Ein Gespräch mit Dr. Georgios Kolios über medizinische Notwendigkeiten und die Erhöhung des Wohlbefindens.
Die Plastische Chirurgie und Ästhetische Medizin bietet umfangreiche Therapieoptionen für medizinische Notwendigkeiten aber auch Bedürfnisse, die das individuelle Wohlbefinden erhöhen. Allgemein steht sie in Verdacht, die Medizin der Reichen und Schönen zu sein. Wie medizinisch wichtig dieses Berufsbild ist, wird uns dann bei dem Gespräch mit Dr. Georgios Kolios aus der Hamburger Fleetinselklinik bewusst.
Herr Dr. Kolios, die Plastische Chirurgie wird im Volksmund allgemein als die Medizin der Reichen und Schönen bezeichnet, wie können Sie uns aus dieser Schublade herausholen?
Die Plastische Chirurgie hat mehrere Säulen und ist reicht in der Geschichte weit zurück. Es gibt Aufzeichnungen eines indischen Chirurgen aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Dieser nahm bereits damals Nasenkorrekturen vor – eine Operation, die man auch an ägyptischen Mumien entdeckte. Auch das Anlegen von Segelohren ist eine weit zurück reichende, ästhetische Operation.
Es geht aber vor allem darum, dass man rekonstruktive und ästhetische Chirurgie als zusammengehörig betrachtet. Man möchte bei medizinischen Eingriffen wie bspw. Krebsoperationen oder Unfällen, den vorherigen Zustand wiederherstellen. Ähnlich ist es bei der rein ästhetischen Chirurgie, auch diese ist eine Form der Rekonstruktion – die Jugend soll wiederhergestellt werden.
Lassen Sie uns gleich bei der Rekonstruktion bleiben. Welche sind dabei die häufigsten Operationen, die Sie durchführen?
Bei mir sind es die Rekonstruktionen des Gesichts und der Brust. Diese kommen relativ häufig vor, zumal es sich häufig um tumorindizierte Rekonstruktionen handelt. Auch Unfälle spielen hier eine große Rolle. Diese Operationen sind sehr komplex, wir entnehmen und formen Gewebe aus anderen Regionen, arbeiten mit Haut-/Weichteil und Knochentransplantaten und realisieren mikro-chirurgische Nerven-/ und Gefäßtransplantationen – alles in allem die hohe Kunst der filigranen Chirurgie unter dem Op-Mikroskop.
Es ist dabei wichtig, in der Ausbildung und beruflichen Erfahrung das Handwerkszeug für kleine, feine Strukturen in Gesicht und der Anatomie der Brust zu besitzen – Verständnis und Aspekt spielen hier zusammen, zumal es immer um geometrische Formungen und nervliche Funktionalität geht.
Sie waren bereits in Australien und Amerika tätig, haben sie schon einmal bei spektakulären Operationen wie bspw. kompletten Gesichtstransplantationen mitgewirkt?
Was im Leben eines Gesichtschirurgen gar nicht so selten vorkommt, sind bösartige Tumore, die bis zum Gehirn durchdringen. Da operiert man dann 20 Stunden lang mit Spezialisten aus dem HNO-Bereich und Neurochirurgen zusammen. Man »arbeitet« sich dann Schicht für Schicht durch das Gesicht und schaut wer sich um welche Strukturen kümmert. Das ganze immer unter der Vorgabe, nach der OP so natürlich wie vorher auszusehen. In diesem Bereich unterrichte ich mittlerweile selbst.
Die Schnittmengen in der rekonstruktiven und ästhetischen Chirurgie sind das Wichtigste – ich kann nicht müde werden dies zu betonen! Übrigens sind diese spektakulären Fälle zwar sehr interessant, aber emotional ist es schöner, einem Menschen, der nicht mehr lächeln kann, durch Eingriffe, in denen wir Nerven und Muskeln neu verlegen, wieder zu einem Lachen zu verhelfen. Das sind die wirklich besonderen Momente.
