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Bernd Ritthammer im Interview: »Sag niemals nie!«

Der ehemalige DP-World-Tour-Pro Bernd Ritthammer bleibt auch nach dem Ende seiner Spielerkarriere der Golf-Branche treu: Als Protagonist bei dem Podcast Tee Time, als Content-Creator, als Eventbegleiter und auch als Fully Qualified Golf Professional.

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Bernd Ritthammer

Herr Ritthammer, Gratulation zum Teaching-Pro, und das als Jahrgangsbester. Sie absolvieren ein beachtliches Pensum, da liegt die Frage nahe: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Danke. Mir geht es, um die Frage direkt zu beantworten, gut. Mein Gleichgewichtssinn ist seit der Operation im März 2023 (siehe GM #7/23) fast wie früher. Wenn ich nachts aufstehen muss, weil ein Kind ruft, schwanke ich aber immer noch mehr als vor dem Eingriff. Und da wäre noch der Hörverlust am linken Ohr, durch den ich ja überhaupt auf die Sache aufmerksam geworden bin. Links höre ich weiterhin sehr schlecht.

So ist der Stand der Dinge, ich kann aber gut damit leben. Es gibt schon Reminder, die mir klar machen, da war was. Wie die Narbe am Kopf, die nicht zu übersehen ist. Die Taubheit hat abgenommen, nur ist da dieses merkwürdige, pelzige Gefühl. Mir ist völlig bewusst, dass es viel schlimmere Diagnosen gibt, die nicht heilbar sind. Für mich gab es eine Lösung: Mir wurde der Kopf aufgemacht. Ich bin zuversichtlich, dass ich die nächsten Jahre außer dem Hörverlust keine schlimmen Schäden davontragen werde. Rückblickend komme ich mir vor wie in einem Film – es ist sehr viel passiert.

„Für mich gab es eine Lösung: Mir wurde der Kopf aufgemacht.“

Bernd Ritthammer

Absolvieren Sie ein spezielles Programm, um sich in Form zu halten?

Ich bin sehr aktiv, besonders im Fitnessbereich, weil ich gemerkt habe, das brauche ich. Als Tour-Spieler war das Teil meines Berufs und mir hat diese Disziplin irgendwie gefehlt. Natürlich muss ich das mit dem familiären Umfeld gut abstimmen. Mit drei Kindern ist es extrem herausfordernd.

Sie dürften schmunzeln, wenn manch einer über Schlafmangel bei nur einem Kind klagt? 

Die Nächte werden besser – der Große ist sechs, die Zwillinge sind zwei. Am Anfang war es der absolute Wahnsinn, da hat man einfach nur funktioniert und versucht zu überleben. Im letzten Jahr, das gebe ich zu, habe ich mir insgesamt etwas zu viel vorgenommen.

Also sind Sie bei den vielen »Hochzeiten« an Ihre Grenzen gestoßen?

In einer gewissen Weise. Kein Burnout, aber es gab Anzeichen wie Sekundenschlaf am Steuer. Ich war akut in Gefahr und wusste: Jetzt ist es nicht mehr lustig. Ganz klar, lag es auch an mir. Viele Termine, Veranstaltungen und parallel die PGA-Ausbildung. Das ist der Klassiker bei einem Karrierewechsel. Man schaut sich überall um und fragt sich: Was gibt es da draußen für Möglichkeiten? Und man sagt zu allem Ja, um sich zu positionieren. Vieles war positiv. Ich habe Dinge probiert, die mich vor fünf Jahren gar nicht interessiert haben und jetzt extrem viel Spaß machen. Es ging aber auf Kosten des Privatlebens und auf Kosten meiner Belastungsgrenze. Den Winter habe ich genutzt, um mehr zur Ruhe zu kommen.

Bernd Ritthamme

Bernd Ritthammer über seine Ausbiludng bei der PGA of Germany

Wann hatten Sie sich entschieden, die Ausbildung  bei der PGA of Germany zu machen?

Für mich war die PGA of Germany der bekannteste Ausbildungsverband hierzulande, also war es sinnvoll und logisch. Den Entschluss habe ich Ende 2022 aus vielen Gründen gefasst. Sorry, aber ich muss etwas ausholen. Da war, und das muss ich gar nicht verstecken, meine Performance auf dem Platz. Die war nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte, ohne dass ich die Ursache so richtig benennen konnte.
Das fand ich sehr schwierig und je länger die Karriere lief, desto schwieriger wurde es, dieses Manko zu identifizieren. In dieser Phase der Ursachenforschung kam 2018 unser erster Sohn auf die Welt und das hat die Situation als Golf-Profi zusätzlich erschwert.

