Oben im Clubhaus ist an diesem Regentag pure Lebensfreude spürbar, und die hat wenig mit Golf zu tun. Gleich hinter der Treppe, die in den ersten Stock führt, steht ein Billardtisch, auf dem ein paar Jugendliche die Kugeln über das grüne Tuch stoßen. Im angrenzenden Raum wird intensiv Tischtennis gespielt, und hinter der Tür dahinter findet ein Kurs statt, der nach Stretching aussieht. Nur das kleine Fitnesscenter sowie der Bereich, in dem ein paar Löcher im
Boden zu finden sind, um putten zu üben, sind verwaist.
Ein Hauch von Fürst Bismarck in Seddin
Die Seddiner haben in ihrem Club auch dann viel Spaß, wenn es einmal nicht um Golf geht. Wenn, zum Beispiel, draußen die Fairways nach lang andauernden Niederschlägen durchnässt sind und nur wenige Golfer darin eine Verlockung sehen, sich einen Schnupfen durch eine Runde über einen der beiden Plätze zu holen.
Seddin zählt zu den wenigen Clubs in Deutschland, bei denen dem Gast schon am Empfang dämmert, dass hier offenbar alles auf einem gehobenen Niveau abläuft. Vieles sieht so aus wie in renommierten Country Clubs in den USA. Das fängt schon beim Teppich an, der im Frühjahr neu verlegt wurde und so dick ist wie sonst nur in Fünf-Sterne-Hotels. Und es setzt sich fort mit den Saunen in den Umkleidebereichen für Damen und Herren. Kommt man von dort zurück, um im Restaurant auszuruhen, passieren die Mitglieder verschiedene Ehrentafeln. Auf einer ist die Abfolge der Präsidenten ablesbar. Und an oberster Position ist hier Ferdinand Fürst von Bismarck vermerkt, der Ur-Enkel des ersten deutschen Reichskanzlers, Otto von Bismarck.
Ferdinand Fürst von Bismarck wollte als Gründungspräsident nicht nur ein außergewöhnliches Golfangebot schaffen, sondern als Investor mit Partnern die Randbereiche der Plätze für Immobilien nutzen. Aber wie bei so vielen Anlagen, die nach der Wende um Berlin entstanden sind, erfüllten sich die Träume von guten Geschäften mit Golfplätzen eher nicht. Die Gewinner sind bis heute Berlins Golfer und Gäste der Anlagen, die meist auf außergewöhnlich guten Kursen mit ihren Schlägern unterwegs sein dürfen.
Seddiner See gilt als Deutschlands beste Anlage
Wer Anfang der 90er Jahre in der Umgebung der deutschen Hauptstadt Geld in den Bau von Golfanlagen investierte, wollte sich nicht selten ein Denkmal setzen. In der Euphorie von damals waren die Kosten fast schon egal. Auch auf der Anlage des Fürsten von Bismarck, die nur knapp eine halbe Stunde vom Kudamm entfernt liegt, war das so.
Der Golf- und Country Club Seddiner See wird von Experten und Golf-Korrespondenten häufig als die Nummer eins unter Deutschlands Anlagen gesehen – und dafür gibt es gute Gründe. Es begann 1996 mit der Eröffnung des Nordplatzes, den Rainer Preißmann entwickelt hat. Nur ein Jahr später wurden dann das üppige Clubhaus und das Meisterwerk von Trent Jones jr. in Betrieb genommen. Beide Plätze wurden mit etwa der gleichen Anzahl von Sandhindernissen verbarrikadiert. Auf dem Nordkurs dürfen Golfer 96 Bunker bestaunen und zu umspielen versuchen, auf dem Südplatz 84.
Der Unterschied besteht darin, dass die Fläche der Sandlöcher auf dem Platz des Amerikaners mit 16.527 Quadratmetern etwa viermal so groß ist wie bei seinem Kollegen aus Deutschland (4.665 Quadratmeter). Wer also auf dem Südplatz spielt, sollte schon wissen, wie man den Ball aus dem körnigen Untergrund bugsiert.
Die Bunker prägen hier das Bild. Sie sind nicht nur Hindernisse, sondern auch stilbildend. Wie Ikonen traditioneller Kurs-Architektur dürften sie so manchen Golfer einschüchtern. Tatsächlich sind sie aber weniger spielentscheidend als das unangenehme Rough neben den Spielbahnen und die großen, oft pfeilschnellen Grüns.
Unangenehmes Rough…
Inzwischen gilt der lange unterbewertete Nordplatz im Golf- und Country Club Seddiner See als perfekter Gegenentwurf zum Trent Jones-Teil. Grüns und Bunker sind kleiner, der Kurs ist verwinkelter und liegt nicht ganz ganz so offen wie der Südplatz.
Bis zu 30 Greenkeeper kümmern sich während der Saison um die Plätze; ein enorm kostspieliger Aufwand. „Würden wir es anders machen und Mitarbeiter einsparen, würden wir spätestens mittelfristig Probleme bekommen“, sagt Horst Schubert, der als Manager und AG-Vorstand seit 2000 die Anlage führt. Denn auf dem Südplatz geht es nicht nur um die Größe der Fläche, die zu bearbeiten ist, sondern um die Pflege besonders empfindlicher Agrostis-Gräser, die mehr vertikutiert und aerifiziert sowie gesandet werden müssen als die Halme anderer Plätze. Bei den Gräsern sei es ähnlich wie mit den Menschen: „Die Pflege kann noch so gründlich sein, man kann nie sicher sein, dennoch eine Grippe zu bekommen“, sagt Schubert.
Wer also Lust hat darauf, auf einem Kurs zu spielen wie ihn die Pros der PGA European Tour gewohnt sind, sollte unbedingt einen Stopp in Seddin einplanen. Höhepunkte der Runde auf dem Südplatz sind die Löcher 9 und 18, die sich auf einem riesigen Doppelgrün vereinigen. An der 18 (ein Par 4) ist mit dem zweiten Schlag seitlich links ein See zu überspielen. Mehr Stress geht fast nicht zum Finale, vor allem im Zählspiel. Wer diese Hürde übersteht, hat guten Grund, mit einem Lächeln von dannen zu ziehen.
Davongezogen ist unterdessen längst auch der Fürst von Bismarck mit seinen Partnern. Kürzlich hat er sein Haus nahe der zweiten Bahn des Nordplatzes verkauft. Schon im Dezember 2000 hatten sich bereits seine geschäftlichen Ambitionen erledigt, als die Anlage vor der Insolvenz stand. Seitdem gehören die insgesamt 185 Hektar plus Clubhaus den Mitgliedern. Und die haben ihren Spaß, auch deshalb, weil es ihrem Club auch wirtschaftlich ausgesprochen gut geht.