Während die meisten Golfer versuchen, ihre Schlagzahl durch eigenes Training zu verbessern, gibt es noch eine ganz besondere, wenn auch seltene Spezies auf unseren Golfplätzen: den »gemeinen Schlägesparer« oder auch Golf-Schummler. Der Schummler kompensiert sein schlechtes Spiel nicht durch Training, denn das kostet Zeit, Mühe und Geld. Das ist dem Schlägesparer selbstverständlich nicht zuzumuten. Er setzt kurzerhand die Regeln für sich außer Kraft und schafft es mit geschickten und überaus gut eingeübten Aktionen, seinen Score stets besser zu halten als seinen Trainingsstand.
Sie erkennen den Schummler nicht von weitem? Das liegt daran, dass er sich als normaler Golfer tarnt und oft sehr nett daherkommt. Und der Normalgolfer selbst ist ja von Haus aus eine ehrliche Haut. Er hält sich an die Regeln, glaubt an das Gute im Menschen und verdächtigt niemanden. Sein ehrliches Herz vernebelt ihm dabei gelegentlich die Sinne, und so merkt er gar nicht, dass er – statt mit einem anderen Normalgolfer – mit einem Schummler auf der Runde ist.
Wäre er etwas aufmerksamer, würde er das große Geschick des Schummlers bemerken: mit einem riesigen Register an großen und kleinen Maßnahmen das eigene Ergebnis zu schönen. Und das so, dass ihm später (subjektiv) die Welt zu Füßen liegt oder er ein Handicap hat, das er wie einen richtigen Orden tragen kann. Oder dass er sogar einen Nettopreis abräumt, der eigentlich für einen ehrlichen Normalgolfer vorgesehen war.
Das 1×1 der Schummler
Der Schummler ist ein äußerst kreatives Wesen. Er macht seinen mangelnden Trainingsfleiß oder auch sein Unvermögen, den Schläger gut zu führen, mit sehr vielen alternativen Fertigkeiten mehr als wett. Das glauben Sie nicht? Dann schauen Sie sich mal das »Einmaleins der wahren Schlageinsparungen« an. In diesem Standardwerk des Schummlers findet sich alles, um den Score einfach zu verbessern:
- Gehen Sie zu Ihrem Ball im Semirough und treten Sie das Gras vor dem Ball kräftig herunter. Sie kommen dann viel besser an den Ball, denn wer will ihn schon dünn treffen? Wenden Sie diese persönliche Erleichterung am besten in Flights mit unerfahrenen Spielern an. Meist merken diese gar nichts. Falls doch Nachfragen kommen, sprechen Sie voller Inbrunst: »Ich spiele schon sehr lange Golf, ich kenne die Regeln!«. Das erstickt auch weitere Nachfragen im Keim.
- Sollte das Semirough sehr dicht sein und der Ball tief liegen, gehen Sie beherzt zum Ball und prüfen Sie, ob es Ihr eigener ist. Natürlich wissen Sie das vorher, aber wissen es die anderen? Selbstverständlich wird der tief liegende Ball jetzt oben auf die Grasspitzen gesetzt, das Ganze soll ja einen Sinn haben. Bei Nachfragen verweisen Sie auf die Regeländerungen von 2019, nach denen man den Zähler nicht mehr informieren muss, wenn man seinen eigenen Ball identifizieren will.
- Sollte der Ball im Rough verschwunden sein, machen Sie nie den Fehler, auf die Uhr zu sehen. Die 3-Minuten-Suchregel gilt sowieso nur bei vollem Golfplatz – und für alle anderen. Was, das wusste der Mitspieler nicht? Na, das teilen Sie ihm aber mit Chuzpe mit! Bälle sind schon öfters nach 6-8 Minuten wieder aufgetaucht. Und machen Sie sich bloß keinen Kopf über die wartenden Folge-Flights. Sie halten doch Anschluss – nach hinten.
- Sollte Maßnahme drei nicht helfen und der Ball tatsächlich nicht zu finden sein, so sollten Sie immer auch auf diese missliche Situation vorbereitet sein, denn einen Strafschlag nehmen Sie niemals hin. Nehmen Sie auf jeden Fall stets einen zweiten Ball von der gleichen Marke und mit der gleichen Nummer in der Hosentasche mit. Lassen Sie ihn in einem geeigneten, unbeobachteten Moment fallen und rufen Sie begeistert: »Ich hab‘ ihn!«
- Machen Sie jetzt aber nicht den Fehler, den Ball irgendwo fallen zu lassen. Suchen Sie eine Stelle, wo er gut spielbar ist und kein Baum im Weg steht. Für Fortgeschrittene: Schneiden Sie ein Loch in Ihre rechte Hosentasche. So können Sie den Ball durch das Hosenbein an die richtige Stelle gleiten lassen. Die Lage wird optimal sein und kein Mensch etwas bemerken. Einfach gut!