Corona hat uns dann alle so ein bisschen aus der Bahn geworfen. Im April 2022 gab es die ersten konkreten Anzeichen. Auf der Challenge Tour hatte ich in Spanien die Finalrunde versemmelt und schickte meinem Trainer Igor Arendt eine frustrierte Voicemail. Tenor: Wenn ich Ende des Jahres keine vernünftige Karte auf der DP World Tour habe, höre ich auf.
Die Woche darauf hat mich meine Frau nach einem Besuch beim Frauenarzt in Schottland angerufen und gesagt: Setz dich mal besser hin, es werden Zwillinge. Ich konnte es nicht fassen und hatte extrem daran zu knabbern. Die Gedanken kreisten um das potenzielle Karriereende als aktiver Golfer und dann diese Nachricht on top. Ich dachte nur: Auch wenn meine Leistung stimmen würde, wie regele ich das logistisch? Ich habe letztlich vor mich hingespielt, mit völliger Planlosigkeit und in einer Schockstarre.

»Setz dich mal besser hin, es werden Zwillinge.« 

Kann man von Zukunftsangst sprechen? 

In einer gewissen Weise. Ist man auf der Tour theoretisch in den Top-20, dann stimmt der Cashflow, und das wären andere Voraussetzungen. Ich war aber auf der Challenge Tour und es ist bekannt, dass man da »nichts« verdient. Man ist gezwungen, den Schritt wieder auf die DP World zu gehen, um vernünftige Aussichten zu haben. Ich war einfach in dem ganzen Jahr nicht mehr in der Lage meinen Job vernünftig auszuüben.
Wenn ich ehrlich bin: Ich wusste nicht, wie es weitergehen soll. Ich habe viel mit meinem Coach geredet, mit engen Freunden, um Lösungen zu suchen. Klar hatte ich dieses Thema Golflehrerausbildung im Hinterkopf, und es macht Sinn, im Golf zu bleiben. Mein ganzes Leben war Golf. Ich habe viel Expertise und kann gewisse Nischen abdecken. Zudem gab es keinen anderen Berufszweig, wo ich gesagt hätte: gut, dann werde ich halt Architekt oder Jurist. Also stand fest dabeizubleiben.
Eine Trainer-Lizenz im Schrank zu haben, ist hilfreich. Also hab ich es angepackt. In der Ausbildung kamen schon Themen auf mich zu, die ich so nicht kannte. Man gibt beispielsweise eine Einzellehrstunde, das habe ich ja nie in meinem Leben gemacht. Im Nachhinein hat’s gut funktioniert und ich verspüre einen gewissen Stolz.

Podcast, Golfreisen, Unterricht, Content-Creator, Einsätze als Experte im TV – haben Sie sich bewusst so breit aufgestellt?

Viel hat sich durch das Karriereende ergeben. Dinge, die ich nie für möglich gehalten hätte, dass sie mir Spaß machen, finde ich jetzt sehr, sehr spannend.

Flo Fritsch, ein Kollege und Freund, ist Trainer im Leistungssport und engagiert sich in der PGA of Germany. Mit Sebastian Heisele hat ein weiterer, ehemaliger Spitzen-Pro den Weg eingeschlagen. Und mit Kariem Baraka ist ein ehemaliger Pro Präsident der PGA of Germany. Das dürfte Ihnen entgegenkommen? 

Durch solche Menschen entwickelt sich ein anderes Verständnis. Auch ich hatte meine Vorurteile bei dem Verband. Man bekommt viel mit, beispielsweise, dass die Ausbildung eher deutsch und sehr theoretisch sei, man Schwerpunkte auf Schwünge und Ebenen lege und vergesse, dass man Golf spielen müsse. Ich war als Spieler sehr lange an der praktischen Front unterwegs, folglich bin ich ein Fan von Spielen. Ich suche spielerische Lösungen, um die Technik positiv zu beeinflussen und versuche nicht erst die Technik zu perfektionieren, um auf Abschlag 1 zu dürfen. Da hat sich bei der PGA viel getan. Beispielsweise mit Peter Martin als Ausbilder, er hat einen extrem spielerischen Hintergrund. Man hat verstanden, von diesem Technik-Leitbild wegzugehen und den Menschen das Spiel und den Spaß daran zu vermitteln. Man ist praktischer geworden. Für mich war das eine positive Überraschung.

