2019 erschien Rick Reillys »Commander in Cheat – How Golf explains Trump« auf dem internationalen Buchmarkt. Ein gewagter Titel, bedenkt man, dass »commander in chief« oberster Befehlshaber bedeutet und laut dieses Buchtitels kein geringerer als der Präsident der Vereinigten Staaten ein Meister in Sachen Golf-Betrügereien sein soll. Bei Hoffmann und Campe unterschien unter dem Titel »Der Mann, der nicht verlieren kann« die deutsche Übersetzung. Mehr zum Buch am Ende dieses Artikels.
Interview mit Trump-Buch-Autor Rick Reilly
Rick Reilly (63) ist ein bekannter US-amerikanischer Sportjournalist und Autor von elf Büchern, wie beispielsweise »Tiger, meet my sister… and other things I probably shouldn’t have said« (2014), »Shanks for Nothing« (2006) oder »Who’s Your Caddy« (2003), in dem Donald Trump schon eine Rolle spielte. Reilly schreibt für die Sports Illustrated und arbeitet für die TV-Sender ESPN und ABC Sports. Bereits elf Mal wurde zum NSSA National Sportswriter of the Year ausgezeichnet.
Das Exklusiv-Interview fand am 28. Januar 2021 am Englischer Sprache statt.
Golf Magazin: Mr, Reilly, was geschah, als Ihr Buch auf den Markt kam? Das Thema war ja schon etwas delikat.
Rick Reilly: (schmunzelt) Pünktlich zur Veröffentlichung habe ich meine Ehefrau für eine Woche in den Urlaub geschickt. Ich ahnte, dass es unschön werden könnte. Es gab auch diverse Drohungen, aber zum Glück ist nichts passiert. Nachdem das Buch publiziert war, fingen Leute an, mich anzuschreiben, mir Mails und Textnachrichten zu schicken und mich anzurufen. Selbst unterwegs musste ich mein Autofenster herunterfahren, da man mir Geschichten erzählen wollen; Geschichten darüber wie Trump bescheißt. Daher erhielt die zweite Auflage im Paperback ein zusätzliches Kapitel mit diesen unfassbaren Anekdoten – alle mit Namen der Zeitzeugen versehen. [Anmerkung der Redaktion: Die deutsche Übersetzung umfasst dieses zusätzliche Kapitel mit dem Titel »Nachwort«]. Eine der Geschichten in diesem ergänzten Kapitel ist über den Caddie-Master in Trump Bedminster, der tausend lange Grüne Tees kaufen musste. Als ich ihn fragte, wozu das gut sein sollte, antwortete er mir: »Die sind für die Caddies, wenn er [Trump] ins Rough oder hohe Gras schlägt. Dann wird der Ball aufgeteet.« Alles klar, denke ich mir da. Das ist ja wohl alles, aber nicht regelkonform.
Sie schreiben Golf sei »in allererster Linie ein Sport für die Schönen, die Reichen und die ganz schön Reichen«. Sehen Sie so den Golfsport?
(lacht) Nein! Mir fällt das nur immer wieder bei TV-Übertragungen auf. Dort werden Produkte präsentiert, die sich ausschließlich reiche Leute leisten können. Aber auch Menschen der Arbeiterklasse interessieren sich für Golf! Doch müssen die am Wochenende meist arbeiten und können nicht vorm Fernseher sitzen. Damit wären wir bei Donald Trump: (Stimme wird lauter) Trump ist der Meinung, Golf solle einer exklusiven Elite vorbehalten sein, die sich Mitgliedschaften in Privatclubs leisten kann. Das ist »Bullshit«. Golf bedeutet auch, für 35 Dollar vier Stunden mit seinen Kumpels über einen Platz zu gehen, dabei Vögel und Bäume zu beobachten und ein paar Bierchen zu genießen. Wer meint, golfen sollte nur eine finanzstarke Elite, dem antworte ich: »Screw you!«.
Donald Trump hat dem Golfsport also einen erheblichen Imageschaden zugefügt?
Oh ja! Da ist ein großer orangefarbener Schandfleck auf meinem geliebten Sport. Trump spielt fast ausschließlich auf seinen eigenen, mit goldenen Toiletten ausgestatteten, Plätzen – hinter geschlossenen überdimensionalen massiven Eingangspforten. Seine Mitspieler sind überwiegend reiche, weiße Männer. Cart-Fahrer Trump pfeift dabei auf Etikette, spielt ungefragt bei Vor-Flights durch und parkt auf dem Grün. (Stimme wird höher) Dank Trump glauben nun viele: Das sei Golf! Dabei war Golf gerade für Jedermann populär geworden – mit Spielern wie Tiger, Rory und Jason Day. Nun haben wir diesen großen, fetten Idealisten, der den Golfsport in eine Art Geheimbund verwandelt, zu dem nur Zutritt hat, wer jährlich mindestens eine Million Dollar scheffelt. Durch Trumps Handeln hat sich das Image des Golfsports um 25, wenn nicht sogar 40 Jahre zurückentwickelt. Das ist so schrecklich. Ich verachte das so sehr.
