Golfen und Genießen in Südtirol: Besser geht es einfach nicht. Im ersten Teil unserer Reise schauen wir bei den hochalpinen Courses vorbei und blicken in die köstlichen Küchen
Es ist ein Anblick, den niemand so schnell vergisst: Der Ball beschreibt eine majestätische Parabel, scheint ewig in der Luft zu schweben und ganz oben zu verharren, bevor er sich dann ganz allmählich senkt und schnell, immer schneller in Richtung Fahne fällt, die weit unterhalb des Abschlags auf uns wartet.
Ob der Ball das Grün auch wirklich trifft? Das ist in diesem atemberaubenden Panorama Nebensache – jedenfalls beinahe. Denn Golf in Südtirol bedeutet immer auch mehr als nur den Score zu zählen. In dieser zugleich alpinen wie mediterran geprägten Landschaft, zwischen Edelweiß und Palmen, geht es nicht nur um Birdies und Bogeys, sondern um das Schwelgen und Schlemmen. Das gute Leben und den Genuss – und all das haben wir nach den vergangenen zwei Jahren doch wirklich gebraucht.
Vergessen wir zudem nicht, dass die Bälle in der dünnen Höhenluft zehn bis zwanzig Meter länger fliegen als im Flachland – das Golfen hier oben tut auch noch dem Selbstvertrauen gut.
Die 18 Löcher des Golf Club Petersberg liegen wunderbar harmonisch in die Landschaft eingebettet, die sattgrünen Wiesen winden sich durch alten Baumbestand. Dennoch gilt es, konzentriert zu Werke zu gehen. Die Grüns sind trickreich, die Fairways oft eng, Wasser kommt immer wieder ins Spiel. Besonders herausfordernd ist die 5, die schwerste Bahn des Platzes. Zwar misst das Par 4 nur 315 Meter, doch das Fairway samt Ausgrenze rechts macht nach nur 180 Metern einen scharfen Knick nach links, so dass ein Driver mehr schadet als nützt.
Wenn der Ball erst einmal im Fairway platziert ist, wartet noch viel Arbeit auf die Spieler, denn das kleine Grün mit seiner scharfen Welle muss je nach Fahnenposition ideal getroffen werden. Aber auch auf den Schlussbahnen des Par-71-Courses kann der gute Score dahingehen, etwa bei der 17, einem wasserreichen Par 3, oder der 18, einem Par 4, bei dem eine Ausgrenze alles verschlingt, was kurz und rechts ist.
Spektakulär schlängeln sich die 18 Bahnen des Golf Club St. Vigil-Seis unterhalb des Schlerns entlang, die Höhenunterschiede sind enorm, das Panorama ist einmalig. Die 15 ist das Par 3 mit der größten Höhendifferenz zwischen Abschlag und Grün in Europa; knapp 50 Meter geht es vom Tee nach unten. Hier ist es wirklich fantastisch, seinem eigenen Ball zuzusehen, der nahezu endlos in der Luft bleibt. Wer auf dem Par-69-Platz in 850 Metern Höhe klug zu Werke geht, kann am Abend von einem guten Score erzählen. Und wer nicht mit dem Spiel zufrieden ist, findet vor Ort ausgezeichnete Übungsmöglichkeiten, darunter eine doppelstöckige Driving-Range.
Der Golf Club Carezza ist der älteste Club der Region und nennt sich »Mountain Beast«, denn es gilt auf den neun Bahnen 400 Höhenmeter zu überwinden. Bis auf 1680 Meter geht es empor – höher liegt kein Platz in Südtirol. Die Geschichte des Clubs ist so wechselhaft wie die Geschichte der Region: Auf dem Gelände am Karerpass spielte schon 1905 der Hochadel, bis zwei Weltkriege den Tourismus und damit den Golfsport zum Erliegen brachten. Den Platz den Club in seiner heutigen Form gibt es seit einem Vierteljahrhundert, im Jahr 2017 wurden die Bahnen redesignt. Auf satten 45 Hektar bilden die Bahnen, zwei Mal gespielt, einen respektablen Par-70-Platz, und fünf Abschläge pro Loch sind nicht nur für jede Spielstärke geeignet, sondern bieten dem einzelnen Golfer auf den zwei Halbrunden auch allerlei Variationsmöglichkeiten.
Bei Bruneck liegen die 9 Löcher des Golf Club Pustertal, der ungewöhnlich mit einem Par 3 startet, doch er ist alles andere als ein Kurzplatz. Die Auftaktbahn misst immerhin 183 Meter, und die 2, ein Par 4, kann auf 430 Meter Länge gesteckt werden und misst auch von Gelb noch 401 Meter. Die interessanteste (und schwierigste) Bahn ist die 5, ein Par 5 mit scharfem Dogleg links und Wasser rechts direkt vorm Grün. Nerven müssen am Abschlag der 9 bewiesen werden, wo der Drive durch eine enge Schneise muss, bis sich die Bahn öffnet.
Ja, Golfen in den Alpen ist eine Freude. Und Golfen in Südtirol hat noch einmal einen ganz besonderen Flair. Es liegt schließlich auf der Alpensüdseite – und ist daher nicht nur vom Wetter verwöhnt, sondern auch mit viel Italianità gesegnet.
Wie überall in Italien ist es schwierig, in Südtirol schlecht zu essen. Doch nur hier paaren sich alpine und mediterrane Küche aufs Köstlichste, etwa bei dem jungen Mathias Bachmann in der »Apostelstube« in Brixen, bei Anna Matscher in ihrem »Zum Löwen« in Tisens oder Andrea Fenoglio im »Sissi« in Meran. Die Köche hier haben es aber auch gut. Südtirol ist eine Ansammlung von exzellenten Winzern und Kleinstproduzenten. Selbst in winzigen Orten gibt es altmodisch anmutende – und doch irgendwie ganz moderne – Delikatessengeschäfte mit Köstlichkeiten aus der allernächsten Umgebung, von Erzeugern, die manchmal noch ihre Faxnummer angeben.
Wenn es also auf dem Platz nicht so gut laufen sollte und wenn die Bälle eher dem Dolomitenpanorama als der Fahne entgegen fliegen – allerspätestens bei Bergkäse, Speck und Schüttelbrot im Clubhaus sind jeder Slice und jeder Dreiputt vergessen.
Teil II unserer Südtirol-Reise mit den Golfplätzen in der Ebene und den besten Hotels in jeder Preisklasse erscheint in GM 9/2022.