Manchmal kommen wir zum Clubtest auch öffentlich. Essen, Hauptbahnhof. Zentrum und erster Anlaufpunkt der Kulturhauptstadt-Region Ruhrgebiet 2010. Stellt man sich schön, sortiert, in jedem Fall weltoffen vor. Das Einzige, das hier wirklich offen ist, ist der Bahnhofvorplatz. Eine Monsterbaustelle! Hier werden die Fahrstreifen aufgerissen, und es sieht nicht danach aus, als würden sie irgendwann fertig. Jedenfalls nicht mehr im Kulturjahr. Bodenlos.
Ein paar Kilometer südlich (rund 25 Euro mit dem Taxi) hat das mit den Planungen und Arbeiten weit besser geklappt. Im Golf Club Essen-Heidhausen sind sie fertig geworden. Pünktlich zum 40-jährigen Bestehen haben sie sich eine komplette Renovierung gegönnt, mit moderner Bewässerungsanlage und rund 50 neuen Bunkern, die mit ihrem hellen Sand schon zum neuen Markenzeichen geworden sind. Verantwortlich fürs Lifting war Architekt Christoph Städler; für das Ausgangsprodukt kein Geringerer als Donald Harradine. Dessen Company baute in den 60er- und 70er-Jahren in Deutschland Plätze wie im Rausch: Garmisch, Göttingen, Regensburg, Saarbrücken, St. Eurach, Bayerwald, Konstanz und eben Essen-Heidhausen.
Christoph Städler, inzwischen selbst ein Großer im Golfgewerbe, zeigt Respekt vor der Arbeit des Altmeisters in Essen: Wir wollten den Charakter des Platzes bewahren, haben ihn aber in einen zeitgemäßen Zustand gebracht. Die Bunker waren nicht mehr da, wo sie aufgrund der größeren Schlaglängen hingehören. Und sie waren zu beliebig in ihrer Form und Umsetzung. Das haben wir geändert, denn Bunker sind nicht nur ein spielerisches und strategisches Element, sondern auch ein optisches.
Weiße Bunker als neues Markenzeichen
So schön und einladend die neuen Sandkisten auch sind, so hat Städler häufig eine kleine grüne Schneise gelassen, durch die auch Hacker die Bälle aufs Grün toppen können. Städler: Ein zu schwerer Platz macht keinen Sinn. Wenn viele Mitglieder nicht mehr als 150 Meter carry schaffen, sollte man ihnen keinen noch längeren Teich vor den Abschlag setzen. Deshalb rutschten die Abschläge an der Essener 15 weiter nach vorn; das macht die Bahn nicht schlechter, sondern fairer. Gerade hier im lauschigsten Teil der Anlage, entspannt das die Runde und Laune deutlich.
Wer ungehindert bolzen will, ist auf den zum Teil filigran geführten Bahnen in Essen-Heidhausen ohnehin falsch. Die Driving Range ist mit gut 200 Metern lang genug für 80 Prozent aller Spieler, kommt bei den jungen Wilden aber nicht mehr mit, deren Monsterdrives in den hohen Fangzäunen landen. Deshalb kommt auch der Club bei den Talenten irgendwann nicht mehr mit, die dann von Hubbelrath oder anderen potenten Clubs der Region abgeworben werden. Manfred Tiegelkamp, der Präsident in Essen, sieht das realistisch: Dagegen können wir nichts machen. Für entsprechende Trainingsbedingungen fehlt uns einfach der Platz. Wir können aber so attraktiv bleiben, dass unsere Talente später gern wieder zurückkommen.
Tiegelkamp ist Notar und Anwalt, einer der bekanntesten der Region. Schon in den 70er-Jahren hat er sich im Rahmen des Bundesliga-Skandals mit dem DFB angelegt; bald will er es etwas ruhiger angehen lassen. Klingt gut, widerspricht aber seinem Naturell, denn Tiegelkamp ist das, was man neudeutsch einen Netzwerker nennt. Bei ihm läuft viel zusammen: Wir sind ein Club mit sehr rührigen und einsatzfreudigen Mitgliedern. Man muss manchmal nur die richtigen Leute fragen.
