Bevor die kommende Saison Fahrt aufnimmt, hatte GM ein Telefoninterview mit Alex Cejka. Der 53-Jährige, der seit vielen Jahren in Las Vegas lebt, spricht über sein erfolgreiches Jahr 2023, das Leben auf der Tour und seine Beziehung zu Deutschland.
»’23 war Weltklasse«
Herr Cejka, das vergangene Jahr dürfte doch ganz nach Ihrem Geschmack gelaufen sein, oder?
Mein Jahr 2023 war Weltklasse. Was nicht viele wissen: Ich war so schlimm verletzt wie noch nie. In Anbetracht der Verletzungen, die ich sehr lange hatte, habe ich habe das Maximale herausgeholt.
Was waren das für Verletzungen?
Ein kleiner Riss im Meniskus, der mir die Saison zusätzlich über Monate erschwert. Und wegen meiner Operation habe ich weiterhin große Rücken- und Nackenschmerzen. Mit der Metallplatte im Hals tue ich es mir seit zehn Jahren immer wieder schwer.
Bei der Senior Open in Wales haben Sie mit Padraig Harrington einen ganz Großen im Stechen bezwungen? Mit welchen Erinnerungen blicken Sie auf das Turnier zurück?
Na ja, zunächst ist mir immer noch saukalt – auch Monate danach. Ich habe ohne Regenzeug gespielt und konnte wegen meines Meniskus kaum gehen. Das Knie war verbunden und ich hatte ständig Beschwerden, auch wenn man das kaum gesehen hat. Am Ende hielt ich die Kanne in der Hand, also war es eine schöne Woche. Der Rest war schmerzhaft und nervlich anstrengend. Ich habe schon viel bei schlechtem Wetter gespielt, aber das war wirklich brutal. Wie ich schon gesagt habe, ich bin mit dem ganzen Jahr sehr, sehr zufrieden und muss mich bei allen bedanken, die mich gepusht haben. Ich hätte ja auch aussetzen und mich auf die Verletztenliste setzen lassen können. Aber das wollte ich nicht und habe lieber auf die Zähne gebissen.
Kommt da der Kämpfer Alex Cejka wieder zum Vorschein, der Sie ja immer waren?
Schauen Sie sich um: Alle, die erfolgreich sind, sind keine faulen Säcke. Egal in welchem Sport, in welchem Beruf. Wenn man in Arbeit investiert, wird man irgendwann belohnt. Es gibt Leute, die viel Talent haben, aber man kennt das Sprichwort: »Fleiß schlägt Talent«. Man muss sich ja nur Bernhard (Langer, Anmerkung der Redaktion) ansehen. Der ist jetzt 66 und schlägt immer noch wie ein Bekloppter jeden Tag Bälle auf der Range. Ohne Fleiß geht nichts. Wenn man in der Spitze mithalten will, muss man halt mehr tun als die anderen. Das ist einfach so.
Sie haben Jahre auf der PGA Tour gespielt und »nur« ein Turnier gewonnen. Als Senior haben Sie gleich drei Major-Titel eingefahren? Gibt’s einen speziellen Grund dafür?
Zuerst einmal: die PGA Tour ist einfach ein ganz anderes Kaliber! Dort zu gewinnen ist sehr schwer. Es gibt viele Spieler, die jahrelang dabei sind und nie ein Turnier gewonnen haben. Ich bin mit einer guten Einstellung und gutem Spiel auf die Champions Tour gekommen. Ich fühle mich super wohl. Und man muss ganz klar sagen: die Konkurrenz ist nicht mehr so stark. Ich fühle mich geehrt, mit so vielen Hall-of-Fame-Mitgliedern, Major-Siegern und Legenden auf dieser Tour zu spielen. Um zu gewinnen, muss noch immer gutes Golf gespielt werden. Mit dem ersten Turniersieg stieg das Selbstvertrauen, es hat sich eine Art Schneeballeffekt eingestellt.
Welcher Teil Ihres Spiels hat sich in den vergangenen Jahren am meisten verändert? Sind Sie irgendwo entscheidend besser geworden?