Wie schwer ist Ihnen die Ausbildung gefallen?

Ich kam aus einem anderen Leben und war mein eigener Chef. Auf einmal war ich wieder Azubi – mit 36 Jahren, und saß in einem Seminarraum, um mir erklären zu lassen, wie Golf anscheinend funktioniert. Schwierig. Ich möchte nicht verhehlen, dass ich mich mit dieser Rolle zurechtfinden musste. Seit meinem Abitur 2006 habe ich keine Arbeiten mehr geschrieben und die haben mich schon angekäst. Ich hätte nicht gedacht, dass es für mich so aufwendig sein wird. Die Gruppenlehrprobe als Prüfungsfach ist eine richtige Challenge – man bereitet 17 Themen vor und in einem davon wird man über 90 Minuten geprüft.

Um so weit zu kommen, mussten auch Sie den Playing Ability Test (PAT) machen und Ihre Spielstärke zu beweisen. Ernsthaft?

Ich habe eine Mail an die PGA geschickt und nachgefragt. Die Antwort: Ja, ich müsse ihn machen, man wolle keinen Präzedenzfall schaffen. Ich habe zehn Schläger mitgenommen und habe, glaube ich, sieben unter Par und zwei unter gespielt.

Es gibt da so eine Anekdote.

Die von Thomas Gögele? Ja. Ich glaube, er hat nur mit drei oder vier Schlägern gespielt und soll eine Verwarnung bekommen haben. 

Es geht hier um Professionals, die auf höchster Ebene über Jahre agiert haben. Ihr Score-Durchschnitt lag auf der DP World Tour, unter Par. Ist da der PAT zeitgemäß?

Es soll keine Sonderbehandlung geben. Wobei eine Anpassung sinnvoll wäre. Ich hoffe ein bisschen auf Flo Fritsch, dass er durch seinen Input für die zukünftigen Generationen, die ein oder andere Änderung erwirken kann. Mein Vorschlag: Ein Anwärter, der im Jahr zuvor auf einer Tour gespielt hat und bei beispielsweise zehn Turnieren einen gewissen Schnitt aufweisen kann, braucht keinen PAT.

Mit Florian Fritsch, Sebastian Heisele, Florian Kunzenbacher, Benedikt Staben und Ihnen kommt eine Generation nach, die geballte Tour-Erfahrung hat. Also Spieler, die den Ball auf einem anderen Niveau nach vorne fördern. Jetzt wird es heikel…

Bernd Ritthammer

Ich glaube, Sie wollen darauf hinaus, wie gut ein Trainer selbst spielen muss?

Treffer.

Die Frage habe ich mir auch oft gestellt. Im Fußball gibt es diese Diskussion auch und es zeigt sich: Ein guter Fußballtrainer muss wahrscheinlich nicht unbedingt ein super Fußballer gewesen sein. Ganz spezifisch auf Deutschland bezogen, haben wir viele Golflehrer, die einen guten Job machen, wir haben aber insgesamt sicherlich zu wenige, die wirklich viel Ahnung vom hochklassigen Spielen und Wettkämpfen haben. Ein Teaching-Pro, dessen Schüler zu 90 Prozent bei Handicap 20 liegen, würde mir wohl widersprechen. Oder die Pros, die Schnupperkurse machen. Da sind ganz andere Skills gefragt. Ich sehe es positiv, dass Pros dazustoßen, die alles erlebt haben und wissen, an welche Grenzen man irgendwann stößt und warum die Entwicklung stagniert. Im Bereich Mannschaftssport, Leistungssport und gezielte Jugendförderung können wir in Deutschland jeden gebrauchen, der Erfahrung hat und somit mehr weiß.

„Ich sehe es positiv, dass Pros dazu stoßen, die alles erlebt haben .“

Bernd Ritthammer

Und wo sehen Sie sich?

Das ist die schwierigste Frage bisher, aber die naheliegendste. Im Moment besteht mein Berufsfeld aus Golfunterricht, Golfreisen und Golfcamps, Podcast-Aktionen plus Eventbetreuung. Vollzeitunterricht, egal in welchem Bereich, schließe ich momentan aus. Nach den Anzeichen der Überbelastung im vergangenen Jahr werde ich die Schwerpunkte anders setzen.

