Eigentlich träumen wir doch alle von der Fairwaymitte. Doch manchmal haben sich Platzarchitekten kleine Gemeinheiten einfallen lassen, die das Spiel so abwechslungsreich machen. Doglegs, clever platzierte Hindernisse in der Drive-Landezone und anspruchsvoll geformte Bahnen erfordern dann auch mal einen kreativen Teeshot. Wer den Abschlag nicht mit einem kürzeren Eisen auf Sicherheit ablegen möchte, sondern die Herausforderung der Bahn annimmt und dem Ball eine bestimmte Kurve mitgeben möchte, sollte ein paar Grundlagen des »Driver Shapings« kennen. PGA-Professional Peter Martin bildet als Teil des Coach-Teams der PGA of Germany nicht nur künftige Trainer aus, sondern kann auch sehr gut erklären, wie das mit den gewünschten Ballflugkurven beim Drive funktioniert.
Gewünschte Flugkurven – oder für Freizeitgolfer oftmals unerwünschte Kurven – werden bewusst oder unbewusst über den Stand, die Ballposition, die Schwungbahn und den Griff reguliert. Wir konzentrieren uns hier ausschließlich auf das Schlägerblatt und zeigen, wie (gezielt) außermittige Treffer bestimmte Flugkurven annehmen. Wichtig für das Grundverständnis und die Funktion der Schlagfläche beim Driver-Shaping ist der sogenannte Gear-Effekt.
Was ist der Gear-Effekt?
Dieser Getriebe-Effekt (vom englischen gear – Getriebe) steht für ein physikalisches Phänomen, das sich insbesondere beim Drive zeigt. Der Gear-Effekt beschreibt, wie sich der Spin und die Ballflugbahnen, abhängig vom Schlagflächentreffpunkt, verändern. Wird die Schlagfläche nicht mittig, sondern oberhalb oder unterhalb, innen oder außen der Schlägerblattmitte getroffen, entstehen verschiedene Effekte: Wird der Ball oberhalb der Schlagflächenmitte getroffen, erzeugt dies weniger Rückwärtsdrall und kann zu einem höheren Abflug und weniger Backspin führen. Das kann die Distanz erhöhen. Wird der Ball unterhalb des Zentrums getroffen, erzeugt dies mehr Backspin (Abwärtsdreh), was zu einer steileren Flugbahn und zu kürzen Flugdistanzen führen kann. Seitlicher Spin erfolgt bei Treffern seitlich (Hacke oder Ferse) des Sweet-Spots, wodurch Kurven wie Slice oder Hook entstehen können.
»Beim Training mit meinen Kader-Athleten zeichne ich mit Trockenshampoo vier Quadrate auf die Schlagfläche. Diese vier Quadrate müssen im Treffmoment gezielt angesteuert werden und haben entsprechend verschiedene Auswirkungen«, demonstriert der Trainer aus dem Osnabrücker GC. Damit werden nicht nur das Schwunggefühl, sondern auch äußerst präzise Treffer geübt.
Wird der Ball beispielsweise an der Schlägerspitze getroffen, dreht sich der Ball gegen den Uhrzeigersinn. Trifft die Schlagfläche eher mit der Hacke auf den Ball, dreht sich dieser im Flug im Uhrzeigersinn, was sich auch gut sichtbar in der Ballflugkurve widerspiegelt. »Zum Verständnis kann man sich den Gear-Effekt mit zwei Zahnrädern besser visualisieren: Dreht sich der Schlägerkopf im Uhrzeigersinn, dreht sich der Ball automatisch entgegengesetzt und rollt Richtung Schlagflächenmitte. Kommt der Ball weiter unten ans Schlägerblatt, erhält er mehr Spin, startet flach und steigt. Trifft man den Ball mit der Schlagfläche weiter oben, startet der Ball gleich hoch, hat aber weniger Spin«, erklärt der Osnabrücker-Trainer und lässt die Bälle mit verschiedenen Kurven kinderleicht die Bahn runterfliegen.
