabend sein erstes Green Jackett tragen zu dürfen.
Der Blick von Spieth kann Eisberge schmelzen
Jordan Spieth ist erst 22 Jahre alt. Kaum zu glauben! Nein, nicht wegen seiner hohen Stirn unter der Mütze. Spieth bewegt sich im Augusta National als gehöre ihm der Platz. Das ist gut. Er glaubt an sich, hat eine breite Brust. Klar, er ist Titelverteidiger hier, aber als er an Tag 1 über die Fairways schreitet, um auf einem der schwersten Plätze der Welt eine sechs-unter-Par-Runde mit „nur durchschnittlichem Ballstriking“ zu schießen, fühle nicht nur ich mich an einen gewissen Tiger Woods erinnert. Es scheint als sei es seine Mission, die Konkurrenz zu „zerstören“. Das Selbstvertrauen, dass er dabei ausstrahlt, wirkt schon fast abgehoben.
Spieths langes Spiel ist nicht so spektakulär wie das von McIlroy oder Dustin Johnson; im Fernsehen nicht und auch nicht, wenn man direkt neben ihm steht. Was dieser junge Kerl allerdings auf den Grüns veranstaltet – die auf 14 bis 16 feet auf dem Stimpmeter geschätzt werden (der Club würde die tatsächliche Geschwindigkeit niemals bekannt geben) – ist unfassbar. „Ich weiß nicht genau woran es liegt, dass ich hier so gut putte; es ist als könnte ich jede Linie sehen“, gab Spieth nach seiner 66 am Donnerstag (mit nur 25 Putts) zu Protokoll. Eine auf diesen Grüns für mich rätselhafte Gabe. Die am Ende den Unterschied machen könnte…
Die 74 (+2) an Tag 2 des Masters 2016 ist die erste von zehn Turnierrunden, die Spieth über Par gespielt hat. Am Donnerstagabend lag er nach neun Runden 29 unter Par. Fast unmenschlich. Dass er vielleicht doch von dieser Welt kommt, macht mich persönlich sehr froh. Denn nun heißt es morgen: Jordan versus Rory. Ein offenes Rennen, ich bin gespannt!
McIlroy und Spieth starten am Samstag um 14:50 Ortszeit (20:50 in Deutschland) als letzte Gruppe in die dritte Runde.