Lizenz zur Länge
Es geht weiter als je zuvor mit den Eisen – die Bälle fliegen und fliegen, und das mit einem Aufwand, der sich mehr denn je in Grenzen hält. Das zumindest ist unser Eindruck von den Testmodellen, die wir unter die Lupe nahmen. Warum das so ist, erfahren Sie in unserem Eisen Test 2021.
Schwer dürfte in diesem Jahr die Wahl eines spielunterstützenden Eisensatzes werden. Warum? Die Frage ist schnell beantwortet – die von uns getesteten Sätze sind durch die Bank richtig gut. Deshalb taten sich auch die Tester schwer, einen klaren Favoriten zu finden – schon gar nicht gab’s einen Satz, der deutlich abfiel. Auch wenn wir gerne einen gemeinsamen Liebling gefunden hätten – es ließ sich einfach nicht darstellen. Also gilt einmal mehr der Hinweis, dass Sie vor der Anschaffung eines neuen Satzes unbedingt testen sollten.
Legen Sie für sich fest, auf was es für Sie ankommt. Was fehlt Ihrem Spiel, wonach suchen Sie? Ist es primär die Schlaglänge, die Sie verbessern möchten? Fliegt der Ball regelmäßig zu flach, treffen Sie ihn zu inkonstant? Zusammen mit einem guten Fitter finden Sie die richtige Kombination von Schlägerkopf und Schaft und können dadurch jeden Bereich Ihres Spiels optimieren, im besten Fall sogar bisherige Schwächen zu Stärken wandeln. Wünschen Sie sich mehr Spielkomfort? Vielleicht sind Ihre Eisen zu schwer. Auch ein anderes Griffmodell kann manchmal Wunder bewirken. Und welche Rolle spielt für Sie der Look Ihrer Eisen? Es gibt ja nicht Wenige, die sich nicht an Schläger trauen, die Ihnen optisch nicht gefallen. Gerade hier lohnt es sich aber, mehr auf die nüchternen Fakten zu blicken, als das Aussehen in den Vordergrund zu rücken.
Uns ist bewusst, dass viele Golfer die Driver am spannendsten finden. Doch schaut man sich die jüngere Entwicklung im Schlägerbau genauer an, wird deutlich, dass die Fortschritte in der Konstruktion von Eisen beeindruckender sind. Das gilt im Besonderen für mehrteilige Eisen im Game-Improvement-Segment, und diese haben wir getestet.
Multi-Material – das neue Normal
In den 1970er-Jahren wurde das Angebot von schmalen, einteiligen und schwer zu spielenden Köpfen aus geschmiedetem Stahl – genannt Blades – um die Bauform der Cavity Backs erweitert. Diese meist gegossenen, ebenfalls einteiligen Köpfe zeichneten sich durch ihre leichtere Spielbarkeit aufgrund von Perimeter-Gewichtung aus. Damals ein großer Fortschritt. Bei diesen beiden Grundformen blieb es viele Jahre lang. Heute sind einteilige Eisen fast verschwunden, Hohlkörperkonstruktionen sind auf dem Vormarsch, Schlagflächen-Einsätze mit variabler Dicke der Normalfall. Selbst in den von Tour-Pros genutzten Modellen stecken oft zumindest Wolframgewichte. Bei den Eisen, die wir im Test vorstellen, kommt noch eine ganze Menge mehr hinzu. Wie wäre es mit Karbonfaser-Inserts und 3D-gedruckten Nylonmedaillons (zu finden in den Cobra Radspeed Eisen). Oder thermoplastisches Gummi (TaylorMade SIM2 Max) und Urethan-Mikrosphären (Callaway Apex DCB).
Keine Show – Mittel zum Zweck
All das, die Einarbeitung von Kunststoffen wie auch die Kombination verschiedener Metalle unterschiedlichen Gewichts, ist kein Selbstzweck. Denn in der Entwicklung von Eisen für eine möglichst breite Zielgruppe stehen zwei Ziele im Vordergrund: Maximale Schlaglängen und höchstmögliche Fehlertoleranz. Für mehr Länge braucht es vor allem mehr Ballgeschwindigkeit. Die lässt sich über stärkere Lofts und eine hohe Schlagflächen-Biegsamkeit erreichen. Die Fehlertoleranz ist ein Ergebnis des Trägheitsmoments (MOI) und der Größe des Schlagflächenbereichs, der besonders biegsam ist. Der notwendigen hohen Biegsamkeit stehen Stabilität und Steifigkeit entgegen, die an bestimmten Positionen des Schlägerkopfs auch gewährleistet sein müssen, damit die Biegung der Schlagfläche auch in eine effektive Energieübertragung auf den Ball mündet und das Schlaggefühl angenehm ist. Für das Gefühl ist wiederum der Klang wesentlich.