Der Gear-Effekt ist besonders wichtig für Spieler, die ihre Schläge optimieren möchten. Und so die Kontrolle über die Flugbahn und den Spin verbessern wollen. Aber auch weniger erfahrene Spieler sollten wissen, welch eklatante Auswirkungen Treffer außerhalb des Sweet-Spots haben können. Durch das Verständnis dieses Effekts können Golfer aller Spielstärken gezielt an ihrer Technik arbeiten, um so langfristig präzisere und längere Schläge zu erzielen.
Schlaganalyse mit Impact-Spray
Wer keinen Trackman zur Hand hat und klassisch mit Fokus auf das Schlägerblatt trainiert, kann mit Impact-Pads, Impact-Spray oder einfach Trockenshampoo kontrollieren, wo das Schlägerblatt genau getroffen wird. »Ich habe Trockenshampoo immer dabei«, erzählt Peter Martin, greift ins Bag und sprüht aus zehn Zentimeter Entfernung Richtung Schlägerblatt.
Das Trockenshampoo wird zum einen dafür genutzt, den Treffmoment zu visualisieren. Zum anderen kann aber auch umgekehrt die Schlagfläche in zwei (für sehr erfahrene Spieler vier) Bereiche aufgeteilt werden. So entwickelt man ein Gefühl dafür, ob der Ball innerhalb oder außerhalb auf das Schlägerblatt trifft.
»Ich bin auch ein leidenschaftlicher Dart-Spieler. Wenn ich mir vorstellen würde, ich würde Dart üben und ich nicht wissen würde, wo ich das Brett treffe, könnte ich mich nicht verbessern«, so der Profi. Das Feedback, wo man die Schlagfläche trifft, ist äußerst wichtig, ansonsten wäre keine Verbesserung möglich. Ohne Feedback ist keine Weiterentwicklung möglich. Also schnell zur nächsten Drogerie und eine Flasche Trockenshampoo für die nächste Drive-Session kaufen.
Frühes und spätes Schlagen erklärt
Für die gewünschte Flugkurve sind auch »frühes« oder »spätes« Schlagen ein wichtiger Faktor. Das bedeutet in der Praxis, dass man dem Schwung gezielt etwas mehr Tempo verpasst. Nur beim Driver-Shaping eben zu einem ausgewählten Zeitpunkt: Entweder man beschleunigt beim Downswing kurz vorm Treffmoment (frühes Schlagen) oder beim Durchschwung nach dem Treffmoment (spätes Schlagen).
Das kann trainiert werden, indem der Driver falschherum gegriffen wird (am Schaftende beim Schlägerkopf) und das Griffende entweder ungefähr auf 7 Uhr oder auf 4 Uhr zum Zischen gebracht wird.
Hören Sie genau hin. Schon nach ein paar ersten Probeschwüngen haben Sie ganz schnell den Kniff herausgefunden und den Schaft entweder vorm Treffmoment oder eben nach dem Ballkontakt zum Pfeifen bringen.
Hintergrund der Übung: Gelingt der Zisch bereits auf ungefähr 7 Uhr, hat der Schlägerkopf die Möglichkeit, die Hände zu überholen. Damit zeigt er im Verhältnis zur Schwungbahn nach links. So ist die entsprechende Rechts-Links-Kurve erfolgt. Ziel ist, mittels dieses Drills eine Schwungbahn von innen nach außen zu erzeugen, damit die Schlagfläche geschlossen ist. Zischt der Schläger später, erfolgt die Schwungbahn tendenziell von außen. Der Schlägerkopf schwingt nach links und offen zur Schwungbahn, weswegen dann eine Kurve von rechts nach links entsteht. Also Mut zum Zisch und zum Trockenshampoo! Diese Übungen werden Ihr Schwungverständnis schulen und werden Ihre Shape-Erfahrung mit dem Driver sicherlich auf ein ganz neues Level bringen. Viel Spaß dabei.