Die Deutsche Meisterin Esther Henseleit wirkt beim Interview tiefenentspannt. Dazu hat sie allen Grund: 2018 war ein überragendes Jahr für sie; nicht nur weil sie das Rekord-Handicap von +7,1 erspielte und zum 1. Januar 2019 ins Profilager wechselte. „Eschti“ spricht mit GM-Redakteurin Isabel von Wilcke über ihre Ziele als Pro und vieles mehr.
GOLF MAGAZIN: 2018 war ein absolutes Erfolgsjahr für Dich! Deutsche Meisterin, Vize-Europameisterin, Rekord-Handicap von +7,1, Abitur…
Esther Henseleit: Ja, ich kann mich nicht beschweren.
Ursprünglich kommst Du aus Varel bei Oldenburg und hast im GC am Meer Golf gespielt. Warum bist Du 2013 nach Hamburg gewechselt?
Das war das Jahr, in dem das Ligasystem umgestellt wurde. Im GC am Meer gab es keine Damenmannschaft. Bis auf ein Qualifikationsturnier hatte ich keine Möglichkeit, mich für die Deutschen Meisterschaften zu qualifizieren. Da lag es nahe, den Club zu wechseln, um auch mal in einer Mannschaft zu spielen. Aber wenn ich wechsle, wollte ich auch in einen guten Verein, der in der Bundesliga spielt.
Du wohntest weiterhin in Friesland und bist zum Training gependelt?
Knapp zwei Stunden. Eine Stunde und 50 Minuten, wenn man mit dem Auto gut durchkam. Aber wir hatten von Anfang an die Absprache, dass ich nur zum Wochenende komme. In der Woche zu pendeln wäre einfach zu viel geworden. Und bei mir Zuhause konnte ich ja auch trainieren. Das war einfach effektiver.
Wie kam es, dass Du mit Golf angefangen hast und dann auch sehr schnell in einen Kader gekommen bist?
Ich war acht Jahre alt. Meine Mutter suchte ein neues Hobby und nahm mich mit. In meinem ersten Jahr habe ich mich auf Handicap 21 runtergespielt. Da war ich gerade neun Jahre alt und wurde in Niedersachen zur Sichtung eingeladen.
Hast Du vorher andere Sportarten gemacht?
Mit fünf Jahren habe ich angefangen, Tennis zu spielen. Das habe ich auch ganz gut gemacht, musste mich dann aber zwischen Golf und Tennis entscheiden. Mittlerweile spiele ich wieder ein bis zwei Mal die Woche. Dafür habe ich wieder Zeit, seitdem ich die Schule abgeschlossen habe. Tennis ist ein super Fitnesstraining. Lieber spiele ich zwei Stunden Tennis, als dass ich eine Stunde laufe.
Was hat Dich als kleines Mädchen auf den Golfplatz gelockt?
Also ich muss sagen, dass es mir nie so wichtig war, mit vielen anderen Mädchen einen Sport zu machen. Im GC am Meer war ich das einzige Mädchen und habe nur mit Jungs trainiert. Das hat mir ganz gut gefallen. Ich hatte auch kein Problem damit, allein auf der Range zu trainieren.
Aber Du bist doch auch keine klassische Einzelgängerin, oder?
Nein, das nicht. Aber … es macht mir nicht so viel aus, auch mal etwas allein zu machen.
Was fasziniert Dich heute am Golf?
Naja, ich glaube, jeder, der golft, hat mal erlebt, dass es einen Moment gibt wie: „So, jetzt kann ich’s“. Ich glaube, dass man diesen Moment immer wieder haben will. Dafür trainiert man. Selbst wenn es mal nicht so läuft weiß man, wie es ist, wenn es wieder klappt. Golf ist auch sehr abwechslungsreich. Man hat nie die gleiche Situation noch einmal, und das ist es auch, was mich so reizt.
Wer oder was hatte Dich dazu inspiriert, dass Du schon als kleines Mädchen wusstest: Ich will Profigolferin werden?
Für die Tiger-Mania war ich ja etwas zu jung. Aber meine Mutter ist mit mir nach München zur Hypo Vereinsbank German Open gefahren, und da haben wir uns die Damen angeguckt. Da war ich recht begeistert. Dann hat mir Martina Eberl auch noch einen Ball geschenkt. Das fand ich total toll. Das war das Jahr, als die Französin Jade Schaeffer (Anmerkung der Redaktion: 2009) gewonnen hat. Seitdem wollte ich Profi werden.
Hast Du Martina Eberl jemals erzählt, was dieser Ball bei Dir ausgelöst hat?
(lacht) Ja, das habe ich ihr gesagt. Sie fand das ganz schön witzig. Ich meine, sie kann sich ja nicht an jeden verschenkten Ball erinnern…
Jetzt wirst Du zukünftig Autogramme geben…
Ja, habe ich schon.
