Es gab einmal einen italienischen Tourspieler, der es von der Alps Tour bis in die erste Liga schaffte und sogar sein Land bei den Olympischen Spielen vertrat. Als er noch in der dritten Liga spielte, war er oft in Grado zum Trainieren. Ich durfte ihn auf den Proberunden begleiten.
Er hat einen erstaunlichen Schlag im Repertoire, den ich in dieser Form bei noch keinem Profi gesehen habe, weder live bei Turnieren noch irgendwo im Fernsehen. (Und ich schaue ungesund viel Golf, fragen Sie meine Frau.) Wegen dieses Schlages nenne ich auch nicht seinen Namen, weil ihm vielleicht nicht recht ist, dass ich seine Geheimwaffe verrate. Also: In Grado ist wegen des vielen Wassers eher Präzision als Länge gefragt. Was machte der Tourspieler?
Der getoppte Driver
An einigen Löchern spielte er einen getoppten Driver. Er teete den Ball nur so hoch auf wie für ein langes Eisen, dann wischte er den Ball, der nicht mehr als fünf Meter in die Höhe stieg, das Fairway runter. Zugegeben: »getoppt« klingt etwas hart; es ist halt nur ein sehr dünn getroffener Ball, der elendig lange ausrollt. Aber der gemeine Clubspieler würde einen solchen Schlag mit dem Drive bestimmt als »getoppt« bezeichnen.
Dieser Schlag gelang dem Tourspieler mit einer erstaunlichen Präzision. Und er sagte mir, dass er damit zwanzig Meter oder auch etwas mehr verliere, aber immer in der Mitte des Fairways liege – es sei für ihn ein verlässlicherer Schlag als ein volles kleines Holz oder ein Hybrid.
Selbstversuch geglückt
Als ich in dieser Woche mal wieder mit dem Two-Way-Miss haderte (meine Drives waren entweder gepullt oder segelten als Push-Slice nach rechts), dachte ich an diesen Schlag. Und obwohl die Runden mit dem Tourspieler schon zehn Jahre her waren, hatte ich das noch nie probiert. Bis jetzt. Also teete ich den Ball flach auf und machte eine gefühlte Chip-Bewegung mit dem Driver; wichtig dabei, das merkte ich gleich, ist eine besonders flache Schwungbahn, aber über die verfüge ich von Natur aus.
Wie alle neuen Schwunggedanken funktionierte er auf meinen ersten morgendlichen Halbrunden perfekt, die Bälle flogen schnurgerade. Und weil es lange nicht geregnet hatte, kam auch noch ordentlich Roll hinzu, so dass die Bälle gute zweihundert Meter zurücklegten. Was für Grado auf beinahe jedem Loch locker reicht, um das Grün in regulation zu erreichen.
Auch wenn mein Schwiegervater, der einmal dabei war, sich über meine vermeintlichen Fehlschläge lustig machte – er glaubte mir nicht, dass ich es mit Absicht tat. Und man muss schon über ein stabiles Gemüt verfügen, auf dem Golfplatz den Spott eines 85-Jährigen zu ertragen. GM
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