Golf Magazin: Catriona Matthew, mit der Aramco Team Series, einem Joint-Venture-Event der beiden großen Damen-Touren, debütiert die LET auf US-amerikanischem Boden. Ein großes Turnier mit gutem Preisgeld und exzellentem Starterfeld. Gegenwärtig streben alle ambitionierten Profi-Golferinnen in Richtung der amerikanischen LPGA Tour. Die europäische LET ist derzeit nur eine Stufe hin zu etwas Größerem. Sehen Sie Chancen, dass die Ladies European Tour eines Tages mit der LPGA auf Augenhöhe ist?
Catriona Matthew: Klar glaube ich, dass dies – vielleicht innerhalb der nächsten zehn Jahre – das innige Ziel der LET ist. Und sie hat auch Potential. Es kommen immer mehr Profispielerinnen auf die Tour. Speziell hinsichtlich der Weiterentwicklung der europäischen Tour denke ich, dass die Vereinigung der beiden Profi-Touren LET und LPGA super ist. Es ist zu hoffen, dass diese Zusammenarbeit der LET mehr Publicity und hoffentlich auch zusätzliche Sponsoren und Turniere bringen wird. Die Spielerinnen können sich nämlich nur weiterentwickeln, wenn es auch ausreichend Events gibt, an denen sie teilnehmen können. Ich glaube auch, dass ein Event wie das der Aramco Team Series, bei denen die Kordas, Lexi und Danielle (Danielle Kang, Lexi Thompson, Anm. d. Red.) teilnehmen, für die jüngeren Europäerinnen der Ladies European Tour eine großartige Erfahrung ist. So können sie sehen, welches Spielniveau sie erreichen müssen, um eines Tages auch zu den Top-Spielerinnen zu gehören.
Wenn sich gegenwärtig eine europäische Spielerin für die Profi-Laufbahn entscheidet wäre sie aber genötigt, sich in Richtung USA zu orientieren, oder?
Catriona Matthew: Ja, im Augenblick schon. Dort spielen die besten Spielerinnen, dort gibt es die höchsten Preisgelder. Wenn man momentan an der Weltspitze mitmischen möchte, muss man auf die LPGA Tour wechseln. Aber ich denke, Turnierformate wie dieses hier (bei der Aramco Team Series bilden vier Spielerinnen aus vier Ländern ein Team und spielen um ein Gesamtpreisgeld von einer Million US-Dollar, Anm. d. Red.) steigern das Niveau der LET und helfen perspektivisch, höhere Preisgelder zu generieren. Idealerweise ist es wünschenswert, eines Tages nicht mehr vor die Wahl gestellt werden zu müssen, der Karriere wegen in die USA auszuwandern zu müssen. Diese Tendenz sehen wir auch auf der European Tour. Auch dort wandern immer mehr Profis auf die amerikanische PGA Tour ab. Ich denke, wenn man die Nummer eins der Welt werden möchte, geht man dorthin, wo die Mehrheit der Top-Spielerinnen spielt. Wenn wir größere Sponsoren für die LET gewinnen können und auch größere Events anbieten, würde das den Spielerinnen die Möglichkeit geben, Europa nicht verlassen zu müssen.
Ist es aktuell in Europa nicht ein Teufelskreis? Damengolf ist kaum im Fernsehen zu sehen – wenn, dann nur in Bezahlformaten. Folglich werden die Sponsoren kaum wahrgenommen. Ergo: Ist es für größere Investoren nicht sonderlich lukrativ, in diesen Bereich zu investieren?
Catriona Matthew: Ja, ganz offensichtlich hängt das davon ab, wo man sich gerade auf der Weltkugel befindet. In Asien ist Damengolf ein riesiger Sektor. In Großbritannien kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass in den vergangen Jahren definitiv wesentlich mehr Frauengolf im Fernsehen gezeigt wird als früher – Solheim Cup, FedEx und auch wesentlich mehr LPGA- und LET-Events werden übertragen. Hoffentlich wird sich das auch in Deutschland entsprechend ändern, wenn immer mehr erfolgreiche Spielerinnen auf den Markt kommen. Alleine die Erfolge des Solheim Cups sollten doch dazu ermutigen, auch in anderen europäischen Ländern mehr Ladies-Events zu übertragen.
Damit Frauensport mehr Aufmerksamkeit erhält, befürworten Sie auch Spielformate, in denen Männer und Frauen zeitgleich partizipieren können?