Was ist Dein Lieblingsschlag?
Alles ums Grün herum! Mein Lieblingsschläger ist mein Lob-Wedge mit 58 Grad.
Wieviel trainierst Du in der Woche?
30 Stunden Golf. Athletiktraining kommt hinzu. An Geräten trainiere ich zusätzlich noch im Fitnessstudio.
Wie sieht ein ganz normaler „Arbeitstag“ bei Dir aus?
Morgens gehe ich zum Sport und mache Krafttraining, Stabilisations- und Ballance-Übungen, Würfe, Sprünge, viel Schnellkraft; alles golfspezifische Übungen. Und dann geht’s auf den Golfplatz.
Welche Ziele hast Du?
Erstmal möchte ich bei den Profis ankommen. Und dann fürs nächste Jahr die LPGA-Tour-Karte bekommen und, klar, mich als Golferin verbessern. Manchmal sieht man es ja auch nicht direkt an den Ergebnissen. Aber man merkt, dass man sich verbessert hat. Meinetwegen mental oder auch spielerisch; aber auf jeden Fall einzelne Bereiche.
Was an Deinem Spiel meinst Du, noch verbessern zu müssen?
(lacht … schaut schmunzelnd zu ihrem Trainer Christian Lanfermann) Also, wenn man meine Trainer fragt, dann ist es das Putten, wobei das 2018, vor allem in der zweiten Jahreshälfte, viel besser gewesen ist. Wodurch ich eben auch ganz gute Runden spielen konnte … das ist auch schon der größte Bereich, in dem ich am meisten gewinnen kann.
Christian, als Trainer der Damenmannschaft hast Du Esther im November 2013 zum ersten Mal gesehen. War Dir sofort klar, dass ihr eine große Zukunft bevorstünde?
Christian Lanfermann: Wenn ich jetzt direkt ja sagen würde, würde ich flunkern. Du siehst jemanden, Du lernst jemanden kennen. Du baust so ein bisschen Gefühl auf. Okay, wie tickt die Person, was kann sie, was kann sie vielleicht nicht? Schon damals waren so viele Faktoren sichtbar, die eher dafür sprachen, dass sie ihren Weg im Golf gehen wird; wohin der auch immer führen würde. Aber ich wusste es eben nicht. Wenn Du so eine Persönlichkeit hast, die so viel Bock auf Golf hat, die das so gerne macht, die in gewissen Momenten eben gute Schläge machen kann und das auch weiß und sich ihres Könnens bewusst ist, dann bringt das viel mit sich. Und Du weißt, da ist so viel Gutes drin und das kann ganz spannend werden. Die Grenze nach oben war eben deutlich höher als bei anderen in dem Alter. Das konntest Du schon sehen. Aber wohin die Reise geht … das hat man in dem Moment nur gehofft.
Welche Eigenschaft zeichnet Esthers Golfspiel aus?
Lanfermann: Nur eine? Ich nenne mal ein paar Eigenschaften von Esther: Kreativität auf dem Golfplatz, mutiges, positiv denkendes und aggressives Golfspiel. Und, ganz entscheidend: Sie kann in wichtigen Momenten wichtige Schüsse machen.
Unter Druck funktioniert sie also?
Lanfermann: Je mehr Druck desto besser! Oder? Esther: Ja, schon.
Esther, eine dieser klassischen Fragen: Wo möchtest Du in fünf Jahren sein?
Da würde ich gern Solheim Cup spielen. Dann gibt es ja auch noch so etwas wie Olympia. Also, das sind schon die beiden großen Ziele. Ich gebe mir die Zeit.
Vielen Dank für deine Zeit und das ausführliche Interview, Esther. Wir vom GOLF MAGAZIN wünschen Dir weiterhin viel Erfolg und Spaß beim Golfspielen.
Zur Person
Esther Henseleit
Geboren: 14. Januar 1999
Wohnort: Aufgewachsen in der Kleinstandt Varel bei Oldenburg, lebt seit Ende Dezember in Hamburg.
Familie: Horst und Iris (Eltern), zwei Schwestern.
Spielt Golf seit: ihrem 8. Lebensjahr
2018 Erfolge als Amateurin: Einzel: Deutsche Meisterin, Vize-Europameisterin,
3. Platz EGA-Europa-Rangliste, 10. Platz Amateur-Weltrangliste. Team: Mannschaftsmeister, Europapokalsieger
Handicap: +7,1 (bestes jemals in Deutschland geführte Hcp.)
Pro seit: 1. Januar 2019
Hobbys: Tennis, Freunde treffen, Filme gucken, Serien schauen, kochen und „viel essen“.