Gute Frage – die wurde mir vor kurzem so ähnlich schon mal gestellt. Damals wollte man wissen, ob es ein Geheimnis dafür gibt, dass ich auf jeder Tour, auf der ich war, gewonnen habe. Ich habe keine Antwort. Vielleicht ist der Grund meine mentale Stärke. Ich bin weder der beste Chipper, Putter oder drive besonders lang. Es ist wohl eine gute Mischung aus allem.
Sie mussten sich die Champions Tour hart erarbeiten. Nun stehen Sie mit drei Majors da. Manch hochdekorierte Mitspieler dürften den Hut gezogen haben.
Wir haben sowieso Respekt voreinander. Egal, ob man vorher ein oder 20 Turniere gewonnen hat. Trotzdem ist es schön, wenn man von Ernie Els »welcome to the Major-family« zu hören bekommt. So hat er mich beim Turnier nach meinem Sieg begrüßt. Wenn ich dann von Bernhard Langer höre, dass ich ja die wichtigen Turniere gewinne und er mir gratuliert, geht das runter wie Öl. Dennoch: Sieg ist Sieg und ich bin froh, überhaupt gewonnen zu haben. Mir ist letztlich total egal, wo das ist.
Gibt es ein Major, das für Sie eine besondere Bedeutung hat?
Uh, schwer. Major ist Major. Die British Senior Open als Europäer gewonnen zu haben, macht mich besonders stolz. Es ist das Turnier, das man gewinnen will. Die Regions Tradition war schön, die PGA Championship war ein Traum, aber alle Siege waren besonders. Das erste (die Regions Tradition, Anmerkung der Redaktion), weil ich zu diesem Zeitpunkt noch keinen Status hatte und mit Steve Stricker einen Weltklasse-Spieler im Playoff geschlagen habe. Ich war auf der Warteliste und bin erst am letzten Tag ins Feld gerückt – eine irre Geschichte. Und die PGA Championship war wirklich traumhaft für mich, man kann sich gar nicht vorstellen, wie.
Wie fühlt sich die Champions Tour für sie an? Eine lockere Mischung aus Sport und Freunde treffen, oder ist es nach wie vor so, dass man voll konzentriert und mit hohem Ehrgeiz um den Sieg spielt?
Ich gehe deutlich mehr mit den anderen Spielern zum Essen, als auf der PGA Tour. Wenn wir am nächsten Tag am Abschlag stehen, will ich dennoch besser sein als mein Mitspieler; selbst dann, wenn er am vorherigen Abend vielleicht die Rechnung übernommen hat. Auf der Champions Tour ist es weniger stressig, dennoch wollen alle gewinnen und genau darum geht es.
Stichwort gewinnen und Kollegen: Auf der Web-Seite der Tour steht, dass Sie eigentlich Eishockey-Spieler waren. Nachdem Sie aber Bernhard Langer golfen sahen, entschieden Sie sich für Golf. Stimmt das?
Das stimmt, ich habe Bernhard immer wieder bei uns in Hanau bei den nationalen Golfmeisterschaften gesehen und war sogar mal Caddy in seinem Flight. Eishockey war bei uns in Tschechien Nationalsport, da lag der Wunsch nahe. Schnell war mir klar, dass ich nicht bei kaltem Wetter spielen möchte und entschied mich für Golf.
Wenn Sie Bernhard Langer heute treffen, sprechen Sie Deutsch oder Englisch?
Deutsch. Wenn wir Proberunden spielen oder essen gehen, immer nur Deutsch. Das ist für uns beide sehr angenehm, im Alltag haben wir nicht oft die Gelegenheit dazu. Eine Ausnahme gibt’s: Sind unsere Frauen dabei, sprechen wir Deutsch und Englisch.
Kann man überhaupt in Deutschland einschätzen, wie hoch der Respekt und die Wertschätzung für Bernhard Langer in den USA ist?
Nein. Aber auch die aktuellen Spieler der PGA Tour wissen kaum, was Bernhard erreicht hat. Für viele von denen ist es schon schwer vorstellbar, dass Tiger (Woods, Anmerkung der Redaktion) über 90 Turniere gewonnen hat. Bernhard hat weltweit 115 Siege. In Deutschland kennt man ihn, weil er der Erste war, der die großen Erfolge hatte. Bernhard ist Bernhard und Bernhard ist der King.