Catriona Matthew: Ja, definitiv! Umso mehr Überschneidungen es zwischen Damen- und Herren-Touren gibt, desto besser. Meines Erachtens würden alle Touren davon profitieren. Die jeweiligen Touren locken unterschiedliche Fans an und es würden den Zuschauern auch mal etwas anderes zu sehen geben. So könnten Fans des Herrensports sehen, wie gut die Proetten spielen und würden dann vielleicht auch mal ein »normales« Ladies-Event besuchen. Meines Erachtens ein Win-Win-Effekt.
Kommen wir zu Ihrem großen Coup: Sie sind die erste europäische Solheim-Cup-Kapitänin, der es gelungen ist, zwei Mal zu gewinnen – und das auch noch in Folge. Gibt es irgendwelche geheimen Pläne für Finca Cortesín 2023 in Andalusien?
Catriona Matthew: Nein, ich werde es kein drittes Mal versuchen. Ganz offensichtlich ist es eine unglaubliche Ehre, diese Chance nun schon zwei Mal bekommen zu haben. Aber man muss auch anderen Spielerinnen mal die Möglichkeit geben, eines Tages Kapitänin zu sein.
Im Vorfeld des diesjährigen Solheim Cups haben Sie selber gesagt, dass das US-Team auf dem Papier der klare Favorit sei. Dennoch haben Sie nicht nur dieses Jahr, sondern auch den vorherigen Solheim Cup für sich entscheiden können. Was ist Ihre geheimnisvoll Ingredienz, einen vermeintlichen Underdog derart zu motivieren und zum Erfolg zu führen?
Catriona Matthew: Ich glaube nicht, dass es auch nur irgendwie eine Notwenigkeit gibt, die Spielerinnen motivieren zu müssen. Ich meine, sie sind im Solheim-Cup-Team und wollen natürlich unbedingt gewinnen. Keine Ahnung, was die geheime Zutat war, die letztendlich zum Erfolg führte. Ich habe einfach versucht, ich selbst zu bleiben. Ich habe stets mit allen Spielerinnen einzeln gesprochen. Denn auch wenn man im Team spielt, sollte man die Spielerinnen immer noch als Individuen behandeln und da ist die Unterhaltung mit einzelnen wichtig, denn jede hat auch andere Bedürfnisse. Vielleicht war das ja Schlüssel zum Erfolg? Also, dass ich darum bemüht war, dass sich alle wohlfühlten, ich mit allen einzeln sprach und somit alle immer wussten, was gerade los ist. Als ich noch aktive Solheim-Cup-Spielerin war, wollten alle immer wissen »Mit wem spiele ich?« oder »Wann spiele ich?«. Ich habe meine Entscheidungen immer offen kommuniziert – egal, ob die Spielerinnen diese nun mochten oder eben nicht.
Spekulationen über etwaige Vierer-Paarung wurden also sofort im Keim erstickt?
Catriona Matthew: Ich habe meine Vize-Kapitäninnen mit ins Boot geholt, mit einigen der erfahreneren Spielerinnen gesprochen und auch die Jüngeren gefragt, mit wem sie lieber Vierer spielen würden; oder auch mit wem sie sich eben nicht so wohlfühlen würden. Es ist schon stressig genug, im Solheim Cup mitzuspielen, da ist es wichtig, dass man sich mit seiner Vierer-Partnerin gut und irgendwie auch behaglich fühlt.
Europa hat dieses Jahr auch den Ping Junior Solheim Cup gewonnen, insgesamt zum dritten Mal und erstmalig seit 2007. Europas Golferinnen scheinen deutlich auf dem Vormarsch zu sein. Woran könnte das wohl liegen?
Catriona Matthew: Ganz offensichtlich leisten die Golfverbände der jeweiligen Länder eine hervorragende Arbeit. Aktuell haben wir jede Menge europäischer Vorbilder: Die Schweden haben Anna Nordqvist. Die Deutschen haben mit Caroline, Sandra und Sophia drei hervorragende Spielerinnen. Vor allem Sophias märchengleicher Sieg bei der Women’s British Open dürfte viele Mädchen inspiriert haben. Jüngere Spielerinnen sehen dann erfolgreiche Spielerinnen aus ihrer Heimat. So wie aktuell bei den Däninnen. Dann gibt es Gruppen Gleichaltriger von drei, vier oder fünf Spielerinnen. Wenn dann eine von denen gewinnt, wissen die anderen »Oh, wenn sie das kann, dann kann ich das auch« – und das motiviert.
Kommen wir zu einem ganz anderen Thema: Frauen-Power der besonderen Art: 2009, zehn Wochen nach der Geburt Ihrer zweiten Tochter gewannen Sie die Women’s British Open. Oder auch Suzann Pettersen, Ihr Captain’s Pick im Solheim Cup 2019, hatte aufgrund ihrer Schwangerschaft kaum Golf spielen können, holte aber zwei SC-Punkte und versenkte auch den entscheidenden Sieg-Putt. Spielern »Super-Mums« besseres Golf?
