GOLFMEDICO: Herr Scheuch, hinsichtlich der Golfplätze gab es während der Lockdowns große Verwirrung. Einige Bundesländer hielten diese unter Auflagen geöffnet, während andere, wie Schleswig-Holstein und Bayern, die Anlagen rigoros schlossen. Die Golfer reagierten mit Verständnis auf die Schließung von Umkleidekabinen, sanitären Einrichtungen und Clubgastronomie, jedoch nicht auf das Verbot, den Sport auszuüben. Teilen Sie diese Meinung?
Gerhard Scheuch: Ich teile diese Meinung uneingeschränkt, zumal es Unsinn ist, eine parkähnliche Anlage zu schließen, auf der sich 36 Menschen auf durchschnittlich 60 ha aufhalten. Wenn ich es richtig verstanden habe, durften jeweils zwei Golfer pro Loch starten, dabei ist selbst diese Beschränkung kaum nachvollziehbar.
GOLFMEDICO: Unter welchen Umständen wäre es aus Sicht einer Aerosole-Übertragung gefährlich, den Golfsport zu betreiben?
Gerhard Scheuch: Die Möglichkeit einer Übertragung beim Golfsport sehe ich als noch viel geringer an als die generell niedrige Wahrscheinlichkeit einer Infektion im Freien. Gleiches gilt für das Joggen, Spazierengehen, Wandern, Skifahren, Rodeln oder was auch immer – da wird Ihnen nichts passieren. Der Außenbereich wird nur dann gefährlich, wenn Sie sehr lange sehr eng mit einer Person zusammenstehen und sich unterhalten. Dann stehen Sie direkt in der Aerosolwolke des Gegenübers und können sich über eine längere Zeit anstecken. Da wäre es eventuell sinnvoll, eine Maske zu tragen oder sich im Spazierengehen nebeneinander zu unterhalten, sodass man sich nicht vis-à-vis gegenübersteht. Ansonsten ist die Ansteckungsgefahr im Freien gleich null.
GOLFMEDICO: Wie sieht es in Innenräumen aus?
Gerhard Scheuch: Die Übertragung des Virus ist in der Tat ein Innenraum-Problem, weil sich die Menschen in Innenräumen anstecken. Kollegen aus China haben Ergebnisse hierzu bereits im letzten Frühjahr nach einer großen Untersuchung veröffentlicht. Dabei wurden über 7.000 Infektionen nachverfolgt, von denen lediglich eine einzige im Freien stattfand. Der Kollege aus China schrieb damals, dass die Transmission, sprich die Übertragung von Viren von einer Person zur anderen, ein Innenraum-Problem sei. Das war der Augenblick, in dem mir klar wurde, dass die Aerosole eine Schlüsselrolle einnehmen.
GOLFMEDICO: Wie kann man eine Infektionsgefahr im Innenraum mit Zahlen untermauern?
Gerhard Scheuch: So genau steht das noch nicht fest. Man geht derzeit davon aus, dass man zwischen 400 und 3.000 Viren einatmen muss, um sich zu infizieren. Es gab in China eine Untersuchung, bei die Anzahl der Virenlast vor dem Mund von infizierten Personen gemessen wurde. Ein Proband hat dabei 400.000 Viren pro Minute ausgeatmet. Das war eine Einzelbeobachtung. Es wurde dabei auch festgestellt, dass 75 Prozent der Infizierten wiederum überhaupt keine Viren ausatmen. Das deckt sich übrigens mit den epidemiologischen Befunden, dass 75 Prozent der Infizierten niemanden anstecken. Bei einem 400.000-Viren-Emitter sieht das natürlich anders aus. Da haben Sie als Infizierter einen Raum relativ schnell verseucht! Wenn anschließend jemand diesen Raum betritt, reicht sicherlich nur eine Minute aus, um sich zu infizieren.
GOLFMEDICO: Also muss gar kein direkter Kontakt stattfinden?
Gerhard Scheuch: Richtig. Wenn ich im Büro sitze und vier Stunden arbeite, habe ich ungefähr 100 Millionen Viren in den Raum geatmet. Gehe ich anschließend nach Hause und zwei Stunden später betritt jemand mein Büro und atmet nur zehnmal ein und aus, dann ist er bereits infiziert. Für eine Infektion bedarf es also keinen direkten Kontakt. Das ist sicherlich nicht die Regel, aber solche Infektionen finden statt. Und passen Sie in schlecht belüfteten Toiletten und Aufzügen auf: Berichten zufolge haben sich beispielsweise Menschen in einem Aufzug angesteckt, der vorher von einem Infizierten genutzt wurde. Buchen Sie daher in Hotels derzeitig lieber erdgeschossnahe Zimmer und nehmen Sie die Treppe (lacht).
GOLFMEDICO: Das ist eh gesünder. Herr Scheuch, wir danken Ihnen für das kurze Interview.
Das Gespräch führte Antonio Marin.