Platz da, die Kordas kommen!
Die Schwestern Jessica und Nelly Korda gehören zu den besten Spielerinnen der LPGA Tour. Sind es die guten Gene der Eltern?
Beginnen wir mit dem Papa. Petr Korda feierte bei den Australian Open 1998 seinen einzigen Grand-Slam-Titel und rückte auf Platz zwei der Weltrangliste vor. Vielen Sportinteressierten ist Petr Korda deswegen vertraut, weil er etwa zeitgleich mit Boris Becker auf den Bildschirmen aufschlug und returnierte, und damals hat ganz Deutschland jeden Ballwechsel geschaut, der auf den wenigen Kanälen übertragen wurde.
Für alle, die Boris Becker nur noch aus Bild und Bunte kennen, weil er wieder mal irgendeinen Sorgerechtsstreit oder Insolvenzverfahren an der Backe hat: Boris Becker war so eine Art Bryson DeChambeau, ein echter Haudrauf, der sensationell und mit ungewöhnlichen, nie zuvor gesehenen Mitteln (»Becker-Hecht!«) große Turniere gewann, darunter als jüngster, erster ungesetzter und erster deutscher Spieler Wimbledon. Was würden wir darum geben, heute einen golfenden Boris Becker zu haben!
Petr Korda tat den bestmöglichen Schritt, den er in den Neunzigerjahren gehen konnte: Er siedelte in die USA über und nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Dieser Schritt sorgte dafür, dass seine Kinder in Florida im perfekten sportlichen Umfeld groß werden konnten.
Übrigens tat auch Landsmann Ivan Lendl samt Familie exakt diesen Schritt, und es ist eine kleine Ironie, dass Lendl der viel größere Superstar war (94 Einzeltitel, darunter acht Grand Slams, 270 Wochen auf Platz eins der Weltrangliste) und seine fünf Töchter ebenfalls mit aller Macht auf den LPGA-Turnieren sehen wollte – doch deren Durchbruch blieb im Gegensatz zu den Korda-Girls bislang aus; Tochter Daniela ist inzwischen Golfcoach an der Uni Denver. Während Ivan Lendl einst Petr Korda viel Rampenlicht wegnahm, hat in der aktuellen Generation Familie Korda deutlich die Nase vorn.
Unterschlagen wir nicht Regina Rajchrtova, Jessicas und Nellys Mutter. Denn mag sie auch kein Tennis-Superstar gewesen sein wie ihr Mann, kam sie doch immerhin auf Rang 26 der Weltrangliste, holte sich zwei Einzeltitel und vertrat Tschechien bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul.
Väter und Kinder, Brüder und Schwestern
Natürlich gibt es erfolgreiche Elternteil-Kind-Duos, im Golf wie in anderen Sportarten – und auch sportartenübergreifend. Es sind eben doch die Gene, die viel von unserem Bewegungstalent bestimmen (auch wenn es gerade modern ist, das Gegenteil zu behaupten). Und nicht zu vergessen: Ein Kind eines Golfers ist seit frühester Kindheit in der Golfwelt und auf den Plätzen daheim – ein Startvorteil. Bekannte Vater-Sohn-Gespanne sind Craig und Kevin Stadler, Jay und Bill Haas, Davis Love Junior und Davis Love III. Dennoch ist es ganz selten, dass zwei Generationen zur Weltspitze gehören.
Stefan Langer, wenngleich ein guter Golfer, wollte nie den Schritt auf die großen Touren versuchen (es blieb bei einer Wildcard für die KLM Open 2007 auf der European Tour, bei der er Runden von 98 und 91 ablieferte), Gary Nicklaus schaffte es sogar auf die PGA Tour, verlor einmal im Stechen gegen Phil Mickelson, aber zog sich bald vom Turniergeschehen zurück. Das Kind eines Spitzensportlers wächst so behütet und wohlhabend auf, dass ihm bei allem Talent oft der nötige Biss fehlt, ganz nach oben zu kommen.
Wer den Auftritt (und den fantastischen Schwung) von Tiger Woods’ elfjährigem Sohn Charlie bei der PNC Championship 2020 gesehen hat, dem wird klar: Daraus könnte ebenfalls etwas ganz Besonderes entstehen. Doch wer weiß schon, was in den nächsten zehn Jahren mit Charlie passiert, welche Interessen er verfolgt, ob er Golf mit 15 nicht langweilig findet?
Die Kordas dagegen liefern – der Vater, die Mutter, die beiden Töchter und auch Sohn Sebastian, das jüngste der drei Kinder. Sebastian hat sich allerdings für Tennis entschieden und hat, 20-jährig, gerade im Februar sein erstes ATP-Finale erreicht.
Aber es ist ja nicht nur die erstaunliche generationenübergreifende Erfolgsgeschichte, sondern auch der Gleichschritt zweier Geschwister. Gemeinsam nach ganz oben – das ist selten. Im Golf haben das zuletzt annähernd Francesco und Edoardo Molinari geschafft, obwohl sie nie zugleich unter den besten 20 Spielern der Welt waren wie die Kordas. Auch Chase Koepka hat noch viel Wegstrecke vor sich, um Bruder Brooks zu erreichen. Nur die Sörenstam-Schwestern dürften einem Vergleich mit den Kordas nahe kommen: Annikas Schwester Charlotta war eine sehr gute Golferin mit immerhin einem Sieg auf der LPGA Tour, und beide Sörenstams waren die ersten Schwestern, die beide über eine Million Dollar Preisgeld verdienten. Dennoch blieb Charlotta weit hinter Annikas Erfolgsserie zurück. Es bleibt dabei: Nur die Kordas teilen sich die Siege – noch – geschwisterlich auf.
