Als Tiger Woods Ende November bei der Hero World Challenge 2017 auf den Bahamas an den Start ging, war es sein erster Turnierstart seit 301 Tagen. Woods war von Verletzungen gebeutelt. Der Rücken, das linke Knie und die rechte Achillessehne sind die drei größten Problemzonen von Tiger Woods. Seine letzte Rückenoperation lag zu dem Zeitpunkt acht Monate zurück.
Der traurige Höhepunkt von Tiger Woods Verletzungspause war vermutlich das Polizei-Foto, das im Mai 2017 um die Welt ging, und einen gezeichneten Woods zeigte. Damals hätte wohl niemand gedacht, dass Tiger noch im selben Jahr wieder ein Profiturnier würde bestreiten können, geschweige denn jemals wieder ein Major gewinnt.
Tiger Woods gewinnt das Masters 2019
Die Akte Tiger Woods: Die lange Verletzungsgeschichte des Superstars
Doch Tiger Woods ist ein Kämpfer. Trotz seinen vier Rückenoperationen kehrte er nicht nur zurück ins Profigolf, sondern auch an die Weltspitze. In dem hochklassig besetzten Teilnehmerfeld der Hero World Challenge 2017 spielte sich Woods mit Runden von 73, 65, 70, 76 – insgesamt vier unter Par – auf den 15. Rang.
Der neue Schwung von Tiger Woods
Seine früheren Trainer, Hank Haney und Sean Foley, preisen die Effizienz von Tigers neuem Schwung auf. Der Golftrainer Jim McLean wurde 2018 zu den Top 5 der amerikanischen Golfleher gewählt. McLean sagt: „Ich habe schon einige Schwungumstellungen bei Profis gesehen, aber nicht ansatzweise so oft und mit so viel Erfolg wie bei Tiger. Und dieser neue Schwung sieht richtig gut aus.“
Im Folgenden erklärt McLean, wie Tigers neuer Schwung funktioniert:
Die Ansprechposition – Vorbereitung auf den Start
„Wenn ich richtig zählen kann, ist das die fünfte große Schwungumstellung von Tiger“, erklärt McLean. Füße, Hüften und Schultern sind alle parallel Richtung Ziel ausgerichtet. Hier schlägt Tiger Woods ein Eisen. Beim Golfschwung mit dem Driver steht Woods auffallend breitbeinig am Ball und spielt den Ball vom großen Zeh des linken Fußes. „Das unterscheidet sich von dem, was man sonst bei Tourspielern sieht“, erklärt McLean. „Die meisten spielen den Ball auf der Höhe der Ferse, also eine Nuance weiter rechts als bei Tiger. Aber umso weiter man den Ball von vorne spielen, desto höher fliegt er; was ideal ist, wenn man längere Drives schlagen möchte.“
Wer sich etwas von Tiger abgucken möchte, sollte auf die Haltung des Rückens achten. Zwar sieht auch der neue Schwung von Tiger Woods sehr lässig aus, aber in ihm steckt noch immer extrem viel Kraft. „Wenn Sie mehr Power für Ihren Golfschwung möchten, kann man nicht krumm über dem Ball stehen“, erinnert Coach McLean.
Der neue Rückschwung – flach und weit schwingen
In älteren Abbildungen von Tigers Golfschwung war sein Rückschwung steiler als auf diesem aktuellen Foto. Früher führte Tiger den Schlägerkopf innerhalb der Ziellinie bis hinter seinen Brustkorb zurück. „Jetzt befinden sich die Arme vor seinem Körper, und alles dreht als Einheit“, erläutert Jim McLean.
Den Schläger so zurückzuschwingen hält ihn länger flach am Boden, was zu einer vertikalen Schlägerkopfbewegung führt. Insbesondere beim Drive gilt: der Ball wird später im Aufschwung getroffen. Denken Sie beim Schlagen Ihrer Eisen und Ihres Drivers an den Schwungradius, um noch mehr Kraft aus Ihrem Golfschwung rausholen zu können.
Das Ende des Rückschwungs – Aufladen für den Hieb
„Bis Tiger seinen Rückschwung vollendet, hat er sich etliche Zentimeter nach rechts bewegt. Das hätten Sie vor ein paar Jahren nicht bei Tiger gesehen“, sagt McLean, der Woods’ Schwungentwicklung über die Jahre natürlich haargenau verfolgt hat. „Das ist definitiv eine Kraft-Bewegung, aber sie ist auch gut für Leute mit Rückenproblemen. Es ist deutlich weniger seitliche Krümmung erkennbar; so wird Tigers untere Wirbelsäule nicht noch zusätzlichem Druck ausgesetzt. Ich mag diese Veränderung. Denken Sie nur an Golfer, die großartig im Driven waren, wie Jack Nicklaus und Greg Norman; sie haben sich hinter und nicht über dem Ball die Extra-Portion Kraft geholt.“
Auf dem Bild ist zu sehen ist, dass bei dem neuen Schwung von Tiger Woods die Schulterdrehung komplett erfolgt ist. „Die linke Schulter ist bis weit hinter den Ball gedreht. Das ist die Bewegung eines gesunden Golfers“, beton Jim McLean.