Tiegelkamps Philosophie ist die des Clubs oder ist die des Clubs die von Tiegelkamp, der das Amt seit 2006 führt? Und wie ist die Philosophie nun? Elegant, aber nicht überdreht. Sportlich, aber nicht auf der Jagd nach Olympia-Normen. Auf Etikette achtend, aber mit familiärer Note. Das passt und kommt auch bei Tagesgästen, die wir im Rahmen unserer Clubtests immer mal unauffällig ausquetschen, positiv rüber.
Geld haben sie in Essen genug, dass sie die Umbauten nicht aus der Porto-, aber aus der Clubkasse gezahlt haben. Nicht nach langem Zaudern, sondern, so Tiegelkamp, immer gleich, wenn die Leistung unstrittig war. Das klingt nach Anwalt, gefällt den Auftragnehmern und eröffnet die Chance auf ein ordentliches Skonto.
Absclag auf 202 Metern Höhe
Die deutlichste Neuerung erfuhr die 6. Bahn des Platzes, der wie die Region Hespertal heißt. Der Abschlag liegt auf 202 Metern Höhe, wie eine Metallplatte verrät auf dem höchsten Punkt des Essener Stadtgebiets. Von dort geht es 339 Meter zügig bergab auf ein Grün, das nun von zwei Teichen bewacht wird. Sehr modern.
In ein paar Jahren, wenn wieder genug Bares in der Clubkasse liegt, sollen die Grüns unters große Messer. Die sind zwar noch ordentlich, aber von der Zusammensetzung der Gräser nach 40 Jahren schon ziemlich bunt echte Muli-Kulti-Grüns und deshalb nicht immer berechenbar. Die Hespertal-Runde endet mit einem Par 3 eine Tatsache, die Puristen den Zorn ins Hirn treibt. Doch gemach: Dieses Par 3 am Abend direkt in der tiefstehenden Sonne ist ein Highlight. Die meisten werden zufrieden sein, wenn sie mit einer 4 vom Grün kommen.
Hauptsache, sie kommen überhaupt. Vielleicht erst im nächsten Jahr, wenn die letzten Narben des Umbaus verwachsen sind. Dann sind auch die Bauarbeiten am Essener Hauptbahnhof vorbei. Das Kulturjahr aber auch.
Infos GC Essen-Heidhausen
Adresse: Preutenborbeckstr. 36, 45239 Essen
Tel. + Fax: 0201/40 41 11 & 0201/40 27 67
E-Mail: info@.gceh.de
Gründungsjahr: 1970
Platz: 27 Löcher, die sich wie folgt aufteilen:
Hespertal (Kurse A + B): 18 Löcher, Par 72.
Damen (rot): 5.135 Meter; CR 73,4; SR 133.
Herren (gelb): 5.877 Meter; CR 72,1; SR 135.
Schauinsland (C): 9 Löcher, Par 64.
Damen: 3.648 Meter; CR 63,6; SR 113.
Herren: 4.132 Meter; CR 62,9; SR 119.
Architekten: Donald Harradine. Zuletzt vom Designer-Team um Christoph Städler feinfühlig modernisiert.
Greenfee 18 Löcher: 50 (in der Woche). Wochenende/Feiertage nur in Begleitung eines Mitglieds für 40 .
Gastronomie: Gerd Dimsat führt das Restaurant seit über 20 Jahren; wer sich bei der anspruchsvollen Klientel so lange hält, muss gut sein. Die Speisekarte ist übersichtlich, mit saisonalen, lokalen und internationalen Spezialitäten (Sizilianische Cassata auf Himbeermark). Das Ambiente gutbürgerlich, große Terrasse. Weitgerühmt sind Dimsats Geflügelkreationen zur Weihnachtszeit.
GOLFmagazin-Bewertung (Platznote doppelt gewichtet)
Platz: 4 (Bälle) Clubhaus: 4 Service: 5 Gastronomie: 5
Gesamt: 4,5
www.gceh.de
Dezent gestaltete Homepage mit weit verzweigten Informationsebenen.
Unter der Rubrik Platz kann man das Birdiebook online studieren, sich gut auf die Runde vorbereiten.
Aktuelle Infos über Platzsperren, Turnier- & Clubnews (30 % im Pro-Shop).
Startzeiten online (noch) nicht buchbar.
Schulnote: gut