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Wow-Effekt für Länge am Tee | Golf Medico

Wer kennt das nicht? Jenseits der 40 beginnt sich der Körper für die Jugendsünden zu rächen. Langsam aber sicher stellt er die Beweglichkeit ein, baut Muskelkraft ab und schaut ganz genau hin, wer damals wann wie viele Nächte bis zum Morgengrauen Cuba Libre getanzt hat.

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Redakteur im Glück
Redakteur im Glück

Bei mir scheint sich der Körper auf seinem Rachefeldzug auf die Länge meiner Drives konzentriert zu haben. Nicht, dass ich jemals richtig mit dem Driver umgehen konnte, aber ein Verlust von gut 20 Metern hat sich in den letzten Jahren eingeschlichen. Woran das liegt, wollte ich schon lange herausfinden, nur verstehe ich die Sprache der Pros meist nicht so richtig: Das Kommando »weiter aufdrehen« führt bei mir unweigerlich zu wochenlangen Nackenproblemen. An »Hüfte mitnehmen« ist schon mein damaliger Tanzlehrer grandios gescheitert, und Dinge wie »Du musst oben ablegen« verstehe ich überhaupt nicht. Kurzum: Bei einem Pro fühle ich mich oft wie ein dummer Schüler im Physikunterricht und bewege mich, was die geforderte Flexibilität angeht, im Stiff-Bereich. Warum gibt es niemanden, der mir »physikalisch« erklärt, was ich tun soll? Wie fühlt sich das an, was die Schulter machen muss? Wie leite ich was ein und wie geht das dann mit der Hüfte?

Horvath ist die Antwort

Im Internet bin ich schließlich auf Robin Horvath gestoßen. Robin hält den Europarekord der Longdrive-Champions, denn er hat den Ball 405 Meter weit katapultiert. Er ist Sportwissenschaftler und kommt nicht über die klassische Technik, sondern erklärt anhand von logischen, sportphysiologischen Bewegungsketten und körperlichen Abläufen. Ich vereinbare einen Termin und treffe mich mit ihm zu einer Trackman-Session. Wir lernen uns bei einigen meiner Schwünge ein wenig kennen und Robin beobachtet schon genau, wo er ansetzen kann.

»Hast du schon mal Tennis gespielt?«, fragt er mich. Ich bejahe das begeistert und er sagt, dass man das an meinem Bewegungsmuster erkennen kann. Vor allem, dass ich meine Vorhand mit einer kurzen Ausholbewegung gespielt und gepeitscht hätte. Das stimmt!

Robin erläutert kurz seine Philosophie, die sich in erster Linie an Golfer über 40 richtet:

• Golfern im Alter von über 40 Jahren bis »open end« keine neuen Bewegungsmuster aufzwingen.

• Bewegungsketten optimieren und die

Kraftquellen der Hebel, Gewichte und Winkel besser ausnutzen.

• Die natürliche, individuelle Biomechanik jedes Einzelnen optimieren.

• Einfache, bildliche Bewegungsmuster zum eigenen Rundentraining erstellen.

• Materialcheck.

Ich starte mit einer Schwunggeschwindigkeit von 93–95 mph und schaffe keine 195 m Carry. Nachdem er mir 30 Minuten lang die Problematik meiner »Ballführung« erklärt hat, lasse ich das linke Handgelenk locker, während das rechte beim Abschwung Schub gibt (habe ich verstanden). Dazu erklärt er mir bildlich, dass ich einen Mega-Topspin über das Tribünendach des Centre Courts in Wimbledon schlagen soll.

Eine schwungtechnische Sache, die beim Tennis gerade kontraproduktiv war, mir jetzt aber sehr helfen würde. Und siehe da: Ich schaffe 103 mph und 220 Meter Carry und 250 Meter gesamt. Wow, in einer halben Stunde von Minnie Maus zu einem echten Anwärter auf die nächste Challenge-Tour-Qualifikation.

Irgendwas muss Robin richtig machen, wenn er als Longhitter einem Drivehacker wie mir so schnell und nachhaltig erklären kann, wie ich mit meinen persönlichen Voraussetzungen ordentlich Meter herauskitzeln kann. Er stellt sich kurz selbst kalt an den Ball, nimmt seinen Schaft mit Ladies-Flex und knallt das Ding ohne sichtbare Anstrengung auf 303 Meter. Wow. Und ja, richtig gehört: Er spielt einen Ladies-Schaft der Marke TPT. Das muss ich hier erwähnen, weil ich von der Idee sofort begeistert war. Robin erklärt mir, dass die Jungs flexiblere Schäfte bauen, die aber auch weniger seitliche Verdrehung (Torque) haben, sonst könnte er sie nicht so lang und gerade auf die Bahn bringen.

Robin Horvath
Robin Horvath

Den so unterstützenden Peitscheneffekt, den jeder Schläger haben sollte, verschenken die Jungs, weil sie eben »Stiff« mit »Cool« verbinden. Eigentlich, so Robin, sollte jeder Herr anfangen, sich in Sachen Flex eine Stufe tiefer einzuordnen. Womit er sicherlich recht hat, denn (wie er) mit 140 mph Schwunggeschwindigkeit einen Ladies-Flex zu spielen, setzt einige Gesetze außer Kraft. In der nächsten Ausgabe schaue ich mir das beim TPT genauer an. Wer nicht warten kann, kann hier recherchieren: tptgolf.com.

Meine Stunde ging leider viel zu schnell zu Ende, aber ich werde mit Robin in Kontakt bleiben. Wer Interesse hat, kann sich (egal von wo) direkt bei Robin melden, denn er coacht viel über Video. Man schickt ihm einfach sein selbst gedrehtes Schwungvideo und er arbeitet dann daran:
drive-coach.de.