Lösungen für schlechte Lagen
- Gelegentlich kommt Ihnen gerechterweise aber auch das Schicksal zu Hilfe. Sie suchen Ihren Ball im tiefen Rough, finden jedoch nur einen fremden Ball. Seien Sie unbesorgt, die Mitspieler werden den Unterschied nicht bemerken. Genau diesen Ball haben Sie doch am letzten Tee aus dem Bag geholt und nun wiedergefunden, oder etwa nicht? Spielen Sie jetzt schnell weiter, nicht dass noch jemand Ihren richtigen Ball findet. Das würde das Spiel nur unnötig verzögern.
- Sollte der Ball in schlechter Lage gut sichtbar sein, funktioniert diese Technik nicht. Idealerweise fahren Sie für den nächsten kleinen Trick ein Cart, notfalls nehmen Sie Ihr Bag zur Hilfe: Da Sie die schlechte Lage natürlich sofort gesehen haben, fahren oder gehen Sie in Windeseile zu Ihrem Ball und verdecken ihn gegenüber Ihren Flight-Partnern, die aus 100 Metern Entfernung sowieso nicht viel sehen können. Dann benutzen Sie Ihr Leder-Wedge und bugsieren den Ball in die Ihnen zustehende, günstige Lage. Für Anfänger: Das Leder-Wedge ist der eigene Schuh. Er ist immer dabei und immer einsatzbereit. Doch Vorsicht: Während Ihr eigener Flight den Einsatz des Leder-Wedges nicht sehen kann, sollten Sie auf gute Tarnung zu den Nebenbahnen achten. Sonst sieht Ihnen von dort womöglich ein Normalgolfer zu, und das wäre doch gegen die Schummleretikette!
- Diese Verdecktechnik funktioniert auch in abgewandelter Form. Ihr Ball hängt in der Wand eines Steilhangs? Stellen Sie Ihr Bag strategisch gut ab und geben Sie dem Ball mit der Hand einen kleinen, aber dezidierten Stoß in die richtige Richtung. Es ist ja schon schlimm genug, dass Sie jetzt zum Grün pitchen müssen, das Schlagen in der Wand ist aber weit unter Ihren Fähigkeiten.
- Ganz Findige nutzen auch das Wetter. Ihr Ball liegt bei einem Regenspiel im ungünstigen Rough? Hüpfen Sie einfach mehrfach neben dem Ball, bis sich Wasser unter Ihren Füßen sammelt. Das ist zeitweiliges Wasser! Und was sagt die Regel dazu? Natürlich straflose Erleichterung, also ganz nach Ihrem Geschmack.
- Ihr Putten ist nur mäßig gut? Auch das ist für den echten Schlägesparer kein Grund zur Verzweiflung. Gehen Sie zu Ihrem Ball, markieren Sie ihn ganz eng am Ball. Am besten ist es, den Ballmarker ganz unter den Ball zu schieben. Sie merken, worauf ich hinaus will? Wenn Sie ein ehrlicher Normalgolfer sind, kommen Sie nie darauf. Haben Sie noch nicht bemerkt, dass niemand genau auf die Lage des Ballmarkers achtet? Das Zurücklegen des Balls an die gleiche Stelle ist für Weicheier. Bevor Sie putten, gehen Sie forsch zum Ball und legen ihn drei bis vier Zentimeter näher ans Loch. Sollte niemand zusehen, lässt sich diese Entfernung fast beliebig verkürzen. Also, nur Mut. Auf einer Runde sparen Sie so locker 50 bis 100 Zentimeter Putt-Entfernung. Alle reden vom schnellen Spiel – Sie setzen es um!
- Fortgeschrittene Schummler ergänzen diese schönen Spielverbesserungen noch mit der ultimativen Score-Verminderung: Sie zählen einfach immer einen Schlag weniger. Jeder Normalgolfer hat schon mal einen Schlag vergessen, wird sich aber sofort daran erinnern, wenn man ihn darauf aufmerksam macht, und die korrekte Schlagzahl aufschreiben. Leisten Sie sich diese Schwäche nicht! Bleiben Sie bei Ihrer Zählung und beharren Sie darauf. Ganz Erfahrene ziehen sich gleich zwei Schläge ab und geben bei Diskussionen einen zurück. Da freuen sich beide, der Zähler und der Schummler. Auch hier ein Wort der Vorsicht: Es gibt doch tatsächlich furchtbare Mitspieler, die jeden Ihrer Schläge noch im Nachhinein aufzählen können. Diese Erbsenzähler beharren möglicherweise auf der höheren, Ihnen nicht angemessenen Schlagzahl und sind lästig. Man sollte sie kennen und bei ihnen die anderen bewährten Techniken anwenden.
