Neun Jahre Geduldsspiel
Unsere Leserin Monika Laugsch aus dem GC St. Leon-Rot ist die wahrscheinlich geduldigste Golferin Deutschlands. Denn: Schon im Mai 2012 hatte sie einen Business-Class-Flug mit Lufthansa nach Berlin samt Gratisrunde auf dem Robert-Baker-Platz in Gross Kienitz gewonnen – doch erst jetzt, im Sommer 2021, konnte Frau Laugsch die Reise endlich antreten.
Nach neun Jahren Geduldsspiel ging die GM-Leserin aus Baden-Württemberg nun sogar als Ehrengast beim Berliner Kultur & Mediencup an den Abschlag, was recht glücklichen Umständen geschuldet war. Genauer gesagt: einer gehörigen Portion Kulanz des einstigen Gewinnspielsponsors Lufthansa. Deren großzügiges Entgegenkommen lockte TV, Radio und Presse nach Gross Kienitz, hier ein schöner Bericht über das Turnier:
Sendebeitrag von Hauptstadt.TV
Wolfgang Weber, der ehemalige Pressesprecher der Lufthansa in Berlin, hat für Golf Magazin noch einmal die ganze Geschichte zusammengefasst, wie der neue Hauptstadtflughafen die Gratis-Tee-Time von Monika Laugsch um satte neun Jahre verzögerte:
Der BER und die aus der Zeit gefallene Golfrunde
Im GC Gross Kienitz, einem der mitgliederstärksten Golfclubs in und um Berlin, ist eine Reservierung von Abschlagzeiten dringend geboten. Und zumal an Wochenenden kann es passieren, dass man seine Runde verschieben muss – um ein paar Stunden vielleicht oder gar ein, zwei Tage.
Monika Laugsch aus Schwetzingen wurde jedoch für ihre Runde auf der insgesamt 130 Hektar großen Golfanlage eine rekordverdächtige XXL-Wartezeit abverlangt, die fast schon nach einem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde schreit: geschlagene neun Jahre!
Denn so lange »durfte« sich die Gastspielerin in spe auf jene Golfrunde freuen, die sie kürzlich vor den Toren der Hauptstadt spielte. Geschuldet ist diese »leichte« Verspätung dem unmittelbaren nördlichen Nachbarn der Golfanlagen Gross Kienitz. Der trägt den klangvollen Namen »Willy Brandt« und ist kein Geringerer als der am 31. Oktober 2020 endlich ans Netz gegangene, neue Hauptstadt-Flughafen BER.
Dieses größte Verkehrsinfrastruktur-Projekt Ostdeutschlands seit der Wende hatte es bekanntermaßen nicht gar so eilig, fertig zu werden, sondern hielt es über viele Jahre mit dem gemütlichen Wahlspruch »gut Ding will Weile haben«.
Doch in Sachen Langmut und Ausdauer kann es eine gestandene Golfspielerin aus dem »Ländle« (Hcp 24 und Gründungsmitglied des renommierten GC St. Leon-Rot) mit einem zeitweise zur weltweiten Lachnummer gewordenen Airport, der über viele Jahre nicht in die Gänge kommen wollte, allemal aufnehmen…
Wie im März 2012 alles begann
Frau Laugsch zählte zu den drei glücklichen Gewinnern eines Gewinnspiels von Golf Journal, das im März 2012 während der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin erdacht worden war. Jens Bischof, seinerzeit als Bereichsvorstand Vertrieb der Lufthansa Chef auf dem Messestand der »Kranichlinie«, hatte gerade doppelten Grund für gute Laune: Bei den Golf Journal Travel Awards 2012 war sein Unternehmen soeben zur beliebtesten Airline für den Golfurlaub gekürt worden.
Zudem fieberte die versammelte Tourismus- und Airline-Branche voller Vorfreude der für den 3. Juni geplanten Eröffnung des BER entgegen, für den die Lufthansa Group große Pläne schmiedete. Und deshalb gab es für die GJ -Leser drei sportliche Packages für jeweils zwei Personen zu gewinnen: »Mit Lufthansa kostenlos in der Business Class zum neuen Flughafen Berlin Brandenburg fliegen und gratis 18 Löcher auf dem Robert-Baker-Platz in Gross Kienitz spielen«.
Als aber die Juni-Ausgabe von Golf Journal mit dem Gewinnspiel die Abonnenten und Kioske erreichte, hatten die Brandschutzprobleme auf der BER-Baustelle freilich schon in der Weltpresse für jede Menge Sarkasmus und Schadenfreude gesorgt, und die minutiös geplante bombastische Eröffnungsfeier mit viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft war abgeblasen worden.
