Im Sommer 2017 war Tiger Woods am Ende. Er war aus den Top 1000 der Weltrangliste herausgerutscht und wenn es nach den Quoten der meisten Wettbüros ging, war Tiger Woods zu diesem Zeitpunkt endgültig durch. Sportlich erledigt. Und einer der größten Karrieren eines Außnahmesportlers nur noch ein Trümmerfeld. Vor seinem erneuten Comeback im besagtem Jahr 2017 hatte der damals 41-Jährige Woods weit mehr als ein Jahr kein richtiges Turnier mehr gespielt, dafür seine insgesamt dritte Rückenoperation einschieben müssen (die Liste seiner Verletzungen finden Sie auf der letzten Seite).
Im Mai 2016, bei einem Charity-Event zugunsten seiner Stiftung, versuchte Tiger Woods dreimal, einen Ball aus 90 Metern auf ein Inselgrün zu chippen; immer landete die Kugel im Wasser. Beim ersten Versuch gab es ein deutliches Raunen im Publikum, beim zweiten Schlag ungläubiges Staunen. Beim dritten taten die meisten so, als hätten sie dieses sportliche Fiasko gar nicht wahrgenommen. Dabei war unverkennbar: Tiger Woods, der 14-fache Majorsieger und Dominator des bisher gelaufenen Jahrtausends, kann (es) nicht mehr!
Das Ende einer Karriere?
Rückblickend auf die Verletzungsgeschichte von Tiger Woods ist die Frage ob und wann seine Karriere beendet sein würde, allzu legitim. Auch Woods selbst sollte später ein ums andre Mal betonen: „Ich wusste nicht ob ich je wieder Golfspielen kann. Zum Teufel ich konnte noch nicht einmal sitzen oder liegen.“ Ein Zitat, dass nur erahnen lässt, welche körperlichen Tortouren Tiger Woods in dieser Zeit durchmachen musste.
In der langen Geschichte des Golfsports ist kein großer Spieler, der so lange verletzt war wie Tiger, zu alter Stärke und Dominanz zurückgekehrt. Und kein anderer Pro ist in der Weltrangliste so schnell und brutal abgestürzt wie Tiger Woods. Er, der dieses aussagekräftige Ranking zwischen 1997 und 2014 genau 683 Wochen angeführt hatte, rangierte im November nur noch auf Platz 838.
Der Schock ist mittlerweile verdaut, denn die Golfwelt weiß nun: Er kann es doch noch. Und er kann auch Majors gewinnen. Wenn Tiger tatsächlich nicht mehr zurückgekommen wäre, wäre er der jüngste Aussteiger seit Bobby Jones gewesen. Woods war 32, als er 2008 sein 14. Major-Turnier gewann. Jones stieg 1930 aus, als er gerade mal 28 Jahre alt war; Byron Nelson machte 1946 mit 34 Jahren Schluss. Der große Unterschied: Grand Slam-Sieger Jones und Nelson (fünf Majorsiege) beendeten ihre illustren Karrieren freiwillig. Davon wäre und ist bei Tiger Woods zum Glück so gar keine Rede gewesen. Trotz der Verletzungsgeschichte von Tiger Woods, die sich wie ein Medizinratgeber liest.
Dabei sah es 2013 bereits das erste Mal so aus, als habe Tiger alle Probleme überwunden. Nachdem Tiger Woods fünf Turniere und die Auszeichnung zum „Spieler des Jahres“ gewonnen hatte. Danach aber ging es wieder klar bergab: In den sechs Major-Turnieren, bei denen Woods seitdem antrat (in der Saison 2016 bei gar keinem), verpasste er vier Mal den Cut. In den 64 Majors davor unterlief ihm solch ein Fauxpas gerade drei Mal.
Die Faszination Tiger Woods
Tiger am Ende? Da weigert sich der Verstand; auch das Gefühl gaukelt etwas anderes vor. Und sollte recht behalten. Er, der mit Abstand talentierteste Pro der Neuzeit, der giftiger war als alle anderen um ihn herum und gerade in heiklen Situationen verlässlich zur Hochform auflief! Er, der sich bei der U.S. Open 2008 trotz eines angebrochenen Schienbeinkopfes ins Stechen schleppte – und dort nach 19 schmerzhaften Extra-Löchern über sich und Rocco Mediate triumphierte! Er, der diese Verletzungsgeschichte überkam, sollte sogar besser, weil nahbarer, zurückkehren und es scheint, als würde sich die Vergangenheit wiederholen und Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen diesen Superstar mit Bewunderung betrachten. 11 Jahre nach seinem letzten Major-Sieg.
„Tiger“, so sagt Sportpsychologe Dr. Jim Afremow damals, „hat in seinem Sport und Leben alles erreicht. Er war ganz oben. Der Weg zurück ist entsprechend lang. Sollte er ihn schaffen, wäre das ein Erfolg, der genauso groß wäre wie seine früheren Triumphe. Deshalb reden alle immer noch über ihn.“
Das lag aber auch daran, weil Tiger nie wirklich verraten hatte, was bei ihm nicht läuft oder wo es besonders wehtut. Wenn er sich in eine mysteriöse Wolke hüllen wollte, dann ist ihm das gelungen. Natürlich haben wir Kontakt zu Tiger Woods aufgenommen und nach Gründen gefragt. Die Antwort kam von einem seiner Sprecher, der uns mitteilte, dass sich Tiger zu diesem Thema nicht äußern werde. Die Verletzungsgeschichte von Tiger Woods musste stets mühsam rekonstruiert werden und wie ein Puzzle zusammengesetzt werden.