Haben Sie damit gerechnet, dass Twitter den Account von Donald Trump löschen würde?
(mit ruhiger hoffnungsvoller Stimme) Ich habe darum gebetet. Ich habe davon geträumt. Jetzt bin ich glücklich und dankbar, dass Twitter Trump die Möglichkeit genommen hat, weiter Lügen in die Welt zu setzen. Es fühlt sich an, als würde da ein Löwe herumliegen, der keine Zähne mehr hat. Und es ist so schön, mir keine Lügen mehr von diesem Typen anhören zu müssen. Bei 30.000 hörte es auf mit den Lügen; zukünftig höre ich hoffentlich nichts mehr von ihm. Ich hatte ja immer den leisen Hoffnungsschimmer, dass er mal einen Tweet über mein Buch absetzen würde – dann hätte ich mir ein neues Auto kaufen oder in die Karibik fliegen können. Mal ehrlich, der Typ tweetet über alles. Aber über mein Buch ist er auf Twitter nichts losgeworden. Möglicher Grund dafür: Dummerweise ist einer meiner Kumpels auch ein Kumpel von Trump. Tja und dieser Buddy von mir hat Trump gewarnt und gesagt: »Fang bloß keinen Twitter-Krieg mit Reilly an – den verlierst Du nämlich.« Für die Aktion habe ich meinem Kumpel einen ordentlichen Rüffel erteilt – »Wer hat Dich gefragt? Halt doch einfach mal die Klappe«. Natürlich wollte ich darüber tweeten, Trump aber nicht. Und auch auf meine Wette ist er nicht eingegangen.
Sie wollten mit dem Präsidenten eine Wette abschließen? Aber in Ihrem Buch wurde doch deutlich, dass Donald Trump Mittel und Wege kennt, auf dem Golfplatz immer zu gewinnen.
Ja. Ich hatte Trump eine Wette über 100.000 Dollar angeboten, auch um die Betrügereien seines Fabel-Handicaps von 2,8 auffliegen zu lassen. Er hätte mit seiner Spielvorgabe gegen mich und mein 6er-Handicap antreten können. Aber er wollte nicht. So konnte ich ihn nie, mit all den Dingen, die ich herausgefunden habe, konfrontieren.
Einige berühmte Athleten haben ja mit Donald Trump mal eine Runde Golf gespielt. Aktuell steht Quaterback Tom Brady in der Kritik, der es gewagt hat mit Trump Golf zu spielen – vor Jahren und sogar vor dessen Präsidentschaftskandidatur. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?
In einigen Fällen ist es in der Tat nicht ganz fair, alte Geschichten aus den Annalen zu ziehen. Bei Tom Brady beispielsweise liegt es so: Er spielte damals noch für die New England Patriots und der Eigentümer dieses Vereins, Robert Kraft, ist ein überzeugter Republikaner. Und durch ihn spielten dann er, Trump, Belichick [Anmerkung der Redaktion: Trainer New England Patriots] und Brady in einem Flight. Und auch ich muss zugeben: Es bringt Spaß, mit Trump zu spielen. Es ist zwar kein Golf, was er da betreibt – er betrügt, niemand beendet die Bahn mit einem finalen Putt, man muss drei-, viermal durch andere Spielgruppen spielen und ist binnen drei Stunden mit der Runde fertig. Ich kann nicht sagen, was das für eine Art Spielt ist, das man da gespielt hat (dehnt die Wörter nachdenklich). Vielleicht soetwas wie: »Lass uns etwas Verrücktes spielen, bei dem Trump gewinnt.« – Denn er nimmt mindestens sieben Mulligans. Für mich war das damals okay, der Typ war zu der Zeit noch nicht einmal Präsidentschaftskandidat. Aber wenn man sieht, was dieser Mann dem Land antut, zweijährige Kinder von ihren Müttern trennt, Mexikaner als Vergewaltiger tituliert, mit den USA aus internationalen Abkommen austritt, die die Welt retten könnten und jedes Mal lügt, sobald er seinen Mund öffnet… Da kann man mir sagen, was man will. Aber ich werde nicht verstehen, wie man mit so einem Typen Golf spielen kann. Und dabei zeugt er gegenüber dem eigenen Polit-Konstrukt keinerlei Respekt. Das Weiße Haus bezeichnet Trump als »Müllhalde«, er macht sich über seine Unterstützer lustig, möchte Leute einfach wegsperren, und so weiter. Ich verurteile Brady nicht, mit Trump Golf gespielt hat; hätten er hingegen mit Trump als Präsident Golf gespielt, würde ich ihn verachten, aber das ist meines Erachtens bei Brady nicht der Fall – auch nicht bei Belichick.