Catriona Matthew: Glücklicherweise spielte ich nach den Geburten meiner beiden Kinder gutes Golf. Manchmal wünschte ich, ich hätte mehr Kinder bekommen sollten (lacht). Ja, ich finde es großartig. Vor allem für Frauen-Organisationen, die eine guten Mutterschutz haben, ist das hervorragend. Schließlich wollen sie, dass Frauen auf einem Top-Niveau Golf spielen – und auch die Möglichkeit haben, eine Familie zu gründen. Aber dabei kommt dem Golfsport eine besondere Bedeutung zu. Nicht viele Sportarten kann man so lange ausüben. Es gibt Sportarten, bei denen die Athleten im Alter von 25 Jahren schon verbraucht und körperlich ausgebrannt sind. Genau das ist das Wunderbare am Golfsport. Man kann auch dann eine sportliche Karriere anstreben, wenn man eine Familie haben möchte.
Catriona Matthew, vielen Dank, dass Sie sich für dieses Interview so viel Zeit genommen haben. Ihnen weiterhin viel Erfolg.
»Beany«-Spezial-Wissen:
– Fulminante Amateur-Karriere: 1986 Scottish Girls Champion, 1988 & 1989 Scottish Under-21 Stroke Play Champion, 1991, 1993 & 1994 Scottish Amateur Champion, 1993 British Amateur Champion. Spielte beim Curtis Cups für das Team GB&Irland 1990, 1992 & 1994
– Akademikerin: Studierte Rechnungsführung an der Universität von Stirling und schloss ihr Studium 1992 ab
– Flotter erster Profi-Sieg: Ein Jahr, nachdem sie ins Profi-Lager gewechselt war, gewann sie mit der Holden Women’s Australian Open 1996 ihren ersten Profi-Titel
– Super-Mum: Sie gewann im Januar 2009 den HSBC LPGA Brasil Cup, ein zweitätiges inoffizielles LPGA-Tour-Event mit 6 unter Par und war bereits im fünften Monat schwanger. Anfang August, zehn Wochen nach der Geburt ihrer zweiten Tochter Sophie, gewann sie mit der Ricoh Women’s British Open ihr erstes Major
– Erste schottische Major-Siegerin: Mit diesem Sieg der Ricoh Women’s British Open 2009 war sie die erste Schottin, die jemals ein Major gewann – ähnlich wie Sophia Popov dieser Coup 2020 für Deutschland gelang
– Feuer-Flucht: Während des Evian Masters 2009 brach ein Feuer im Hotel aus. Catriona samt Ehemann Graeme konnten knapp entkommen. Aufgrund seiner starken Brandverletzungen an den Füßen konnte Graeme die folgenden Tage nicht mehr als Caddie fungieren. Catriona landete dennoch auf dem geteilten 30. Rang
– Kämpferin: 2013 hätte sie sich bei der Women’s LPGA Championship fast ihren zweiten Major-Sieg gekrallt, verlor aber gegen die damals Weltranglistenerste Inbee Park. Was viele nicht wissen: Catriona Matthew startete mit einem Rückstand von sieben Schlägen in die Finalrunde
– Solheim-Cup-Rekordlerin: Insgesamt 11 SC-Teilnahmen, davon 9 als Kapitänin (2019&2021). 5 Mal gewonnen (2003, 2011, 2013, 2019&2021). In ihren 37 Matches erzielte sie als aktive Spielerin 22 Punkte
Catriona Isobel Matthew
Name: Catriona ist eine gälische Form des aus dem griechischen stammenden Vornamen Katharina und bedeutet so viel wie »die Reine«. Ausgesprochen wird Catriona wie Ka-tree-na
Spitzname: Beany
Geboren: am 25. August 1969 in Edingburgh, Schottland
Profi seit: 1995
Profi-Erfolge: 11 Siege insgesamt, davon 4 auf der LPGA Tour
Major-Erfolge: Sieg Ricoh Women’s British Open 2009. Von 98 gespielten Major-Events, 69 Cuts geschafft
Weltrangliste: Beste Weltranglistenposition 11 (2013). Aktuell: 571
Familie: Verheiratet mit Greame, der auch ihr Caddie ist. Zwei gemeinsame Töchter – Katie (14), Sophie (12)
Auszeichnungen: Ausgezeichnet wurd »Beany« schon häufig, doch jüngst erhielt sie den „Lifetime Achivement Award“, den sie aufgrund einer Corona-Infektion nicht persönlich entgegen nehmen durfte. Das Video ihrer Dankes-Rede gibt’s hier: