Stefan von Stengel (Fotos)
Die meisten mögens heiß. Sie fliegen im Golfurlaub für viel Geld in den warmen Süden. Nach Spanien, nach Tunesien oder sogar den weiten Weg ins ferne Südafrika bis nach Kapstadt. Die verklärte Werktagssehnsucht nach Abwechslung und Erholung führt sie dazu. Eine einfache Formel für den perfekten Urlaub lautet heute wie vor 20 Jahren auch unter Golfern: Sonne, Wasser & Strand. Doch viele regen sich nach der Reise nur auf: zu teuer, zu schlecht gepflegte Plätze, zu überfüllt. Die Golfplätze sind Schuld am Urlaubsfrust. Mit der Handykamera wird noch schnell für die Clubgemeinde zuhause ein Beweisfoto gemacht: Die Fairways entlang der halbfertigen Ferienbungalows waren total verbrannt und das für unverschämte 100 Euro Greenfee, Cart noch obendrauf. Am Ende heißt es dann oft einsichtig: Wären wir bloß zu Hause geblieben!
Warum eigentlich nicht? Die entspannte Alternative zum ungewissen Auslandstrip ohne böse Überraschungen liegt so nah. Wer mit dem jährlichen Golfausflug bis zum Wonnemonat Mai warten kann, für den lockt der kurze Abstecher mit dem Auto oder der inzwischen streikfreien Deutschen Bahn ins nahe Schleswig-Holstein. Genauer in die Ostseefjordregion Schlei zwischen Kappeln und Kiel eine Autostunde nördlich von Hamburg. In dieser norddeutschen Idylle, wo der ZDF-Landarzt Dr. Uli Teschner alias Walter Plathe seine Praxis hat und wo die Golfclubs noch darüber diskutieren, ob sie überhaupt Startzeiten einführen sollen oder nicht, ist die Golfwelt noch in Ordnung. Am 11. Mai 2008 wurden in Kiel 25 Grad Celsius gemessen, in Palma de Mallorca regnete es bei 15 Grad, und an der Algarve war es bedeckt bei 16 Grad. Noch Fragen? Dass das nicht immer so ist, versteht sich, aber die Tendenz zum garantierten Schönwetterurlaub im eigenen Land steigt – dem Klimawandel sei Dank. Und wer sich die Ostsee als Ziel aussucht, hat zudem den Strand vor der Tür. „Wo können Sie denn sonst auf einem idealen Golfterrain spielen und haben dabei noch stets das Meer in der Nähe“, wirbt der SH-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, selbst leidenschaftlicher Golfer und gebürtiger Nordstrander. Jeder dritte Deutsche verbringt inzwischen die Ferien in der Heimat, und davon jeder Siebte im nördlichsten Bundesland.
Senioren ab 80 zahlen weniger so investiert man in die Zukunft
Ein Plus für den Norden und damit auch für die Golfbesucher: Ganz Schleswig-Holstein versteht sich als Urlaubsland, also in gewisser Weise als Dienstleister. Auch der Golftourismus wird als wichtiger Wirtschaftsfaktor gesehen und deswegen unterstützt. Die Clubs und der Landesgolfverband ziehen an einem Strang. Die zwischen Verband und der Ostsee-Holstein-Tourismus-Agentur neu gegründete Golf in Schleswig-Holstein GmbH vermarktet das Produkt „golfküste*“, dem sich fast alle Clubs angeschlossen haben. Zuletzt präsentierte man sich auf Nordeuropas größter Touristikmesse in Göteborg. „Im letzten Jahr hatten wir über 3.000 Greenfeerunden, 30 Prozent davon waren Ausländer, darunter viel mehr Schweden als früher“, berichtet Brigitte Rumpf vom Golf-Club Altenhof südlich der Schlei über den Erfolg des Marketings. Frau Rumpf hilft ehrenamtlich im Altenhofer Traditionsclub im Bereich Clubhaus. Clubhauswartin lautet die offizielle Bezeichnung. „Das Ehrenamt ist gut und wichtig für unsere Clubgemeinschaft“, ist Vizepräsident Christoph von Bethmann Hollweg überzeugt. Großvater Theobald war Reichskanzler unter Kaiser Wilhelm II, und den Bethmann Hollwegs gehört das an den
Altenhofer Club angrenzende Herrenhaus von 1728, in dessen Westflügel das Clubhaus untergebracht ist und in dessen 200 Jahre alten Park die ersten neun Löcher des Clubs liegen.