Auch Prominente aus der Golf-Szene verkehren mit Donald Trump. So designte Tiger Woods den Platz des Trump World Golf Club in Dubai und wurde 2019 von Trump mit der »Medal of Freedom« ausgezeichnet. Hätte Woods ablehnen sollen?
Definitiv ja. Tiger Woods ist Gründer der Tiger Woods Foundation, die sich bei der Finanzierung der Ausbildung benachteiligter Kinder aus Immigrantenfamilien stark engagiert. Einerseits möchte sich für Afro-Amerikanische und Latino-Kinder einsetzen und andererseits unterstützt er einen Präsidenten der sagt, diese Menschen hätten keinerlei Anspruch auf medizinische Versorgung und der erst recht nicht glaubt, dass es diesen Kindern gestattet sein sollte, Golf zu spielen, wenn sie nicht mindestens jährlich eine Millionen Dollar verdienen.
Ginge es nach Donald Trump, gäbe es nur noch private Country Clubs – eine Tragödie für den Golfsport?
Allerdings! Dann hätte Tiger Woods niemals Golf spielen gelernt. Und auch Arnold Palmer und Seve Ballesteros wären ohne öffentlichen Golfanlagen keine Berühmtheiten geworden. Denn Trumps Vision: Golf nur für die Leute, die eine Millionen Dollar im Jahr verdienen und sich den privaten Luxusverein leisten können. Tiger sollte sich so was von schämen, diese Auszeichnung angenommen zu haben [Original: »Screw Tiger Woods for taking this Award«]. Und übrigens ist diese »Medal of Freedom« mittlerweile über und über mit Blut befleckt. Vielleicht gibt’s dafür auf Ebay noch 7 Cent.
Also sind Sie auch enttäuscht von Annika Sörenstam und Gary Player?
Selbstverständlich! Wie soll ich mir die Auszeichnung denn vorstellen? Einen Tag nachdem das Kapitel erstürmt wurde – mussten sie da über die Leichen steigen, um geehrt zu werden? Oh man, Gary… ausgerecht der, der sich sonst so fürsorglich für junge Leute einsetzt und diesen hilft. Wie soll man da die Botschaft an die junge Bevölkerung verstehen? Unterstützt einen Tyrannen, der Aufstände anzettelt? Das Blut war noch nicht einmal getrocknet. Hoffentlich blieb nichts an den schicken FootJoy-Schuhen kleben.
Früher zog Trump über Obamas Viel-Golferei öffentlich her; kaum an der Macht nahm sich Trump bereits in seinem ersten Dienstjahr 111 Urlaubstage – und verbrachte ein Drittel seiner Amtszeit auf seinen Golfanwesen und verprasste dabei über 75 Millionen Dollar Steuergelder. Wie kommt es, dass ein Präsident, um den sich so viele erschreckende Geschichten ranken immer noch viele Unterstützer hat?
Hey, ich weiß es doch nicht. Ich weiß es nicht. (grübelnd) Ich denke, ein Grund sind auch die Technologien– das Internet. Wir alle leben in einer Art Getreidespeicher, einer langen, hohen Röhre. Und dann lassen wir kleine Mengen an Information in unseren Getreidespeicher hereintröpfeln und gehen dabei sehr selektiv vor. Einige Leute gestatten es eben nur den Lügenmärchen, in den Getreidespeicher zu kommen – und so erfahren sie eben nicht die Wahrheit. Es ist ein Rätsel, wie man diesen Menschen unterstützen kann. Bei Trump verhält es sich wie mit Gebrauchtwagenhändlern – sobald sich die Lippen von Gebrauchtwagenhändlern bewegen, kommen nur Lügen heraus. Alles, was er sagt, ist eine Lüge und er kann damit nicht aufhören.
In Ihrem Buch schreiben berichten Sie von dem Maler Juan Carlos Enriques, der die Malerarbeiten in Doral erledigt hatte, um seine Abschlusszahlung von 30.000 Dollar geprellt wurde und jahrelang gegen Trump prozessierte – und gewann. Interessanter Weise in der Zwischenzeit aber tatsächlich Trump gewählt hatte. Wer macht so etwas? Gegen jemanden prozessieren, aber diese Person zum Präsidenten wählen?
Keine Ahnung, wie man einen Mann wählen kann, dessen Ehrlichkeits-Gen ihm offensichtlich schon in Kindheitstagen entfernt wurde. Alle gaben mir auf meine Frage dieselbe Antwort: »Ich mag die Steuersenkung«.
