Als Restaurant-Besitzer, Golfplatz-Architekt und Co-Captain des Ryder-Cup-Teams 2016 ist Tiger Woods im nächsten Jahr sicher nicht langweilig. Aber dennoch fragen sich alle, wie es für die einstige Nummer 1 der Welt sportlich weitergeht. Kann der amerikanische Megastar, wenn er seine Rückenprobleme in den Griff bekommen sollte, überhaupt noch gewinnen? Viele zweifeln daran. Einige US-Medien sind der Meinung, dass mit 14 Major-Titeln und 79 PGA-Turniersiegen die Ära Tiger vorbei sein könnte.
Das schlimmste auch für ihn: Er selbst weiß es nicht. Der beschädigte Nerv in seinem Rücken wirft doch einige Fragen auf. Und Tiger hält sich nach zwei Rücken- und vier Knie-Operationen mit Versprechungen über ein baldiges oder mögliches Comeback auffällig zurück. „Ich möchte keinen weiteren Eingriff. Und selbst, wenn ich nicht zurückkomme und spielen kann, möchte ich immer noch ein gutes Leben mit meinen Kindern haben“, sagte Woods erst vor Kurzem in einem Interview mit dem „Time Magazine“.
Und die Chance auf einen möglichen 15. Majortitel wird immer kleiner. Sein letzter bei der US Open 2008 liegt nun bald acht Jahre zurück. Eine Ewigkeit in der Sportwelt. Insgesamt führte der Kalifonier 683 Wochen die Weltangliste an – ein Rekord, der ihm wohl noch lange erhalten bleiben wird. Aber wer Tiger kennt, weiß, dass der Amerikaner eigentlich noch lange nicht am Ziel seiner Karriere angekommen ist. Macht ihm nun seine Gesundheit endgültig einen Strich durch die Rechnung?
Klar ist: Beim US Masters in Augusta darf Woods per Einladung noch etliche Jahre antreten, bei der US Open wegen seines Sieges 2008 noch bis 2018, bei der British Open bis er 60 ist und bei der PGA Championship auf Lebenszeit. Selbst wenn er bei allen Majors auch ohne andere Erfolge noch mindestens ein Jahrzehnt antreten kann, scheint sein großes Karriere-Ziel, die 18 Titel von Jack Nicklaus einzuholen, so unerreichbar wie nie.
Der Ausnahmespieler von einst hat seine Leichtigkeit verloren. Und nicht nur das: Jetzt gibt es gleich eine ganze Generation von so genannten „Jungen Wilden“, die ihm einen Major-Sieg sehr viel schwieriger machen als früher. Einer von ihnen, Jason Day, fragte Woods immer wieder nach Rat und scheint 2015 alle Lektionen auch verstanden zu haben. Aber er hat nicht die Überlegenheit eines früheren Tiger Woods. Mit Jordan Spieth, Rory McIlroy und Rickie Fowler ist der Kampf um die Major-Titel und auch um die Weltspitze so spannend wie nie. Und wir haben Tiger wirklich lange nicht mehr in seinem rot-schwarzen Finaltagoutfit gesehen – und ich muss gestehen: Ich vermisse Tiger Woods! So spannend es die „Jugend“ auch macht, mir fehlt mir das Fesselnde, was ein willensstarker, siegessicherer und phänomenal spielender Tiger Woods in seinen jungen Jahren geschafft hat.
Es scheint fast wie ein vorzeitiges Trostpflaster und eine Art Gefallen an den den einstigen besten Golfer der Welt, dass Love Davis III ihn zu einem seiner – wohl bemerkt – drei Vice-Captains für den Ryder Cup 2016 macht. Für die Olympischen Spiele kann er sich als 416. (!!) in der Welt nicht qualifizieren. Da kann er sich auf den Kopf stellen. „Ich bin dabei, wenn ich bis dahin nicht zurückgetreten bin“, sagte Tiger Woods im Jahr 2009, nachdem beschlossen wurde, dass Golf wieder olympisch wird. Zurückgetreten ist er (noch) nicht – mitspielen wird er definitiv nicht. Wie die Lage 2015 bzw. 2016 sein würde, war sicher außerhalb Tigers Vorstellungskraft!
Nur zur Verdeutlichung: Ende 2014 war Tiger noch auf Rang 32 der Weltrangliste. Nach seiner schlechtesten Open Championship in St. Andrews 2015 sagte Tiger: „Spaß macht das alles nicht“, nachdem für ihn mit insgesamt +7 bereits nach zwei Runden Schluß war. Was für eine bittere Niederlage für einen Golfprofi, der zwischen 1998 und 2005 kein einziges Mal vor den Finalrunden die Schläger einpacken musste.
Aber einen Vorteil hat diese ganze sportlich-tragische Situation: Tiger hat viel mehr Zeit für seine Kinder Sam und Charlie. Zudem kümmert er sich verstärkt um seine „Tiger Woods Foundation“, die Stipendien an Jugendliche aus einkommensschwachen Familien vergibt.
Selten hat man den ab heute 40-Jährigen so ausgelassen mit seinen Kindern gesehen – und ausgelassen trotz der Trennung von seiner Freundin Lindsey Vonn. Die beiden schienen perfekt für einander, da weint mein Klatsch-Herz bis heute ein wenig. In einem selten ausführlichen Interview mit dem „Time Magazine“ beschreibt Woods außerdem seine Ex-Frau Elin Nordegren als seine beste Freundin. Eine schöne Wendung nach dem unschönen Eheaus nach dem Skandal, der Tiger schon einmal weit nach unten riß. „Daddy hat einige Fehler gemacht“, lautet seine Erklärung für seine Kinder, die nicht von anderen erfahren sollen, was er damals abseits des Platzes angestellt hat.
Und dieser Skandal riß ihn nicht nur privat nach unten, sondern auch spielerisch. Schon damals hatte keiner an Woods‘ Comeback geglaubt. Und auch, wenn nicht der ganze große Paukenschlag in Form eines Major-Siegs kam, beeindruckte Woods viele Kritiker. Und ich bin mir sicher, dass er das wieder kann. Nur ohne genau zu wissen, wie es gesundheitlich um den Superstar steht, ist eine Prognose schwer. Aber hoffen darf man ja. Und ich hoffe, dass sich Tiger Woods 2016 richtig erholt, um dann 2017 wieder voll anzugreifen. Ob er dann einen Major-Titel holt, ist mir nicht so wichtig, ich will ihn nur siegen sehen. Was für eine Erfolgsgeschichte wäre das? Eine großartige finde ich – und damit bin ich sicher nicht allein.
Jetzt aber erst einmal: Happy Birthday, Tiger!
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