Mit dem Wissen, das Ihnen in der Ausbildung 
vermittelt wurde – hätte der 19-jährige Bernd Ritthammer in seiner Laufbahn etwas anders gemacht?

Das höre ich oft und ich erwische mich auch bei den Gedanken. Ich glaube, das ist ein unfairer Gedanke sich selbst gegenüber. Okay, nur weil man es in der Theorie besser weiß, heißt es nicht, dass man es in der Praxis umsetzen kann. Kann ich mein Verhalten unter Leistungsdruck wirklich anpassen? Beim Thema Training hätte ich schnellere Entscheidungen im jungen Alter treffen sollen. Ich wusste schon immer, dass der Standort Bayern oder Deutschland ein schlechter ist. Muss ich dafür eine PGA-Ausbildung machen? Ich habe versucht ein normales Leben zu führen, ich habe mich in meinem Wohlfühl-Umfeld aufgehalten und war nicht bereit, manch harte Entscheidung zu treffen. Aber ein Umzug und Verzicht ist ja auch ein Garant für Erfolg. Ich hatte die Karriere, die ich hatte. Klar wollte ich mehr erreichen, wollte Majors spielen, wollte Turniere gewinnen auf der DP World.

Ritthammer über eine mögliche Rückkehr als Profi

Ist eine Rückkehr ins Tour-Geschäft denkbar, wie Thomas Gögele auf der Legends Tour?

Im Moment, nein. Ich bin 37, das sind noch 13 Jahre. Wenn mich die letzten zwei bis vier Jahre eines gelehrt haben, dann: sag niemals nie. 

Haben Sie etwas über den Golfschwung gelernt, dass Sie so noch nicht wussten?

Rein von den technischen Zusammenhängen war mir da schon vieles klar. Ich versuche es mal ganz simpel zu erklären: Bis dato kannte ich natürlich hauptsächlich gute volle Schwünge und die Dynamiken, die in einem guten Golfschwung herrschen. Ich dachte immer, dass diese Dynamiken grundsätzlich für jeden Golfer gelten, aber dem ist nicht so. Jetzt müsste ich ins Detail gehen, das würde Ihren Platz sprengen. 

In Ihrem Podcast mit Max Kieffer als Gast, haben Sie die deutschen Pros aus der Reserve gelockt. Sie kennen keinen, Marcel Siem vielleicht ausgenommen, mit einem überragendem Kurzen Spiel. Wie kam das an?

Das große Thema hieß Standortnachteil. Im Gegensatz zu jemanden, der in Andalusien groß wird, hat man in Deutschland einen schwierigeren Start ins Profileben. Das ist einfach so, und das hat Auswirkungen auf das Kurze Spiel. Wir haben auch über England und Dänemark gesprochen. Die Wetterbedingungen sind vergleichbar, nur ist dort die Qualität der Golfplätze besser, besonders der Grüns und rund um die Grüns. Wir als deutsche Pros sind extrem gut auf der Range, haben diese klassischen Fähigkeiten, den Ball gut und weit zu schlagen. Was uns fehlt, ist diese Scoring-Ability, die kann ich durch das Kurze Spiel sehr beeinflussen. Wir sind überstrukturiert, super gewissenhaft und gleichzeitig fehlt dieser Killerinstinkt und der extreme Hang zum Egoismus. Dieses: »Eye, ich bin jetzt hier und ich mache alle fertig.« Training sollte neben den technischen Aspekten darauf abzielen, weniger Schläge auf der Runde zu machen. 

Bernd Ritthammer

Wie steht’s um Ihr eigenes Spiel?

Am meisten komme ich zum Golfen, wenn ich eine Reise begleite. Noch geht es mir nicht ab, aber ich denke, es kommt der Punkt, wo es kribbelt. Wenn ich auf dem Platz bin, habe ich deutlich mehr Spaß, ich spiele mit mehr Leichtigkeit, da ich weiß: Das ist nicht mehr mein Beruf und meine Pflicht. Ich kann unkonventioneller agieren und muss mir bei den Putts nicht mehr fünf Mal die Linie anschauen. 

Täglich unterrichten ist nicht Ihr Ding, aber wo und wie könnte man bei Ihnen eine Stunde nehmen? 

Im GC Augsburg, da arbeite ich eng mit Felix Eibl zusammen. Im Wittelsbacher GC führe ich Sondertrainings mit der Mannschaft durch, beispielsweise auch Kursmanagement. 

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