- Ganz Selbstbewussten bleibt es schließlich vorbehalten, die Scorekarte – nach dem Abgleich und nach der Unterschrift – vor der Abgabe im Sekretariat noch etwas aufzuhübschen. Dies kann jedoch zu unschönen Verstimmungen führen, weshalb von dieser Variante nur abgeraten werden kann, auch wenn die Versuchung immer wieder groß ist. Doch der Normalgolfer an sich ist einfach zu spießig für diesen ultimativen Trick.
Regeln »richtig« auslegen
- Sie können sich aber auch gern auf einem anderen Gebiet versuchen: Wer liest schon die Platzregeln? Kein Mensch. Also behaupten Sie einfach, dass bei der ungünstigen Lage Ihres Balls auf einer klitzekleinen, kahlen Stelle im Semirough straflose Erleichterung vorgesehen sei. Wer soll da schon widersprechen? Droppen Sie den Ball in einer für Sie angenehmen Lage und setzen Sie Ihr Spiel beschwingt fort. Aber Vorsicht: Auch dem Normalgolfer sind die Platzregeln bestenfalls rudimentär bekannt. So könnten Außenstehende bei solch einer Aktion einen Schummler vermuten, wo es sich doch nur um einen des Platzregellesens nicht mächtigen ehrlichen Normalgolfer handelt. Wollen Sie mit so einem verwechselt werden? Letztgenannten erkennt man gelegentlich an seiner schüchternen Nachfrage, ob nicht vielleicht doch jemand die Platzregeln kennt, während der Schummler hier die souveräne Selbstsicherheit ausstrahlt, die ihm eigen ist.
- Wo wir gerade bei straflosen Erleichterungen sind: Hier gibt es noch viel Spielraum für gute Ideen. Der Ball liegt auf einem Weg? Dann sollten Sie keinesfalls nach den offiziellen Regeln verfahren, sondern den Ball dort droppen, wo das Gras kurz und der Weg zum Grün offen ist. Alles andere ist Ihrer nicht würdig.
- Ihnen kommt selten mal jemand quer. Nur einige Normalgolfer kennen die Regeln tatsächlich und beharren darauf, sie richtig anzuwenden. Für diese Situationen sollten Sie gleich die richtigen Argumente parat haben. Wenn vollkommen klar ist, dass Sie tatsächlich einmal im Unrecht sind (was sehr selten passiert), dann weisen Sie darauf hin, dass die ultragenaue Anwendung von Regeln doch nur für Profis gedacht ist. Sie spielen ja schließlich nicht um eine Million Euro, wie kann man sich wegen ein paar lumpiger Regeln nur so anstellen? Mit dieser Argumentation lassen Sie den Regelpedanten gleich als uncoolen Typen dastehen. Spätestens jetzt wird er einknicken und klein beigeben. Es wäre ja auch noch schöner, wenn diese Beamtengolfer über Ihr Leben bestimmten.
Soweit mein kleiner Auszug aus dem großen Repertoire wahrer Künstler auf dem Golfplatz. Sie haben da allerdings Bedenken? Weil Sie gehört haben, dass doch sehr viele Schummler entdeckt werden? Dass viele der genannten Tricks bekannt sind und man darüber spricht? Und, vor allem, dass über entdeckte Schummler geredet wird und sie dann gemieden werden? Dass niemand gern mit diesen Leuten spielt?
Gut so, dann bleiben Sie sich treu! Sie gehören einfach nicht zur Familie der Schummler, das ist nicht Ihre Natur. Sie haben nur ein Problem: Wenn Sie auf einen aus dieser Spezies treffen und ihn bei seinen Taten beobachten, dann fragen Sie sich, was zu tun ist. Das ist eine unangenehme Situation. Doch zu schweigen und wegzusehen, ist jedenfalls nicht die richtige Strategie. Zumindest bei Turnieren sollten Sie klar und bestimmt auf den Regelverstoß hinweisen und die Turnierleitung informieren, wenn Sie selbst keine Klärung herbeiführen können. Der Schummler soll wissen, dass er beobachtet wird und dass er durch seine Handlungen zur unbeliebten Person wird. Ob er daraus lernt, kann ich Ihnen aber auch nicht sagen…
Prof. Dr. Norbert Albers
abseits des Golfplatzes als Kinderarzt aktiv, ist Regelexperte und Vorsitzender des Handicap-Ausschusses im Osnabrücker Golf Club. Über die von ihm hier humoristisch dargestellten »Tipps« zur Ergebnisverbesserung sagt er: »Die von mir beschriebenen Situationen habe ich alle schon selbst erlebt, das ist nicht aus den Fingern gesogen – leider…«.