Beim Schlag mit dem Driver holt Tiger zwar noch etwas mehr aus, aber dennoch ist der neue Schwung von Tiger Woods deutlich weniger belastend für seinen Rücken. Wenn Sie diese Bewegung nachmachen, achten Sie darauf, das Gewicht nicht zu sehr nach rechts zu verlagern. Das vermeidet Tiger, indem er gegen ein stabiles rechtes Bein dreht. „Ansonsten würde es ihm an der nötigen Konstanz fehlen“, erklärt McLean.
Die Energieübertragung im neuen Schwung von Tiger Woods
Jim McLean: „Imposant! Dieser Mann hatte mehrere Rückenoperationen und schwingt aggressiv zum Ball!“
Seit langem ist Woods bekannt dafür, die Knie zu beugen, wenn er den Durchschwung einleitet. Er nutzt den Boden als Hebel für einen kraftvollen Schwung. Jim McLean ist der Meinung, dass die Neigung nicht mehr so deutlich wie früher sei. Wichtig hingegen ist, dass Tiger ausreichend Raum beibehält, um den Schläger Richtung Ball zu peitschen.
„Das ist der Kniff“, sagt McLean. „Wenn Sie sich im Vergleich zu Ihrer Ansprechposition absenken, müssen Sie dafür sorgen, dass der Schläger vor Ihrem Brustbein bleibt, um sich frei zum Ball bewegen zu können. Das macht Tiger derzeit hervorragend.“
In den Treffmoment hinein – Kraft generieren
Angenommen, die Bewegungsfreiheit von Tiger ist nach der vierten Operation an dem beschädigten Wirbelknochen eingeschränkt, so wäre es unrealistisch zu glauben, er könne seine 290-Meter-Abschläge noch genauso produzieren wie früher. Somit muss sich Woods die Geschwindigkeit für seinen Golfschwung auf andere Art holen.
Jetzt generiert er die Kraft mit Hilfe seiner Arme. „Tiger schwingt definitiv mehr aus den Armen als früher. Die Arme bewegen sich extrem schnell“, sagt Jim McLean. So wie bei Greg Norman in dessen besten Zeiten. Obwohl sich der Schaft Richtung Ziel neigt, befindet er sich den Bruchteil einer Sekunde später senkrecht zum Boden.
„Tiger befreit den Schläger hart. Er bringt ihn vor seinen Körper und trifft den Ball im weiteren Verlauf des Schwungs. Tiger schleppt den Schläger nicht durch den Treffmoment, sondern lässt seinen rechten Arm die Bewegung vorgeben und diktieren“, erläutert McLean.
Der Durchschwung – Neue Freiheit für den Schlägerkopf
Wenn Sie den Durchschwung von Tiger Woods mit dem von Jordan Spieth vergleichen würden, müsste Ihnen ein erheblicher Unterschied der Positionen von Armen und Händen auffallen: „Sie würden nämlich sehen, dass Jordans linker Ellbogen noch gebeugt ist, wohingegen der linke Arm von Tiger gestreckt ist und der Schlägerkopf frei schwingt,“ erklärt Schwungexperte McLean.
„Jordan reißt den Schläger durch den Treffmoment, Tiger hingegen wirft ihn. – Die Bewegung von Tiger gleicht einem mit der rechten Hand hart geworfenen Ball. Der Brustkorb von Tiger dreht sich zwar zum Ziel, ist aber in Relation zu seinen Armen und Händen nicht ansatzweise so stark gedreht. In der Zeit vom Treffmoment bis der Schläger parallel zum Boden steht haben sich Arme und Hände wesentlich mehr bewegt.“
„Wenn der Slice Ihr typischer Ballflug ist, sollten Sie diese Bewegung imitieren. Rotieren Sie im Durchschwung Ihre rechte Hand über die linke“, rät Teaching-Professional Jim McLean.
Der neue Schwung von Tiger Woods – Im Finish Rückenschonend
Jetzt mal ehrlich: Viele Golfer haben Probleme im Bereich der Lendenwirbelsäule, und die betreffen nicht nur Profi-Spieler! „Mit diesem Wissen im Hinterkopf müssen Sie alles dafür tun, um Ihren Rücken zu schützen“, mahnt Jim McLean. Das neue Finish von Tiger Woods zu kopieren ist schon ein Anfang. „Dieses Finish ist großartig. Insbesondere für einen Kerl mit einem lädierten Rücken.“ Sehen Sie nur, wie aufrecht er steht.
Am Ende seines Rückschwungs – also eine Sekunde später – steht seine rechte Schulter höher als seine linke. Und wenn Sie – aus der Seitenansicht – eine Linie von seinem rechten Ohr bis zur Innenseite seines linken Fußes ziehen würden, dann wäre das Resultat eine gerade Linie. Seine Wirbelsäule biegt sich nicht mehr in Form eines „umgekehrten C“. „Das bedeutet: Es wird kein zusätzlicher Druck auf die Bandscheiben ausgeübt“, erklärt McLean.
Da niemand jünger wird, bedeutet dieses aufrechte und ausbalancierte Finish gewonnene Zeit und
Gesundheit für die persönliche Golflaufbahn. „Lassen Sie den Schläger im Finish ruhig auf Ihrem Nacken oder Ihren Schultern ruhen“, rät McLean.
„Tiger steht so aufrecht. Es ist großartig zu sehen, dass er wieder wie ein wahrer Champion schwingt.“ – und nun mittlerweile nach seinem fünften Masters-Sieg nun auch wieder ein Champion ist.