Ja, wir haben es alle zuerst im Schnupperkurs und dann in unzähligen Golfstunden gehört (falls Sie ebenfalls »unzählige« Golfstunden genommen haben, so wie ich): Schwing ohne Kraft und denk gar nicht ans Treffen – lass den Ball einfach nur zufällig im Weg sein. Oder: Greif zu, als hättest du ein Vögelchen in der Hand, fest genug, dass es nicht entkommen kann, aber sanft genug, dass du es nicht erdrückst. Oder: das ewige locker bleiben. Gary McCord rät gar dazu, auf der Range einen Kartoffelchip zwischen die Zähne zu nehmen und ihn beim Schwung nicht zu zerbeißen.
Mag ja alles stimmig sein. Bestimmt ist es bei Anfängern hilfreich, eher von einem Schwung als von einem Schlag zu reden, sonst wird es ein übles Gehacke.
Aber.
Als ich mit unserem Art Director die Fotos für unser Sonderheft »Die 75 größten Golfmomente« sichtete (es erschien am 29. Oktober, kaufen Sie es – versprochen: Es lohnt sich), fiel mir etwas auf: Die Tourspieler sehen im Treffmoment überhaupt nicht so aus, als würden sie locker-luftig schwingen, im Gegenteil: Ihre Unterarme sind so angespannt, als wären sie das 3D-Relief einer Canyon- Landschaft, ihr Gesicht ist verzerrt wie das eines Kraftsportlers bei seiner Bestleistung. Im Finish stehen sie wieder ganz sanft und entspannt da. Aber im Treffmoment ist nichts zu sehen von einem zarten, entspannten Schwung. Das Vögelchen würde ziemlich sicher zerquetscht, der Chip zerbissen werden. Die Bilder sprechen für sich.
Klar, man soll nicht zum Ball schlagen, sondern durch den Ball, soweit bin ich mit der herrschenden Lehre einverstanden. Aber wer in die Gesichter schaut, der erkennt: Sanftmut sieht anders aus. Golf ist Psychoterror gegen uns selbst. Und deswegen probieren Sie mal den Gedanken aus, den Ball zu schlagen, statt zu schwingen. Hauen Sie drauf, geben Sie dem kleinen Mistkerl richtig einen mit! Denn wenn der Schlag schief geht, müssen Sie sich wenigstens nicht vorwerfen, allzu zögerlich agiert zu haben. Sie gehen vielleicht unter – aber mit Stolz und fliegenden Fahnen.
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