Es waren Momente, die man so nur von großen Sportsmännern kennt. Nachdem omas Paul Fleetwood eben als Saisonbester der European Tour das Race to Dubai gewonnen hatte, begegnete der Engländer im Monitorraum Justin Rose, seinem Erzrivalen im Kampf um den begehrten Titel. Während sich der elf Jahre jüngere Fleetwood bei seinem berühmten Landsmann quasi dafür entschuldigte, ihn besiegt zu haben, gratulierte der herzlich und sehr offen. Augenblicke, die in Erinnerung bleiben. „Justin kam in den Raum und tat mir einfach nur leid. Dass er sich so für mich gefreut hat, sagt viel über seinen Charakter aus“, schilderte Fleetwood später die Situation.
Natürlich konnte Tommy Fleetwood nichts dafür, dass Rose die letzte Runde und damit den Titel als Jahresbester 2017 noch in den Sand gesetzt hatte. Rose hatte die vorhergehenden Turniere gewonnen: erst die World Golf Championships in Schanghai, dann die Turkish Airlines Open. Er war auch in Dubai gut gestartet, lag nach drei Runden in Führung und baute die am Sonntag mit vier schnellen Birdies auf den ersten neun Löchern aus. Dann aber kamen die Back Nine und drei bittere Bogeys. Als Rose ans letzte Loch ging, saß Tommy Fleetwood längst im Clubhaus. Gebannt verfolgte er dort am Fernseher mit Lebensgefährtin Clare den Putt zum Eagle, der für Rose den zweiten Rang beim Turnier und den Sieg im Race to Dubai bedeutet hätte. Rose aber setzte den Putt vorbei, wurde Vierter. Mit seinem Sieg beendete Fleetwood eine fünfährige Ära beim Race to Dubai, in der entweder Henrik Stenson oder Rory McIlroy die Serie gewonnen hatten. „Das ist sicherlich der größte Tag meiner Karriere“, gestand Fleetwood, auch wenn er es erst nicht glauben konnte. „Als ich sah, wie Justin den entscheidenden Putt vergab, war ich immer noch unsicher. Ich traue Computern einfach nicht.“
Mit dem Titel „Bester Golfer der European Tour“ krönte Tommy Fleetwood eine überragende Saison. Doch der Engländer hat noch größere Ziele: „Ich will der beste Spieler der Welt sein. Dieser Titel war erst der Anfang.“ Solche Ambitionen kommen nicht von ungefähr. 2009 gewann er die Scottish Amateur Stroke Play Championship. 2010 spielte er sich gar hoch zum besten britischen Amateur. Im Anschluss wechselte der Longhitter ins Pro lager. Sein Debut gab er bei der Czech Open 2010; als damals 19-Jähriger schaffe er den Cut. Nach seinem ersten Sieg auf der Challenge Tour 2011 und dem Gewinn der Money List in Europas zweiter Liga folgte 2012 der Sprung auf die European Tour. Nach einem mäßigen Start folgte eine Saison später endlich der erste Sieg bei der Johnnie Walker Championship in Gleneagles 2013.
Der große Durchbruch oder „Breakout“ glückte ihm aber erst im letzten Jahr: Zehn Top 10-Platzierungen und zwei Siege auf der European Tour plus einem vierten Rang bei der US Open. Fest steht: 2017 war definitiv ein ganz besonderes Jahr für den Engländer. Und das wahrlich nicht nur sportlich! Im September kam sein Kind zur Welt, Franklin, der erste gemeinsame Sohn mit Clare. Clare Craig taucht auch auf Tommys Homepage auf, wo alle Partner vom Caddie bis zu den Putt- und Schwung- Coaches genannt werden. Bei Clare steht da „Manager“. Tatsächlich führt die Britin Tommys Geschäfte schon länger und auch sehr erfolgreich.
Seit Anfang Dezember kann man sie, und das nicht nur auf der Webseite, auch als Ehefrau führen. Nach der Hero World Challenge, bei der Tiger Woods nach langer Verletzungspause auf die große Bühne zurückkehrte, gaben sich die beiden offiziell das Ja-Wort. Dabei waren zu Beginn des Jahres weder die Trauung noch die Reise zum Turnier auf die Bahamas geplant. Fleetwood begann 2017 auf Rang 99 der Weltrangliste – und damit deutlich zu weit hinten für das erlesene Spielerfeld bei der Hero World Challenge. Es folgten die genannten Siege, noch mehr gute Ergebnisse, und plötzlich fand sich Fleetwood auf Rang 18 der Weltrangliste wieder – und die Einladung auf die Bahamas in seiner Mailbox. Tommy mit einem Lächeln: „Nachdem ich mich für die Hero World Challenge qualifiziert hatte, dachten wir uns, dass wir dort ja auch gleich heiraten können.“ Kann man so machen!
Vielleicht sein bester Schlag jemals. 2015 in der dritten Runde der PGA Championship gelang Tommy Fleetwood an Loch 4 in Wentworth (ein Paar 5) ein Albatross: „Ein magischer Moment“, wie er noch heute sagt.