Doch trotz der präsenten His-torie geht man in Altenhof mit der Zeit. Hieß es früher: „Was, sie haben dich aufgenommen, Glückwunsch“, bleibt neuen Mitgliedern heute sogar die einmalige Aufnahmegebühr erspart. Verjüngung für gesicherte Zukunft erwünscht – wie in fast jedem Club. Und auch Greenfeespieler sind willkommene Gäste, haben inzwischen sogar die Möglichkeit, in einem der sechs historischen Gästezimmer des Herrenhauses unterzukommen, Sondergreenfeekonditionen inklusive. Stilecht lassen sich gleich nebenan die eigenen Pferde unterbringen oder die eigene Hochzeit in der Orangerie feiern. Sollte die oder der frisch Vermählte noch kein Golfspieler sein, nach diesem Aufenthalt wird er es ganz sicher. Schuld daran ist ein unvergesslicher Kitschfaktor, der die gesamte Anlage umgibt und wie man ihn sonst nur aus Märchen kennt. Wenn im morgendlichen Dunst zwischen den Jahrhunderte alten Eichen (am 9. und 18. Abschlag stehen die ältes-ten, zwischen 350 und 450 Jahre alt) plötzlich gespenstisch das Herrenhaus auftaucht (Loch 11, 12, 15 und 18) und sich nebenan auf der Feuchtwiese die Lämmer am Fairwayrand sammeln (Loch 11), denkt man ernsthaft darüber nach, zukünftig auch Staffelei und Pinsel ins Bag zu packen. Schlängeln sich die alten neun Löcher durch den herrschaftlichen Park („Lieber ein paar mehr alte Bäume als zu viele Bunker“, so Bethmann Hollweg), wurden die neuen Neun zum Teil in eine alte Kiesgrube gebaut. Flankiert von den meterhohen ehemaligen Abbruchkanten scheinen die Löcher 5 bis 7 einem komplett neuen Golfplatz anzugehören: offen und flach, statt geschützt und hügelig – wie ein zweites Gesicht.
Mit noch einem Gesicht mehr protzt der Rendsburger Nachbar, der Golf Club Lohersand südwestlich der Schlei mitten im Bundesland Schleswig-Holstein. „3 in 1“ ist hier das Motto. Die 18 Löcher (vor sieben Jahren wurde um die zweiten Neun erweitert) laufen zwischen den Niederungen des idyllischen Eider-Zulaufs Sorge, durch die hohen Fichten des Loher Forstes und inmitten von Binnendünen und weiten Heideflächen. Da braucht es schon ne gute Portion Selbstvertrauen und vor allem Variantenreichtum im Schlagrepertoire, will man sich den unterschiedlichen Anforderungen stellen. Clubpro Marc Weiser profitiert davon. Wer regelmäßig in Lohersand abschlägt, der muss trainieren. Und zwar den Mut für präzise 3er-Hölzer vom Tee (Loch 1, Par 4, 333 m von gelb, Waldschneise), Bescheidenheit für ungewohnt kurze Eisen am Abschlag (Loch 7, Par 4, 267 m oder Loch 12, Par 4, 238 m) und saubere Technik für lange Eisen (Loch 13, Par 3, 214 m). Die Jüngsten machen es in Lohersand vor. Jedes Jahr geht der Pro in die Schulen, und von 60 Fünf- bis Siebenjährigen wählt er anschließend die bes-ten 20 aus. Die bekommen dann ein Jahr lang zwei mal wöchentlich Training. Und damit die Senioren sich nicht benachteiligt fühlen, gewährt man denen Beitragsnachlässe: ab 80 Jahren 200 Euro weniger, ab 85 noch mal 200. So investiert man schlau in die Zukunft.