Vor einigen Jahren hatten die Schlägerbauer zwar bereits verstanden, wie sie dünne, »schnelle« Schlagflächen für Geschwindigkeitszuwächse nutzen können. Doch war das Klang- und Gefühlserlebnis für den Golfer dabei so erquicklich, wie mit einem Eisen gegen einen Backstein zu hauen. Also wurden die Hersteller kreativ und entwickelten ausgeklügelte Dämpfungssysteme zum Sound- und Feel-Tuning, die die gewünschte Schlagflächenbiegung im Impact nicht behindern. Ein niedriger Gewichtsschwerpunkt (CG) ist ebenso wichtig, denn was nützen schneller fliegende Bälle, wenn sie keine ausreichende Höhe erreichen?
Starke Lofts – Schummelei oder Segen?
In unserem Eisen Test haben wir jeweils die Werte für 6er-Eisen aufgezeichnet. Der klassische Loftbereich für ein Eisen 6 liegt bei 32 bis 30 Grad; bei den von uns getesteten Modellen sind es 26,5 bis 24 Grad; das ist nach traditionellen Maßstäben ein Eisen 4! Wie kann das sein? Nun, einfach gesagt, Länge verkauft sich! Doch ganz so simpel ist es nicht. Fragt man die Hersteller, hört man, dass ihre modernen Konstruktionen mit klassischen Lofts viel zu hohe Ballflüge zur Folge hätten, nicht zuletzt, wegen der extrem tiefen Schwerpunktzentren. Die Wahrheit dürfte irgendwo in der Mitte liegen. Und ehrlich gesagt, sollte die Ziffer, die auf ein Eisen gedruckt wird, nicht überbewertet werden. Bei der Zusammenstellung eines Schlägersatzes geht es um Längenabdeckung und Vielseitigkeit; jeder der zulässigen 14 Schläger muss eine Funktion erfüllen. Angesichts der beschriebenen Loft-Entwicklung sollte für viele Golfer das Eisen 6 das längste in der Tasche sein. Für Lofts unterhalb von 24-25 Grad gibt es mit Hybrids und Fairway-Hölzern (Holz 7 oder 9) Alternativen, die erfolgsversprechender und in der Regel einfacher zu spielen sind. Denn selbst mit allen Technologien der Welt: Ab einem bestimmten (Loft-)Bereich werden Eisen für durchschnittliche Golfer immer schwer zu spielen – und das muss ja nicht sein.
Das sagen die Tester
Ingo Grünpeter
In der Gesamtbetrachtung ist der Taylor Made SIM2 Max in allen Bereichen eine Waffe. Die weiteren Plätze? Kaum einzuord- nen, weil die Qualität insgesamt sehr überzeugt hat. Wilson hat mit dem D9 nahtlos an die Performance der tollen Vorgängermo- delle angeschlossen und der Callaway Apex DCB ist vom Gefühl her eine Sahneschnitte.
Philipp von Schönborn
Favoriten? Wirklich schwer, die zu finden, denn unsere Testschläger waren alle richtig gut. Also kommt es auf die persönlichen Vorlieben an. Wichtig für mich sind hoher Komfort, ein schönes Gefühl im Treffmoment und eine gelungene Optik. Legt man dies zugrunde, landet Taylor Made vorn. Auf den weiteren Plätzen folgen der wirklich hübsche JPX921-Satz von Mizuno und dann die Eisen von Ping. Auch wenn das Gefühl hier ein wenig auf der Strecke bleibt, sind Fehlertoleranz und Spielbarkeit hoch.
Benedikt Aidelsburger
Die Hersteller haben uns vor eine große Aufgabe gestellt. Nicht, weil die Eisen so schwer zu spielen waren, nein, weil alle Top-Material geliefert haben und daher die Favoriten-Wahl extrem schwer fällt! Wirklich leicht und komfortabel zu spielen waren die Eisen von Wilson. Callaway punktet durch guten Komfort und ein sehr gutes Gefühl im Treffmoment. Und die beste Optik gepaart mit guten Spieleigenschaften liefert Mizuno. Aber: Es sind nur Nuancen und sicherlich eigene Befindlichkeiten, die hier den Ausschlag geben.
Unser Fazit
Die diesjährige Eisengeneration ist technologisch beeindruckend und optisch bestens gelungen. Schick, gut zu spielen und dann auch noch richtig lang. Was will man mehr?