Durchbruch Down Under
»Mein Vater dachte immer, Golf sei ein Rentnersport«, berichtet Jessica. »Bis er selbst begann zu spielen.« Das Aufwachsen in einer so sportlichen Familie war sicher spaßig: »Wir haben alle möglichen Sportarten ausprobiert«, erzählt Nelly. »Als Jess es dann ernst nahm mit dem Golf, habe ich auch angefangen, Unterricht zu nehmen, drei Mal pro Woche.« Und Jessica ergänzt: »Ich war den ganzen Tag auf dem Platz, und Nelly war dabei, aber sie war ja erst sechs – also mussten wir ihr was zu tun geben.« Was sie von ihren sportlichen Eltern gelernt haben? »Perfektion gibt es nicht. Man kann immer besser werden, aber man muss Fehler akzeptieren.«
Dass da etwas Großes aus der Familie Korda kommen würde, war Beobachtern spätestens im Jahr 2008 klar. Jessica Korda trat als 15-Jährige bei der US Open an und kam sensationell auf den 19. Rang – mit Vater Petr als Caddie. Ihren ersten Turniersieg sicherte sie sich 2012 bei der Women’s Australian Open in einem brutalen 6-Spielerinnen-Stechen. Australian Open, da war doch was? Richtig, auch der Papa feierte bei den Australian Open 1998 seinen größten Erfolg. Und Sohn Sebastian holte sich 2018 den Juniorentitel bei den Australian Open, wiederum im Tennis. Die Kordas und Australien, das ist eine geradezu magische Verbindung, wie wir gleich noch sehen werden. Und: Klar, dass Jessica und Sebastian mit dem legendären Scherensprung feierten, den ihr Vater nach dem Sieg bei den Australian Open zeigte und der eine Art familiäres Markenzeichen ist.
Was den Genen hilft: Alle Kordas sind richtig großgewachsen. Schon Petr ist mit 1,93 Metern ein echter Lulatsch und war größer als Boris Becker, Ivan Lendl oder Mats Wilander. Sohn Sebastian kommt auf 1,96 Meter, Nelly und Jessica Korda sind knapp 1,80 Meter groß – im heutigen Powergolf und -tennis ein Vorteil.
Jessica gewann bislang fünf weitere Turniere, darunter zuletzt das Tournament of Champions 2021, erneut im Playoff. Neben ihrer spielerischen Qualität scheint sie Nerven aus Stahl zu haben. In jedem der fünf Damen-Majors schaffte sie es bereits unter die ersten Acht – der finale Major-Triumph scheint nur eine Frage der Zeit zu sein.
Nelly Korda, mit 22 fünf Jahre jünger als ihre Schwester, sorgte ebenfalls bei der US Women’s Open für Schlagzeilen: 2013 schaffte sie als 14-Jährige den Cut. Ihren ersten Turniersieg holte sie sich 2018 und ihren zweiten Titel – wen wundert’s – 2019 ebenfalls bei der Women’s Australian Open. Damit wurde der »Korda-Slam« perfekt. Und natürlich fügte sich auch Nelly der Familientradition und sprang in der vorgegebenen Choreografie in die Luft. Es folgten zwei weitere Titel, darunter ein Playoff-Sieg bei der Taiwan Swinging Skirts gegen die Deutsche Caroline Masson. Wie ihre Schwester liebt sie die ganz große Bühne und kann bei den Major-Turnieren einen zweiten und einen dritten Platz vorweisen.
»Wir spielen Proberunden gemeinsam, aber wir sehen uns nicht als Kontrahentinnen, obwohl viele Leute genau das haben wollen«, sagt Jessica. »Unsere Eltern erinnern uns immer daran, dass du nur gegen den Platz spielst«, weiß Nelly. Die Schwestern verstehen sich gut, was bei ihrem furchteinflößenden Auftritt im letzten Solheim Cup deutlich wurde: 2019 spielten sie zwei Foursomes gemeinsam und deklassierten die Gegnerinnen 6&4 und 6&5. Die beiden stärksten Spielerinnen in Team USA hießen am Ende Jessica und Nelly Korda mit 3,5 von 4 gewonnenen Punkten.
Die Frage für die nächsten Monate und Jahre scheint zu sein: Welcher Schwester gelingt zuerst der ganz große Major-Coup?
Petr Korda
Geboren am 23.1.1968
Sportart: Tennis
Erfolge: Sieger Australian Open Einzel und Doppel, Finalist French Open, Nummer 2 der Weltrangliste, zehn Einzel-Titel, zehn Doppel-Titel
Regina Rajchrtova-Korda
Geboren am 5.2.1968
Sportart: Tennis
Erfolge: zwei Einzel- und drei Doppeltitel, Viertelfinale French Open im Doppel, Nummer 26 der Welt, Olympische Spiele in Seoul 1988
Jessica Korda
Geboren am 27.2.1993
Sportart: Golf
Erfolge: sechs Turniersiege, sechs Top-Acht-Platzierungen bei den Majors Weltranglistenplatz: 17
Nelly Korda
Geboren am 28.7.1998
Sportart: Golf
Erfolge: vier Turniersiege, ein zweiter und ein dritter Platz bei den Majors
Weltranglistenplatz: 3
Sebastian Korda
Geboren am 5.7.2000
Sportart: Tennis
Erfolge: Juniorensieger Australian Open, Achtelfinale French Open 2020, Finalist beim ATP-Turnier in Delray Beach 2021