450 Mitglieder – davon die meister Golfverrückte
Die ist seit dem neuesten Deal des 1. Vorsitzenden Dr. Christian Boyens auch was den Platz angeht gesichert. Gerade hat der Club die neuen Neun Löcher (Design: David Krause) vom Verpächter gekauft. Die alten Neun (Bernhard von Limburger) waren eh schon seit den Siebzigern im Besitz. Clubgründer Thomas Eutz von Zerssen hat sie den Lohersandern unter einer Bedingung überlassen: jedes Jahr ein Tag Vollsperrung am Wochenende nur für seine Familie. „Diesen Wunsch erfüllen wir immer noch gerne“, so Boyens. Derartige Eigentumsfragen stellen sich im Golf Club Stenerberg nördlich der Schlei zwischen Kappeln und Süderbrarup nicht. 9-Löcher-Golfplatz, Clubhaus, Greenkeeping, Training und Proshop sind hier Familiensache. Kevin Dolan und Kumpel Michael Reisdorf hatten vor etwas mehr als zehn Jahren die Idee von der „natürlichen Golfanlage in Rabenkirchen“. Unkompliziert sollte es sein, wie sie es im benachbarten Dänemark kennengelernt hatten. Das Land in der Angeliter Hügellandschaft gehörte den Reisdorfs, das Know-how brachte der gebürtige Schotte Dolan. Der hat heute einen Fulltimejob: Morgens Greenkeeper, nachmittags Pro und der Ehefrau im Café helfen, den ganzen Tag Betreiber. Und demnächst soll neben den aktuellen neun Löchern auch noch ein 6-Löcher-Pay & Play-Platz dazukommen. „Bei der Eröffnung 2000 hätte ich nicht erwartet, dass wir schon heute so ein Level erreicht haben“, so Kevin Dolan.
Level heißt in diesem Fall: 450 Mitglieder, davon die meisten Golfverrückte. Schon vor der offiziellen Eröffnung gab es die ersten Clubmeisterschaften, und bei den beliebten Saturday Open (3 Startgebühr inklusive Getränk) wird inzwischen vor- und nachmittags gestartet. Dass die neun Löcher in puncto Designvielfalt und Platz (kaum ein Loch kommt ohne Ausgrenzen aus) nicht mit den „großen“ Nachbarn Lohersand und Altenhof mithalten können, stört zumindest die Mitglieder mit ihrer entspannten maritimen Mentalität nicht weiter. Die interessiert der Sport, nicht das Spezielle. Da wird auch gerne mal der Hund mit auf die Runde genommen. Beim Abstecher zum nächstgelegenen Golf-Club an der Schlei (der liegt direkt am westlichsten Zipfel des Ostseefjords und heißt nicht nur so) müssen die Vierbeiner dann im Auto bleiben. Wobei es leider auch keine speziell ausgewiesenen Schattenparkplätze für Hundehalter gibt. Die haben wir auf den getesteten Plätzen nur in Lohersand vorgefunden. Dafür haben auf der leicht kuppigen Landschaft des Clubs (Schuld daran sind eiszeitliche Moränenzüge) allerlei seltene Vögel Wohn- und Rastrecht. Austernfischer, Kiebitze, Graugänse, Seeschwalben oder der rare Mittelsäger – an und auf der Schlei rasten im Winterhalbjahr 50.000 Zugvögel. Da kommt es dem Club zugute, dass er an einer der breitesten Schleistellen (über 4 km) liegt.
„An der schmalsten Stelle (100 m) bin ich schon rübergeschwommen, hier noch nicht“, erzählt Spielführer Heiner Stoltenberg, „die Strömung ist zu stark.“ Stoltenberg wohnt gleich nebenan und ist einer von vielen engagierten Mitgliedern, auf deren Drängen im Mai 2007 die Erweiterung auf 18 Löcher klappte. Für den Mehraufwand wurde letzten Winter ein Headgreenkeeper eingestellt. Der plant binnen zwei Jahren den Pflegezustand zu optimieren. Noch ist das Christoph Städler-Design nicht perfekt eingewachsen. Was dem einmaligen Fjordblick am Grün der 7 (Par 4, 419 m) und der 10 (Par 5, 489 m) zum Glück keinen Abbruch tut. Das sind die Bahnen, die sogar bei Google Earth zu sehen sind, und weswegen der Club seinen Namen zurecht verdient. Übrigens der einzige unserer Reise, der die Urlaubserfolgsformel komplett erfüllt: Sonne, Wasser & Strand.