Apropos Deutschland: Was verbindet Sie noch mit dem Land?
Einiges. Ich komme ein, zweimal im Jahr nach Deutschland und freue mich immer sehr, wenn ich da bin. Zwar kann ich kann mir nicht mehr vorstellen, dauerhaft in Deutschland zu leben, dafür bin ich schon zu lange in den USA. Ich habe immer noch einen deutschen Pass und bin auch stolz darauf. Und das wird immer so bleiben. Möglichkeiten, den US-Pass zu bekommen gab es, aber das will ich nicht.
Wie speziell war es für Sie, bei Olympia für Deutschland anzutreten?
Das kann man kaum beschreiben. Nach langer Pause von Golf (112 Jahren war Golf keine olympische Disziplin, Anmerkung der Redaktion) war ich in Rio am Start. Und wie bereits erwähnt: wenn man Sachen zum ersten Mal macht, ist es etwas ganz Besonderes. Davon abgesehen, war es wohl das schönste sportliche Event, an dem ich jemals mitgemacht habe. Als Olympionike durfte man sich überall andere Sportarten ansehen. Und im olympischen Dorf die anderen Athleten zu erleben, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt, war traumhaft. Für mich war es speziell, weil ich zudem der älteste Teilnehmer aus Deutschland war.
Hat Olympia Ihrer Meinung nach im Golf einen hohen Stellenwert?
Absolut. Soweit ich mich erinnern kann, war Matt Kuchar als Drittplatzierter sehr emotional. Noch nie habe ich einen Spieler gesehen, der bei einem dritten Platz vor Rührung geweint hat. Olympia hat eben eine sehr hohe Bedeutung. Nur wer das erlebt hat, kann das richtig einschätzen. Für die anderen Sportarten, die nicht so im Fokus sind, ist das nochmal viel bedeutender.
Sie sind Fan von Eintracht Frankfurt, interessieren Sie sich für weitere Sportarten?
Klar, ich verfolge alles. Tennis, American Football, Basketball, Eishockey, Baseball. Als Sportler sieht man sich gerne andere Sportler an, besonders wenn es um die großen Titel geht. Aber ich habe kein spezielles Team, von dem ich Fan bin. In Las Vegas gibt’s endlich auch ein Football- und ein Eishockey-Team. Bei den Knights (aktueller NHL-Champion, Anmerkung der Redaktion) habe ich auch schon das eine oder andere Match angesehen.
Ein Blick nach vorn: In diesem Jahr wird die BMW International Open zum 35. Mal ausgespielt. Sie waren bei der ersten Austragung dabei – wie sind Ihre Erinnerungen an das Turnier?
Ich habe da immer sehr gerne mitgespielt, war ja auch ein paar Jahre in München zuhause und hatte somit eine Art Heimspiel. 27 oder 28 Teilnahmen sagen viel aus. Ich würde gerne wieder kommen.
Ist es korrekt, dass Sie damals zu Beginn Ihrer ersten Turnierrunde zunächst am falschen Abschlag waren und im Sauseschritt zur anderen Tee-Box laufen mussten, um nicht disqualifiziert zu werden?
Stimmt. Ich war an der 1 und musste zur 10 und habe fast die Startzeit verpasst. Ich war nervös, hatte keine Tourkarte und dann passieren so kleine Dinge, wenn man ein kleiner dummer Junge ist.
An einem Thema kommen wir nicht vorbei: Mit Jon Rahm wechselt nun eine weiterer, absoluter Top-Spieler auf die LIV Tour – haben Sie dazu eine Meinung?
Mir ist es offen gesagt total egal, ob einer geht oder nicht. Ich habe mein eigenes Leben und will noch ein paar Jahre durchhalten, ehe ich dann aufhöre. Man verfolgt das Ganze natürlich, aber mir ist das wurscht.
Wie beurteilen Sie diese schwindelerregenden Summen, die im Golf mittlerweile bezahlt werden?