Selbst die PGA of America hat Konsequenzen gezogen hat und Bethpage wird nicht mehr Austragungsort der PGA Championship 2022 sein. Wie stehen die Chancen für andere Trump-Plätze? Kann beispielsweise die Open Championship jemals wieder in Turnberry ausgetragen werden, solange dieser schottische Traditionsclub Trump gehört?
(optimistisch) Oh ja. Definitiv. Denn Trump wird Turnberry bald verkaufen müssen. Er hat Geldprobleme. Privat 420 Millionen und im Namen seiner Firma 800 Millionen Schulden. Daher wird er einen Teil seiner Immobilien verkaufen müssen – vielleicht Doral, vielleicht Turnberry. Und sobald Turnberry verkauft hat, kann dort auch die Open wieder ausgespielt werden. Turnberry ist der einzige Platz in Trump-Besitz, den ich wirklich liebe. Die anderen Plätze hingegen protzen viel zu sehr mit ihren pompösen Gold-Elementen im Clubhaus, den Trump-typischen Wasserfällen und diesen total künstlich aufgebauschten und völlig unnatürlichen Plätzen. Schrecklich.
Was sind die Besonderheiten an Bedminster?
Bis auf Turnberry ist keiner der Trump-Plätze besonders oder irgendwie schön – es muss ja auch einen Grund haben, weshalb keiner seiner Plätze zu den Top-Adresse in Amerika gehört. Zur Anlage in Bedminster gehören zwei 18-Löcher-Plätze. Um auf das Gelände zu kommen, muss man eine total überzogene und völlig ausladende Auffahrt hochfahren, die ganz klar eins signalisiert: »Keep out«. Als Trump noch nicht Präsident war, betrug die Aufnahmegebühr in Bedminster 200.000 Dollar; als Regent des Landes hob er die Aufnahmegebühr kurzer Hand an, auf 300.000 an.
Aktuell ist die Situation in Amerika hinsichtlich Trump schon sehr ergreifend …
Ja. (spricht schneller). Wenn der Präsident via Twitter Lügen verbreitet, Aufstände anzettelt und dabei dann Menschen umkommen, Menschen, die nicht nur deine politischen Gegner sind, sondern die dich auch möchte, dann hast du ein Problem. Wie wir in Amerika sagen: »Du hast das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber du kannst nicht in volle Theater gehen und laut ‚Feuer‘ schreien.« Es gibt eine Grenze, eine feine Linie bezüglich dessen, was du sagen kannst und der Typ hat diese Grenze überschritten, er hat diese Linie bespuckt, getreten, verbogen, um mindestens ein Par 5 überschritten – also hat er es so was von verdient, dass ihm Twitter weggenommen wurde.
Mr. Reilly, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview genommen haben.
Das Golf-Buch zu Donald Trump
Rick Reilly: »Der Mann der nicht verlieren kann« (Original: »Commander in Cheat«)
Verlag: Hoffmann und Campe, 287 Seiten
ISBN: 978-3-455-00959-0
Preis: 18 Euro (Paperback)
Rick Reillys Buch »Der Mann, der nicht verlieren kann« lüftet mit sprachlicher Süffisanz delikate Details über die (Golf)-Machenschaften des ehemaligen Präsidenten der USA. Diese Übersetzung steht dem US-amerikanischen Original sprachlich ins nichts nach. Mit Witz, Esprit und dabei ohne den moralischen Zeigefinger zu heben, erfährt der Leser delikate Details über die (Golf)-Machenschaften des ehemaligen Präsidenten der USA:
Erfahren Sie, wie und zu welchen Summen Donald Trump seine weltweit 19 Golfanlagen (vier davon als Betreiber) erworben hat; wieso Trumps 18 Clubmeisterschaftstitel »noch verlogener sind als Analogkäse«; weshalb einige seiner Anlagen in einem anderen Bundesstaat liegen, als ihr pompös klingender Name impliziert; wo das majestätisch anmutende Trump-Logo, das die meisten Anlagen ziert, geklaut wurde; warum Trumps Caddies stets lange grüne Tees griffbereit haben müssen; wie Trump, seit seiner Geburt durchschnittlich über 50 Gerichtsprozesse pro Jahr (!!!) führen kann; und viele weitere unfassbare Geschichten.
All dieser Machenschaften zum Trotz gilt Trump unter Tour-Profis als unterhaltsamer Mitspieler – wäre er nicht ausgerechnet der POTUS (gewesen). Wer Lust hat, zum Staunen und Trump etwas mehr verstehen möchte, sollte unbedingt dieses Buch lesen.