Golf-Club Altenhof
Platz: 18 Löcher, Par 72, Damen: 5.184 m (Hcp -36), CR 74,0; Slope 128
Herren: 5.873 m (Hcp -36), CR 72,1; Slope 129
Gegründet: 1971
Architekt: Harradine/ Krause (Redesign)
Greenfee: 35 (Mo), 40 (Di-Fr), 50 (Sa/So/FT)
Startzeitenreservierung: Nein
Adresse: 24340 Altenhof
Tel.: 04351/412 27
E-mail: info@GCAltenhof.de
Internet: www.GCAltenhof.de
Golf Club Lohersand
Platz: 18 Löcher, Par 71, Damen: 4.675 m (Hcp -45), CR 70,3; Slope 123
Herren: 5.480 m (Hcp -45), CR 69,2; Slope 128
Gegründet: 1959 (18 seit 2001)
Architekt: Limburger/Krause
Greenfee: 25 (Mo/Do), 30 (Di/Mi/Fr), 40 (Sa/So/FT)
Startzeitenreservierung: Ja
Adresse: Am Golfplatz, 24806 Sorgbrück
Tel.: 04336/99 91 11
Internet: www.golfclublohersand.de
Golf-Club an der Schlei
Platz: 18 Löcher, Par 72, Damen: 5.298 m, CR 75,3; Slope 133
Herren: 6.083 m, CR 73,7; Slope 136
Gegründet: 1996
Architekt: Christoph Städler
Greenfee: 37 (Mo-Fr), 33 (Do, inkl. Imbiss), 41 (Sa/So/FT)
Startzeitenreservierung: Ja
Adresse: Borgwedeler Weg 16, 24357 Güby
Tel.: 04354/981 84
Internet: www.gc-schlei.de
Golfplatz Stenerberg
Platz: 9 Löcher, Par 35, Damen: 2.266 m, CR 70,9; Slope 122
Herren: 2.588 m, CR 69,1; Slope 129
Gegründet: 1997
Architekt: Kevin Dolan
Greenfee: 30 (Mo-So), Gäste von Mitgliedern 20
Startzeitenreservierung: Nein
Adresse: Morgensterner Straße 6, 24407 Rabenkirchen-Faulück
Tel.: 04642/38 53
Internet: www.golfplatz-stenerberg.de
Infos Ostseefjordregion Schlei
Schlei: Die Schlei erstreckt sich mit einer Länge von 42 km von Schleimünde und Maasholm über Kappeln und Arnis bis zur Stadt Schleswig. Sie trennt die Landesteile Angeln und Schwansen und hat eine durchschnittliche Breite von 1,3 Kilometern und eine durchschnittliche Tiefe von 3 Metern.
Hotel: Das Seehotel Töpferhof liegt in der zauberhaften Umgebung des 1,15 Millionen Quadratmeter großen Bistensees, mitten in Schleswig-Holstein. Es verfügt über 46 individuell eingerichtete Zimmer und Studios. Das Golf & Gourmet Arrangement: zwei Übernachtungen inklusive Frühstücksbuffet, zwei Greenfees für Lohersand oder Altenhof, ein Drei-Gänge-Menü im Restaurant Pesel, ein Fünf-Gänge-Gourmet-Menü im Restaurant Töpferhaus, im DZ p. P. 351 Euro (EZ 411 ).
Außer Golf:
Rent-a-Kanu und dann paddeln – bei „Kais mobile Bootstouren“, Schleswig (04621/85 08 06) oder „Campingplatz Wees“, Missunde (04354/984 30)
Kieler Woche vom 21. bis 29. Juni (www.kieler-woche.de)
Landesgartenschau Schleswig noch bis zum 31. August (www.lgs2008.de)
SH Musik Festival vom 12. Juli bis 31. August (www.shmf.de)
Die Sprottentage Eckernförde vom 11. bis 13. Juli
Internet:
www.ostseefjordschlei.de
www.ostsee-schleswig-holstein.de
www.golfkueste.de
www.ostseecard.de
www.kappeln.de
www.probstei.de
www.ostseebad-eckernfoerde.de