Ganz einfach: die Jungs sind es wert, sie sind jeden Penny wert. Als Tiger Woods vor vielen Jahren nach Deutschland kam, wurden ihm – soweit ich weiß – vier Millionen Dollar Antrittsgeld bezahlt. Einfach, weil er es wert war. Das ist nun über 20 Jahre her. Die Saudis haben so viel Geld, dass sie, wenn sie es wollten, alles kaufen könnten. Ich glaube, dass alle Spieler wechseln würden. Vielleicht nicht gleich, aber in ein paar Jahren.
Sie sind immer wieder mit einem tollen Tour-Bus unterwegs, was ist der Grund dafür?
Meine Frau und ich fliegen nicht mehr so gerne und wir sind auch nicht mehr besonders gern im Hotel. Mit dem Bus unterwegs zu sein, macht vieles leichter, auch weil die Hunde so unkompliziert mitkommen können.
Wie oft setzen Sie Ihren Bus ein? Auf der Champions Tour sind ja große Distanzen zu bewältigen.
In der letzten Saison bei zwölf oder 13 Turnieren. Für die 2024 habe ich noch gar nicht geschaut, wie oft es gehen wird.
Wie muss man sich das vorstellen? Fahren Sie sogar selbst?
Nein. Ich fahre nur bei überschaubaren Strecken. Bei längeren Distanzen bringt ein Fahrer den Bus zum Turnier, während ich fliege. So blöd bin ich nicht, vor einem Turnier über 2.000 Kilometer auf der Straße zu bewältigen. Privat bin ich schon mehrmals durch die USA gefahren, aber während der Saison kommt das nicht in Frage.
Gibt es 2024 ein Ereignis, auf das Sie sich bereits jetzt freuen?
Ich werde in gut drei Monaten Großvater, darauf freue ich mich wirklich. Mein älterer Sohn Alex wird mich in der neuen Saison als Vollzeit-Caddy begleiten, das ist auch eine schöne Sache.
Zwei Spekulationsfragen: Wer wird Olympia-Sieger im Golf und wer Fußball-Europameister?
Was Olympia betrifft, kann man derzeit gar nichts sagen. Dazu müsste bekannt sein, wer starten wird. Hinsichtlich Fußball hoffe ich als Deutscher schon darauf, dass Deutschland eine gute EM spielt. Aber in den vergangenen Jahren war es schon schwer zuzuschauen. Und bei den Wetten mit den Buddies und Kollegen habe ich in den letzten Jahren nichts gewonnen, sondern nur gezahlt, weil ich stets auf Deutschland gesetzt habe.
Und die Eintracht?
Oh, das ist schwer. Wir hatten diese geniale Saison vor zwei Jahren und die Erwartungen sind nun andere. Aber es gibt viele a starke Teams. Also: jeder Sieg freut mich, jeder Punkt ist gut.
Alex Cejka
Geboren: 2. Dezember 1970 in Marienbad
Floh als Kind mit seinem Vater über das damalige Jugoslawien nach Deutschland und lebte anschließend in Hessen. Golferisch wuchs Alex Cejka im GC Hanau-Wilhelmsbad auf. 1989 wurde er Playing-Pro. Cejka gewann vier Turniere auf der Challenge Tour und ein Event auf der web.com Tour. Auf der European Tour siegte er vier Mal (1995: Turespaña Masters Open de Andalucía, Hohe Brücke Austrian Open, Volvo Masters; 2002: Trophee Lancome). 2003 wechselte Cejka auf die PGA Tour und bestritt dort bislang 417 Turniere.
2015 triumphierte Alex Cejka im Stechen gegen vier Konkurrenten bei der Puerto Rico Open. 2016 vertrat er Deutschland in Rio beim ersten Olympischen Golfturnier seit 112 Jahren. Seit 2021 spielt er auf der PGA Champions Tour und gewann bei seinem dritten Turnierstart gleich das Regions Tadition, eines der fünf Majors. Es folgte im gleichen Jahr der Sieg bei der PGA Championship und 2023 der Gewinn der Senior Open. Auf der Legends Tour (Europa) holte er den Titel bei der JCB Championship 2022. Cejka ist verheiratet (Ehefrau: Alyssa) und hat aus erster Ehe zwei Söhne.