Herr Kaymer, wie beurteilen Sie Ihr Jahr 2021 auf dem Golfplatz?
49. im Race to Dubai – da kann ich sportlich nicht zufrieden sein. Es ist ein langer Prozess auf den ich mich konzentriere und es gibt positive Aspekte. Einige Statistiken sind besser wie in meinen besten Phasen. Es sind die vielen kleinen Rädchen, die greifen müssen. Ich freue mich auf die Reise.
Reise – was bedeutet das? Nehmen Sie Veränderungen vor, schließlich werden Sie im Januar erstmals Vater. Allein damit beginnt eine neue Lebensphase.
Genau, das ist lebensverändernd. Nicht ein Major- oder Ryder-Cup-Sieg. Wir haben uns im Team abgesprochen. Unser Kind wird in Deutschland auf die Welt kommen und ich werde erst einmal drei Monate keine Turniere spielen und erst wieder im März starten – in den USA.
Also zieht es Sie jetzt doch wieder über den Teich?
Wir werden gemeinsam nach Florida gehen. Die Pendelei zwischen Amerika und Europa hat für mich einfach nicht funktioniert. Ich könnte so weitermachen mit ein wenig hier und ein wenig da, das ist aber nicht mein Anspruch und bringt mich nicht weiter. Ich bin einfach jemand der klaren Entscheidungen und verfolge eine Rote Linie. Ich habe für mich festgestellt, dass gerade die Anfangszeit einer Saison enorm wichtig ist. Natürlich habe ich in den USA optimale Trainingsbedingungen. Ich bin dann aber in meine Wohnung gekommen und es fühlte sich nicht nach zu Hause an, ich war allein und bin dann nach Deutschland geflüchtet und habe dadurch den Rhythmus unterbrochen. Die Situation wird sich nun ändern und – nochmal – ich freue mich auf diese Reise.
Das heißt, über die PGA Tour zurück in die Weltklasse?
Ich denke, dass ich mit meiner Vita durchaus ein paar Einladungen erhalten werde. Wir haben einen Plan ausgearbeitet, den ich in den kommenden zwei bis fünf Jahren umsetzen möchte.
Haben Sie weitere Veränderungen im Visier?
Für mich war es ein wichtiger Punkt gewesen, herauszufinden, warum ich stagniere. Meines Erachtens habe ich zu viel versucht meine Schwächen auszubessern und habe den Ausbau meiner Stärken vernachlässigt. Selbstvertrauen holt man sich aber über seine Stärken. Es wird keinen großen Wechsel geben. Ja, ich muss mehr und anders an meiner Fitness arbeiten. Meine Familie war und ist für mich in meiner gesamten Karriere wichtig, sie ist meine große Stärke. Natürlich auch Günter Kessler, ein Mann, der in 20 Jahren unserer Zusammenarbeit sehr viel richtig gemacht hat. Ich werde versuchen, ihn intensiver einzubinden.
Alles für den Erfolg…
Das ist eine Frage der Definition. Ist der Erfolg ein spezieller Sieg oder der gesamte Weg dahin? Ich habe von der Papierform eine außergewöhnliche Karriere, die daraus resultierenden Erfolge kamen für mich nicht überraschend. Erfolge muss man auch feiern können, nicht unbedingt in Clubs mit Drinks und Musik. Man muss Erfolge wertschätzen.
Die European Tour heißt fortan DP World Tour, Saudi-Arabien kommt mit Greg Norman mit einer Tour aufs Paket und Amerika steuert dagegen. Wie sehr befassen Sie sich mit diesen Neuigkeiten?
Ich finde, es ist schwierig durchzublicken. Sich damit zu intensiv zu beschäftigen, führt meines Erachtens zu einem Verlust von Energie.
Die DP World Tour Championship, das Finalturnier, war durchaus interessant. Mit Collin Morikawa, dem ersten amerikanischen Gesamtsieger, den Einladungen für Sergio Garcia und Patrick Reed. Komisch?
Das war durchaus ein Thema in der Kabine. Ich denke, es ist nicht zu viel verlangt, dass ein Spieler, der sich für die Tour entscheidet, auch die Mindestanzahl an Turnieren absolviert. Mit Morikawa hat von den Erfolgen her auch der beste Spieler gewonnen. Ich halte es für schwierig, wenn ein Spieler, der gerade mal zwei Jahre Profi ist, die Honorary Membership bekommt. Ich sehe meine lebenslange Spielberechtigung jetzt aus einer anderen Perspektive. Das zeigt, wohin die Reise geht.
Das Gespräch führte Ingo Grünpeter
Mehr über die deutschen Profis und Proetten in unserer Jahresbilanz 2021 in Ausgabe 01/22