Aber auch die Transformation des alternden Gesichtes in ein jüngeres Erscheinungsbild durch ein Facelift ist ein faszinierender Aspekt der Gesichtschirurgie.
Leider gibt es keinen Qualitätsmarker, der gut oder schlecht in der Medizin bewertet.
Auf Ihrer Internetseite konnten wir lesen, dass Sie auch auf »Nabelbrüche- Rektusdiastase- der sog. Schwangerschaftsbauch« spezialisiert sind. Was genau ist überhaupt eine Rektusdiastase, die wie ein Schwangerschaftsbauch aussieht?
Das ist eine massive Erschlaffung der Bauchwand, die oft nach Schwangerschaften auftritt, sich aber nicht zurückbildet. Die gerade Bauchmuskulatur weicht dabei quasi auseinander und es entsteht ein sogenannter »Trommelbauch« – man sieht auch Monate nach der Geburt aus, als wäre man schwanger, was die Mütter natürlich sehr belastet.
Der Eingriff umfasst dann mehrere Stufen der Rekonstruktion innerhalb der Buachwand. Der Abschluss der Operation ist eine Bauchdeckenstraffung, also wieder ein klassisch ästhetischer Eingriff. Wir nennen diese OP »Hybrid-OP«, weil dort zwei unterschiedliche Fakultäten und Operateure zusammenkommen. Die Klinik Fleetinsel ist Kooperationspartner des Hanse Hernien Zentrums in Hamburg und haben eine der höchsten Fallzahlen bundesweit. Wir setzen mittlerweile Standards in diesem Gebiet und haben viele Techniken wie z.B. die Rekonstruktion des Bauchnabels weiterentwickelt und publiziert.
Ist das Berufsbild des Plastischen Chirurgen eigentlich ein geschütztes Berufsbild? Uns ist in Erinnerung, dass ein berühmter Münchener »Schönheitschirurg« HNO-Arzt war…
Ja, das ist er. Ich habe den Plastischen Chirurgen sechs Jahre lang erlernt. Es ist übrigens der einzige Facharzt, der eine ästhetische Ausbildung beinhaltet. Die Gesichtschirurgie war dann die zusätzliche Spezialisierung. Meine Auslandsaufenthalte habe ich dann bewusst gewählt, weil es in Deutschland relativ schwierig ist, eine fundierte Ausbildung in Gesichtschirurgie zu erhalten. Ich kenne niedergelassene Kollegen, die einmal im Berufsleben eine komplexe Gesichts-Operation realisiert haben, sich dann aber »Gesichtsspezialisten« nennen dürfen. Es gibt dafür keinen Qualifikationsschutz. Ebenso darf sich dann jeder HNO-Arzt »Schönheitschirurg« nennen.
Es ist ein ganz besonderer Moment, wenn ich Menschen wieder zum Lächeln bringen kann.
Lauern da Gefahren für Otto Normalverbraucher, der kurz ein wenig Botox gespritzt haben möchte? Wie ist dieser Markt überhaupt besetzt? Für einen Laien sicherlich die gängigste Behandlung, oder? Gefahren lauern überall dort, wo Fachwissen fehlt, aber so ist es doch in jedem Beruf, oder?
Sicherlich ist Botox eine sehr geläufige Behandlung, und erfreut sich auch in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Das Problem ist jedoch (bspw. bei Hyaluron), dass sich in Deutschland jeder Zahn- oder Frauenarzt in diese Richtung mit einem Wochenendkurs qualifizieren kann. Was dann fehlt, sind die anatomischen Grundlagen einer fundiert rekonstruktiv-ästhetisch basierten Fachausbildung. Da schließt sich dann der Kreis des Dilemmas. Kaum einer weiß, dass verkehrt gesetzte Injektionen gravierende Folgen haben können. Die Anatomie und Erfahrung lehrt wo welche Strukturen verlaufen. Man weiss wo es gefährlich wird und Produkte wie Hyaluronsäure nichts verloren haben im Gesicht. Hyaluron an der falschen Stelle kann zur Erblindung führen. Es fehlt leider sehr häufig das dreidimensionale Verständnis.
