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Esther Henseleit im Interview

Es waren aufregende Monate für Esther Henseleit: Neben der Verlobung mit ihrem Coach und Caddie Reece Phillips, der erfolgreich absolvierte Tour-Alltag auf der LPGA mit mehreren starken Resultaten. Dann – als erste Spielerin aus Kontinentaleuropa – der Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Paris und Mitte September mit dem Solheim Cup ein weiteres Karriere-Highlight. GM telefoniert mit der 25-Jährigen während einer mehrtägigen Verschnaufpause, die sie Ende August bei ihren Eltern in Niederschsen verbrachte.

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Esther Henseleit, Lydia Ko und Xiyu Janet Lin bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris

„Die Medaille fühlt sich immer noch seltsam an.“

Stand heute sind es in dieser Spielzeit vier Top-10-Ergebnisse auf der LPGA Tour, dazu ein zweiter Rang auf der LET in Saudi-Arabien und nicht zuletzt Silber bei Olympia. Dazu der Aufstieg in die Top-30 der Welt: Keine Übertreibung, vom bisher besten Jahr ihrer Laufbahn zu sprechen?
Nein, das ist keine Übertreibung, es ist schon meine beste Saison bisher, vor allem, weil ich bei den großen Turnieren vorne dabei war. Und der Sprung unter die Top 30 bedeutet mir viel, weil es zeigt, dass ich zu den Besten der Welt gehöre. Es ist ein Zeichen, dass ich das Potenzial habe, bei allen Turnieren vorne mitzuspielen. Und nicht zuletzt bekomme ich derzeit so Zugang zu allen Turnieren, ein enormer Vorteil.

Was sind die Gründe für Ihr Hoch, welche Rolle spielt dabei Ihre Verlobung?
Es gibt jetzt nichts Spezielles, vielmehr habe ich in den letzten beiden Jahren kontinuierlich an meinen Schwächen gearbeitet und dabei viel Wert auf das Kurze Spiel und das Putten gelegt. Und jetzt fühlt sich das alles so an, dass alles zusammenpasst und dadurch die guten Ergebnisse kommen. Was meine Verlobung betrifft, so behaupte ich mal, dass das keine große Rolle spielt, außer natürlich, dass es schön ist, dass zu Hause alles gut ist.

Platz und Privat wird gut getrennt

Ist es denn schwer Privates und Berufliches auf dem Platz zu trennen und wie lösen Sie eventuelle Dissonanzen?
Wir können das gut trennen. Für uns sind das zwei verschiedene Sachen. Reece weiß, was er machen muss als Caddie, er hat extrem viel Ahnung vom Golf und ich setze um, was wir im Vorfeld trainiert haben. Aber natürlich ist es im Zweifel so, dass die letzte Entscheidung auf dem Platz beim Spieler also bei mir ist und so sollte es auch immer sein.

Blicken wir auf Paris – wie war das Tur-nier aus Ihrer Sicht, sportlich und auch atmosphärisch?
Es war auf jeden Fall eine ganz besondere Woche. Schon allein im Olympischen Dorf zu wohnen, die anderen Athleten zu treffen, mit ihnen ins Fitnessstudio zu gehen und zu sehen, was die so machen. Es war extrem schön, das mal miterleben zu können. Das Turnier selbst war super. Die besten Spielerinnen der Welt waren da, der Platz ist grandios. Die letzten sechs Löcher sind der beste Finishig-Strech, den ich bisher im Turniergolf erlebt habe. Dazu kommt, dass ich noch nie so viele Zuschauer auf einem Turnier gesehen habe und ich hatte, gefühlt zumindest, unglaublich gute Unterstützung, weil sehr viele deutsche Fans da waren. Und natürlich ist es auch was anderes, wenn man nicht nur für sich spielt wie sonst jede Woche, sondern auch für sein Land. 

Das verlobte Paar – Esther Henseleit und Reece Phillips

Wann haben Sie realisiert, dass es was werden kann mit einer Medaille?Tatsächlich erst nachdem ich fertig war. An der 16 habe ich mal auf das Leaderboard gesehen, aber da waren noch einige Spielerinnen schlaggleich mit mir. Ich wusste, dass ich noch ein Birdie spielen musste und selbst als ich an der 18 fertig war, habe ich gedacht, dass es nur vielleicht zu einer Medaille oder aber für ein Playoff reicht. Aber ich habe nie geglaubt, dass es für Silber reicht.

Dank Ihrer Leistung rückte Golf mal wieder mehr ins öffentliche Interesse. Wie haben Sie die Zeit nach dem letzten Putt des Turniers erlebt?
Es war natürlich sehr aufregend und extrem schön zu sehen, wie viel Auf-merksamkeit einem entgegengebracht wird. Und das dauert ja auch noch an. Am Abend im deutschen Haus mit der Medaille empfangen zu werden, war eine schöne Erfahrung. Aber es ging dann schon sehr schnell Richtung nächstes Turnier. Was bedeutete, dass ich die Balance finden musste zwischen Freude, feiern lassen und Fokus setzen auf die nächste Aufgabe. Jetzt bin ich Zuhause und hole das alles mit meiner Familie noch ein wenig nach, ehe es dann wieder weiter geht.

Ist Ihnen eigentlich die Bedeutung bereits bewusst, als erste Deutsche und auch erste Kontinental-Europäerin eine Medaille im Golf gewonnen und damit gewissermaßen Golf-Geschichte ge-schrieben zu haben?
Nein, noch nicht. Es ist immer noch ein wenig seltsam, die Medaille in der Hand zu halten. Ich bin gerade so langsam dabei, das alles sacken zu lassen und hoffe natürlich auf einen positiven Effekt auf den Nachwuchs und die Golfszene in Deutschland.

Noch ein Blick nach vorne: Neben Ihrer Teilnahme am Solheim Cup (nach Re-daktionsschluss) steht auch ein erster LPGA-Tour-Sieg sicher ganz oben auf Ihrer Wunschliste. Wie sehr arbeiten Sie darauf hin und glauben, dass er sich noch in diesem Jahr realisieren lässt?
Golfturniere zu gewinnen ist immer schwer, aber besonders in den USA. Und bei den letzten zweiten Plätzen war es schon so, dass ich für mich sagen kann, dass ich den zweiten Platz gewonnen habe und nicht den Sieg aus der Hand gegeben habe. Natürlich ist es ein großes Ziel zu gewinnen, ich habe in diesem Jahr noch ein paar Chancen und wenn es nicht klappt, dann versuche ich es im nächsten Jahr.

Steckbrief

Esther Henseleit 
Geboren: 14. Januar 1999
Pro seit: 2019
Tour: LPGA und LET
Größte Erfolge: Sieg Magical Kenya Ladies Open 2019 und 2022, Silber-medaille Olympische Spiele 2024
Weltranglistenposition: 29
Sponsoren: TaylorMade, BMW, Sommerfeld AG, Donner&Reuschel, Original Penguin, Bal.On, Ecco