Gewinnspiel also geplatzt? Natürlich nicht! In Absprache mit Lufthansa konnte Günter O. Reiter, damals stellvertretender GJ-Chefredakteur, den Gewinnern eine kulante Wahlmöglichkeit anbieten: »Falls Sie dieses Jahr noch nach Berlin reisen und in Gross Kienitz Golf spielen wollen, fliegen Sie einfach nach Tegel. Und falls Sie doch lieber den neuen Airport BER anfliegen wollen, dann können Sie den Trip auch auf 2013 verschieben.«
Der BER-Start war schließlich – erst einmal – nur um wenige Monate verschoben worden, auf Ende Oktober 2012…
Zwei fliegen, eine wartet ab
Die beiden anderen Gewinner, aus NRW und Bayern, gingen in weiser Voraussicht kein Risiko ein. Sie flogen kurzentschlossen schon sehr bald mit der LH nach Berlin und landeten am guten alten Flughafen Tegel. Monika Laugsch jedoch setzte auf die Originalversion: »Ich möchte meine Berlin-Reise erst 2013, mit Fertigstellung des neuen Flughafens, antreten«, ließ sie die GJ-Redaktion wissen.
Aber gut, die Schwetzingerin konnte im Sommer 2012 ja ebenso wenig wie dreieinhalb Millionen Berliner ahnen, dass der Pannen-Airport in den Folgejahren noch mehrere Starttermine reißen und auf dem Weg zur Eröffnung vier weitere Flughafenchefs verschleißen würde.
Als der BER im vergangenen Herbst dann zur Überraschung vieler notorischer Zweifler – ganz ohne Feierlichkeiten und Corona-bedingt nahezu geräuschlos – doch noch ans Netz ging, kramte die Gewinnerin den schon leicht vergilbten Reisegutschein wieder hervor.
Und sie brachte sich mit einer gehörigen Portion Optimismus per E-Mail bei Günter O. Reiter in Erinnerung: »Da der Berliner Flughafen auch nicht 2013 eröffnet wurde, sondern erst jetzt, möchte ich meinen Gewinn 2021 endlich einlösen! Mit freundlichen Grüßen«.
Der Preis war längst verfallen
Doch in den neun Jahren war eine Menge Wasser die Spree hinabgeflossen, und schon die alten Römer wussten: »tempora mutantur« – alles wandelt sich mit der Zeit. Problem Nummer eins dabei: Jene Akteure, sowohl bei der Airline wie in der GJ-Redaktion, die sich im Frühjahr 2012 das Gewinnspiel hatten einfallen lassen, sind mittlerweile im wohlverdienten Ruhestand.
Problem Nummer zwei: Die derzeit arg Corona-gebeutelte Lufthansa bietet bereits seit Jahren keine Flüge mehr zwischen Stuttgart und Berlin an; schon 2015 übernahm die Tochtergesellschaft Eurowings (EW) das komplette LH-Flugangebot abseits der beiden Drehkreuze Frankfurt und München.
Problem Nummer drei schließlich: Der damalige Vertragspartner der Kranichlinie existiert, genau genommen, nicht mehr – aus Golf Journal wurde im September 2020 ja durch Fusion das neue Golf Magazin. In streng juristischem Sinne ist die »Causa BER-Gewinnspiel« ohnehin schon seit gut einem halben Jahrzehnt verjährt und die gewonnene Golfrunde in Gross Kienitz damit ziemlich aus der Zeit gefallen.
Mit Eurowings statt Lufthansa
Aber für derartige Sonderfälle wurde ja das schöne Wort »Kulanz« erfunden. Und so durfte sich Frau Laugsch samt einer Freundin doch noch reisefertig machen für den Flug STR-BER – allerdings mit EW.
Und wie es das Schicksal so will, erhielt die wohl geduldigste Gewinnerin der deutschen Golfgeschichte ihre Flugtickets letztlich doch von dem Mann, der auf der ITB im März 2012 das Gewinnspiel abgesegnet hatte: Der damalige LH-Bereichsvorstand Jens Bischof ist nach mehreren Karriereschritten in der Lufthansa-Welt seit März vergangenen Jahres Chef der Eurowings mit Sitz in Köln.
Darüber hinaus hat sich das lange Warten für Frau Laugsch auch gelohnt, was die Golfrunde in Gross Kienitz betrifft. Denn durch etliche Verbesserungsmaßnahmen ist der Robert-Baker-Course im Lauf der Jahre noch attraktiver geworden. Zudem stört »Willy Brandt« – nicht nur Corona-bedingt – die Golfer weit weniger, als von vielen Clubmitgliedern vor dem BER-Start befürchtet.
Die Jets überfliegen die Golfanlage bei Start und Landung nicht direkt, sondern unmittelbar jenseits der bewaldeten »Kienitzer Berge« und fallen somit mehr visuell als akustisch auf. Und deshalb kann man auf dem wohl »verkehrsgünstigst gelegenen Golfplatz Deutschlands« auch weiterhin ungestört und in aller Ruhe abschlagen.
Gewissermaßen als »Sonderpreis« für die fast unendliche Geduld von Monika Laugsch wurde übrigens beim Berliner Kultur & Mediencup vor der Siegerehrung noch ein netter Film von Wolfgang Weber gezeigt, der die Ereignisse im Stil der »Sendung mit der Maus« präsentiert. Die Gewinnerin – und auch die anderen Turnierteilnehmer – hatten ihren Spaß daran…