Hyaluron kann gefährlich sein, bis hin zur Erblindung.
Wie verhält es sich mit den typischen OPs wie Brustvergrößerungen & Co? Machen diese wirklich einen Großteil der ästhetischen Chirurgie aus? Welche Risiken gibt es dabei? Stimmt die Mär der Herstellerfehler bei Implantaten?
Brust OPs machen in der Tat einen Großteil der ästhetischen Chirurgie aus. Die Einlage von Brustimplantaten stellt nach wie vor den häufigsten Eingriff dar. Bei Brustimplantaten gibt es in der Tat Komplikationen mit fehlerhaften Implantaten. Daraus entstehen Lymphome (BIA-ALCL), die eine eigene Tumorart darstellen. Auch Kapselfibrosen (eine Schrumfpung der Implantatkapsel) können entstehen. Dann müssen die Implantate gewechselt werden – das sind alles Dinge, die den häufig jungen Frauen, erklärt werden müßen.
Es geht aber vor allem um hochwertiges Material, um perfekte Hygiene und Kontaktlosigkeit. Es gibt heutzutage spezielle Behälter, die das Implantat kontaktlos in den Körper bekommen. Diese berühren dann nicht die Patientenhaut. Viele nutzen diese Hilfsmittel nicht, weil sie sich die Kosten dafür sparen möchten. Letztendlich liegen die Unterschiede in maßgeblichen Details, die über Wohl oder Wehe entscheiden.
Bei Krebserkrankungen der Brust ist das Vorgehen ein anderes, richtig?
Ja, hier sollten immer zwei Spezialisten zusammenarbeiten. Der Tumor sollte vom Facharzt entfernt werden, der Aufbau der Brust dann von Plastischen Chirurgen. Eine onkologische Brust-OP beinhaltet immer einen Gewebeaufbau, also einen rekonstruktiven Eingriff. Wir entnehmen dabei bspw. Gewebe am Bauch und setzen es an die Brust (DIEP-Lappenplastik). Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Ästhetik und Rekonstruktion sich bedingen. In einem zweiten Eingriff ist häufig die Straffung oder Verkleinerung der Gegenseite zur Anpassung notwendig. Wie gesagt, jede Rekonstruktion hat einen ästhetischen Aspekt – soviel zu Ihrer Eingangsfrage von vorhin (lacht).
Brust OPs machen in der Tat einen Großteil der ästhetischen Chirurgie aus.
Wo sehen Sie die Schönheitschirurgie in Deutschland in zehn Jahren?
Das Körperbewusstsein nimmt auch in Deutschland zu. In den USA gibt es mittlerweile Praxen, die wie eine Sportsbar eingerichtet sind, in denen auch Männer Ihre Behandlung »to go« erhalten. Häufig sind es Business-Menschen, die sich für den Alltag jung und frisch halten möchten. Ich glaube nicht, dass es bald schon Sportsbars geben wird, aber Deutschland ist ein sich entwickelnder Markt. Der Trend geht dahin, dass man in früheren Jahren Maßnahmen durchführen lässt, um den jüngeren Status zu festigen und den Alterungsprozess zu verlangsamen.
Wir müssen alle zugeben, dass wir uns häufiger viel jünger fühlen, als es das biologische Alter schonungslos dokumentiert. Wir möchten zunehmend das junge Innere auch äußerlich unterstreichen. Für mich als Arzt geht es aber vor allem darum, auch kritische Situationen in ein gutes Ergebnis zu führen. Das ist es, was einen guten Chirurgen im ästhetisch-rekonstruktiven Bereich auszeichnet.
Vielen Dank für dieses Schlusswort, wir haben viel gelernt!
Weitere Informationen: Arztprofil Dr. Kolios