Ein Dreier-Gespräch mit Dr. Erich Rembeck und PD Dr. Patrick Weber
In einer überalternden Gesellschaft wird er noch spürbarer – der Schmerz, den bereits jeder Zweite über 65 Jahren in den Gelenken kennt. Er verursacht Schwierigkeiten beim Aufstehen und verhindert bequeme Sitzpositionen.
Auch jüngere Menschen leiden oftmals unter dem Verschleiß, zumal dieser bereits ab dem 30. Lebensjahr beginnt. Wir unterhalten uns mit zwei der führenden Spezialisten auf dem Gebiet über mögliche Ursachen, Behandlungsarten und neueste Erkenntnisse.?
Herr Dr. Rembeck, für uns Laien mit einfachen Worten: Was genau ist eigentlich Arthrose?
Dr. Rembeck: In jedem Gelenk überzieht der Knorpel als sehr glatte und weiche Schicht den Knochen, sodass eine Pufferfunktion zwischen den Gelenkpartnern entsteht. Im Laufe der Jahre wird der Knorpel in unterschiedlichem Ausmaß abgenutzt. Dies bezeichnet man als Arthrose. Als Folge entsteht eine Entzündung der Gelenkschleimhaut. All dies führt zu Schmerzen. Im Endstadium ist der Knochen unter dem Knorpel mitbetroffen und das Gelenk verliert zunehmend seine Funktion. Ist ein Knorpel einmal abgenutzt, kann er leider nicht mehr nachwachsen.
Sie haben allerlei Erfahrung mit Sportlern, die auf dem Höhepunkt ihrer Karriere sind. Bei denen würde man Arthrose am wenigsten vermuten. Wie oft sind jüngere Menschen betroffen?
Dr. Rembeck: Gerade bei Leistungssportlern ist die Belastung der Gelenke extrem. Hinzu kommen Verletzungen wie Kreuzbandrupturen oder Gelenkfrakturen. Dadurch besteht ein höheres Risiko für eine frühzeitige Erkrankung an Arthrose. Über die letzten Jahre hat man herausgefunden, dass bei Leistungssportlern im Wachstumsschub ein Fehlstellung im Hüftbereich entstehen kann. Dadurch bildet sich ein Überstand von Knochen am Oberschenkel, der bei jeder Bewegung an die Gelenkpfanne stößt und den Knorpel schädigen kann. Bei allen positiven Aspekten des Sports treten bei Leistungssportlern häufiger schon in jungen Jahren Vorstufen der Arthrose auf als bei weniger sportlich aktiven Gleichaltrigen.
Mit zunehmendem Alter sind ja weniger Verletzungen, sondern eher Verschleiß die Hauptursache. Herr Dr. Weber, kennen Sie auch hier einige Fallzahlen, wie sich die Überalterung der Gesellschaft in den letzten Jahren auf das Krankheitsbild Arthrose ausgewirkt hat?
PD Dr. Weber: In der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen wird bei 20 Prozent der Männer eine eindeutige Arthrose diagnostiziert, wobei das rechte Kniegelenk etwas häufiger betroffen ist, und bei ca. 24 Prozent der Frauen. Bei den über 70-Jährigen steigt die Zahl auf über 40 Prozent, die an Arthrose im Knie (Gonarthrose) leiden. Nicht alle Patienten haben dabei Beschwerden, die zu einer relevanten Einschränkung führen. Wenn Sie aber die aktuelle Bevölkerungspyramide und die Lebenserwartung betrachten, wird die Notwendigkeit der Arthrosebehandlung weiter steigen.
Gibt es bestimmte Fallzahlen zu den verschiedenen Körperbereichen, in denen sich Arthrose bildet? Wo kommt Arthrose am häufigsten vor?
Dr. Rembeck: Die Arthrose bildet sich in allen Gelenken. Im Knie- und Hüftbereich, wo die Belastung stärker ist als auf den Gelenken der oberen Extremität, zeigt sich die Symptomatik am häufigsten und am frühesten.
Wie diagnostiziert man Arthrose denn am sichersten?
PD Dr. Weber: Die Diagnose wird durch eine Kombination aus den Angaben des Patienten, der Untersuchung des Gelenks und einer bildgebenden Diagnostik gestellt. Dabei ist das Röntgenbild in der Regel ausreichend, häufig wird aber noch eine Kernspintomografie angefertigt, um das genaue Ausmaß der Arthrose und der Knochenüberlastung festzustellen.
Wenn die Diagnose steht, wie kann man den Betroffenen am besten helfen? Also gibt es heutzutage die Möglichkeit, mit richtiger Behandlung wieder schmerzfrei zu werden? Wir fragen, weil der Golfer ja eher dazu neigt, sich vor jeder Runde zwei Schmerztabletten einzuwerfen…
Beginnen wir mit den konservativen Therapien. Ist gezielte Physiotherapie das Mittel der Wahl? Was empfehlen Sie exakt?
Dr. Rembeck: Bei der konservativen Therapie steht die Krankengymnastik mit Kräftigung und Dehnung der gelenkumgreifenden Muskulatur im Vordergrund. Sportliche Betätigung mit wenig Gelenkbelastung, wie Schwimmen, Fahrradfahren oder Walken, ist ergänzend sehr sinnvoll, solange dies im schmerzfreien Bereich möglich ist. Sogenannte Stop-and-Go-Sportarten, wie Fußball, Tennis oder Basketball, sind dann hingegen nicht mehr zu empfehlen. In den Anfangsstadien sind auch die Spritzen ins Gelenk mit Hyaluronsäure sehr effektiv. Hochkarätige wissenschaftliche Studien haben eine anhaltende Schmerzreduktion durch diese Spritzen im Vergleich zu einem Placebo (Kochsalzeinspritzung) gezeigt. Wichtig ist aber die chemische Zusammensetzung der Hyaluronsäure, sprich das sogenannte Molekulargewicht, welches hoch sein sollte. Die Hyaluronsäure kann den noch vorhandenen Knorpel kräftigen und die Zusammensetzung der Gelenkflüssigkeit verbessern. Neuer Knorpel entsteht dadurch aber nicht.
Wie sieht es mit Ernährungsgewohnheiten aus? Spielen diese eine Rolle?
Dr. Rembeck: Es gibt keine eindeutigen Hinweise, dass eine bestimmte Ernährung die Entstehung oder das Fortschreiten der Arthrose verhindern oder im Gegensatz dazu beschleunigen kann. Gerade im Bereich des Kniegelenks ist es aber erwiesen, dass Übergewicht das Entstehen einer Arthrose begünstigt. Andersherum kann eine Gewichtsreduktion bei vorhandener Arthrose die Beschwerden nachgewiesenermaßen reduzieren und da zählt jedes Kilo!
Man liest auch immer mehr zum Thema »Nahrungsergänzungsmittel«. Dort spielt Glucosamin eine Rolle. Was ist hier der aktuelle Kenntnisstand?
Dr. Rembeck: Bezüglich der Nahrungsergänzungsmittel ist für das Glucosamin und das Chondroitin erwiesen, dass bei einem gewissen Anteil der Patienten die Schmerzen dadurch vermindert werden können. Wichtig ist aber eine ausreichende Dosierung. Für die Effektivität anderer angebotenen Nahrungsergänzungsmittel gibt es keinen wissenschaftlichen Nachweis.
Wenn das Kind nun im Brunnen liegt und quälende Schmerzen nicht mehr tolerabel sind, entscheiden sich viele Patienten doch zu operativen Lösungen. Können Sie uns hier einen Überblick über die möglichen chirurgischen Behandlungsformen geben?
PD Dr. Weber: Beginnend mit der am wenigsten invasiven Methode – der Arthroskopie. Rein zur Behandlung der Arthrose kann diese nicht viel bewirken. Es kommt aber häufig zu akuten Einrissen des Meniskus, sodass dieser als Folge einklemmt. Eine arthroskopische Entfernung des eingerissenen Anteils des Meniskus kann die Schmerzen deutlich lindern.
Bei begrenzten Knorpelschäden können durch das Öffnen von Knochen unter dem fehlenden Knorpel Stammzellen in das Gelenk gelangen, welche dann eine Art Ersatzknorpel in diesem Bereich bilden. Diese sogenannte Mikrofrakturierung ist bei größeren Schäden jedoch nicht mehr effektiv.
Bei einer O- oder X-Bein-Stellung besteht eine vermehrte Belastung des inneren oder äußeren Gelenkanteils, verbunden mit der Gefahr einer verfrühten Arthrose in dieser Körperregion. In den Anfangsstadien kann ein kontrollierter Knochenbruch mit anschließender Fixierung in einer geraden Position mittels einer Platte die Belastung besser verteilen. Durch diese Umstellungsoperation kann das Fortschreiten einer Arthrose verhindert werden.
Im Hüftbereich ist es nach neueren Studien erwiesen, dass ein knöcherner Überstand, ein sogenanntes Impingement, zu einer verfrühten Arthrose (Coxarthrose) führen kann. Das Abtragen dieses Überstandes durch eine Hüftarthroskopie kann das Voranschreiten der Arthrose verlangsamen oder eventuell ganz verhindern. Sollte sich die Arthrose dennoch fortentwickeln, ist operativ ein künstlicher Gelenkersatz angezeigt. Dieser lässt sich so muskelschonend einbauen, dass die Patienten am Tag der Operation selbstständig aufstehen können. Im Bereich des Hüftgelenks haben wir mit der AMIS-Methode eine Behandlungsform, mit der die Patienten deutlich schneller wieder auf den Beinen sind. Der künstliche Gelenkersatz hat eine Erfolgsrate von ca. 97 Prozent. Im Kniebereich ist die Erfolgsrate nicht ganz so hoch. Wir führen seit einigen Jahren aber einen individualisierten Ersatz vom Kniegelenk durch, der an die Anatomie des einzelnen Patienten angepasst wird. Dadurch erreichen wir auch hier, dass die Behandelten zügig genesen und nur noch selten Beschwerden haben.
Was ist eine Knorpelzelltransplantation? Diese wird nach unserem Wissensstand gerade im Kniebereich recht erfolgreich eingesetzt, ist das korrekt?
Dr. Rembeck: Bei der Knorpelzelltransplantation werden Knorpelzellen an einer unbelasteten Stelle des Kniegelenks arthroskopisch entnommen. Diese werden über sechs Wochen im Labor gezüchtet und anschließend wieder arthroskopisch in dem Bereich des Knorpelschadens am Knie eingesetzt. Die neuen gesunden Knorpelzellen wachsen in den Defekt und entwickeln sich nach und nach wieder zu einem stabilen Knorpel. Diese Therapie ist jedoch nur bei begrenzten Knorpelschäden von wenigen Quadratzentimetern erfolgreich, bei größeren Schäden des Knorpels hilft sie nicht optimal.
Wir danken für das informative
Gespräch!